Samstag, 12. Juni 2010

Nervenkrieg um Opel - Hoff und der Weg zu EU-Subventionen

"Opels Türöffner in Europas Hauptstädten" wird vom Handelsblatt porträtiert. Hessens Ex-Europaminister Volker Hoff ist "Vice President Government Relations", sein Wechsel aus der hessischen Landespolitik zum Autohersteller sorgte zu Jahresbeginn für Rauschen im Blätterwald, zum einen, weil er zunächst sein Landtagsmandat behalten wollte, zum anderen, weil "der Affären-Mann" (Süddeutsche) politisch lange unter Beschuss war.

Hoff war vor Jahren Geschäftsführer der auch in CDU-Wahlkämpfen aktiven Werbeagentur Zoffel Hoff und Partner (ZHP), über die ein Teil der gut 30 Millionen Euro, die der Medienunternehmer Alexander Ruzicka von seiner Firma Aegis Media veruntreute, an Drittfirmen. Ein Gericht verurteilte Ruzicka zu elf Jahren Gefängnis. Für die Opposition in Hessen eine Steilvorlage, auch wenn der Staatsanwalt Hoff nichts anlastete.

Als Ex-Europaminister und Mitglied von Roland Kochs und Volker Bouffiers Tankstellen-Connection hat Hoff zweifellos weiterhin belastbare Kontakte. Die wird er auch brauchen, denn Opel sucht weiterhin Zugang zu staatlichen Beihilfen. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle hatte Opel Gelder aus dem Deutschlandfonds verweigert -- aus Prinzip wohl, aber vermutlich auch als Retourkutsche für das plumpe Verhalten der Opel-Mutter General Motos. Nun geht es um Gelder aus Fördertöpfen aus den Ländern mit Opel-Werken, deren Auszahlungsmodalitäten den Wettbewerbshütern in Brüssel standhalten müssen -- und um eine pan-europäische Subventions-Strategie.

Hier könnte nach Kanzlerin Merkels Willen auch die Europäische Investitionsbank ins Spiel kommen, "die verkappte Subventionsmaschine der EU", wie die WirtschaftsWoche ätzt:
Sie wollte Opel im vergangenen Jahr schon einmal mit zu 400 Millionen Euro unter die Arme greifen. Daraus wurde nichts, weil Opel bei GM verblieb. Jetzt muss die EIB wieder ran. Verwunderlich ist das nicht, denn in den vergangenen zwei Jahren war die EIB vor allem eines: Eine Autobank.

Um die Verwerfungen der Krise auszubügeln, sponserte sie 2009 unter anderem Ford, Skoda, Nissan, Daimler, Renault, Volkswagen und Peugeot-Citroen mit jeweils dreistelligen Millionensummen. Insgesamt unterstützte die EIB in den letzten Jahren Europas Autoindustrie mit etlichen Milliarden. Dass Autobauer in den Händen außereuropäischer Eigentümer waren, war dabei kein Hindernis, wie Millionenkredite an Jaguar (fast 400 Millionen Euro, indischer Eigentümer Tata), Saab (400 Millionen Euro, chinesischer Eigentümer BAIC) oder Ford (400 Millionen Euro) zu Beginn dieses Jahres belegen. Ein Kredit in dreistelliger Millionenhöhe an Opel sollte da kein Problem sein.

Hilft die EU und helfen die Bundesländer, dann dürften auch die zugesagten Mittel anderer EU-Staaten fließen und Opel könnte schon morgen am Ziel sein. Das klingt auch bei Opel-Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz bereits an: „Wir freuen uns, dass die Regierungen in Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Thüringen zu ihrem Wort stehen und Opel die zugesagte Unterstützung leisten wollen", sagte er am Abend. „Das ist auch ein positives Signal aus Deutschland an die anderen europäischen Regierungen. Auf dieser Grundlage können wir aufbauen, um den fehlenden Betrag für Investitionen in neue Produkte und Technologien auf den internationalen Kapitalmärkten zu beschaffen."
Der "Nervenkrieg um Opel" (Henning Krumrey) hat diese Woche in Berlin an Dramatik gewonnen. Wie die FAZ in einem giftigen Artikel über den "Auto-Staat" und die "Erpressung" der Politik durch die Automobilindustrie richtig feststellte, geht der europäische Subventionswettlauf munter weiter -- aktuell unter Öko-Vorzeichen bei der Entwicklung von Elektro-Autos. Nur hat der Opel-Chef Nick Reilly, ein Brite mit nicht belastbaren Kontakten zur deutschen Politik, einiges an Porzellan zerschlagen. Umso wichtiger, dass Hoff die Beziehungen repariert.

"Vom Verbindungsbüro Berlin steuert er die Opel-Lobbyisten in Brüssel, London, Budapest, Turin, Warschau und Madrid, insgesamt rund 15 Mitarbeiter", schreibt das Handelsblatt.

Ohne Staatsgelder und Bürgschaften könnte Opels Sanierung scheitern. Das ist aber, wohlgemerkt, nicht nur ein deutsches Thema. Opel spricht mit den Regierungen Großbritanniens, Spaniens, Polens und Österreichs.

"Opel wird zunehmend als Unternehmen wahrgenommen, das bettelnd durch Europa tingelt", meint die WirtschaftsWoche.

Dass Opel der Empfehlung eines Headhunters folgten und Hoff auf hoher Vorstandsebene anheuerten, liegt sicher weniger daran, dass Hoffs Opa 44 Jahre bei Opel war, wie der Hesse gern emotional einfließen lässt. Hoff weiß besser als viele Politiker, wie wichtig die europäische Dimension für multinationale Unternehmen geworden ist.

Seine Vorstellungen dazu lassen sich in einem Bericht über einen Vortrag im April zum Thema "Lobbyismus: berechtigte Einflussnahme oder Gefährdung unserer Grundprinzipien" in einem Autohaus (!) in Gießen auf Einladung des Wirtschaftsrats der CDU nachlesen.
"In Deutschland hat das Wort Lobby einen negativen Beigeschmack", stellte er fest. Für ihn ist diese Bewertung schon allein deshalb unverständlich, weil gerade die Autoindustrie der Wirtschaftsmotor des Landes sei, hänge doch jeder fünfte Arbeitsplatz direkt oder indirekt mit dieser Industrie zusammen. Sich für deren Belange einzusetzen, nutze also allen. Obwohl Greenpeace mit ihren oft spektakulären Aktionen nichts anderes tue, als klassischen Lobbyismus zu betreiben - nämlich Regierungen dazu zu bewegen, Gesetze in ihrem Sinne zu verabschieden - werde dies von den Menschen positiv bewertet, während der Einsatz für bestimmte Produkte oder Industrien mit Vorbehalten betrachtet werde.

(...) "Die Musik spielt längst in Brüssel, ohne dass dies so richtig wahrgenommen wird", stellte Hoff fest, der selbst die Erfahrung gemacht hat, dass rund 75 Prozent aller Entscheidungen des Bundesrates von EU-Vorgaben abhängt. In Berlin werde dagegen weiter der Eindruck vermittelt, als wären die dortigen Beschlüsse entscheidend.

Lobbyismus aber sei dringend notwendig, denn oft seien es die "Kleinteiligkeiten", die Brüsseler Entscheidungen problematisch machten. Da höre es sich eher harmlos an, wenn dort aus den "Luftstraßen" ein "normaler Verkehrsweg" gemacht werden sollte. Für letztere Bezeichnung aber griffen schärfere Bestimmungen der Lärmemission. Für Frankfurt hätte das zum Beispiel einen Kapazitätsverlust von 30 Prozent an Starts und Landungen bedeutet, eine Katastrophe für die Attraktivität des Flughafens und die Zahl der Beschäftigten. (...)

Wie der Fall "Apfelwein" belege, sei es sehr wichtig, dass Länder und auch Kommunen in Brüssel präsent seien. Da sei zum Beispiel in Villmar der Bau eines Radweges beschlossen worden, gegen den Naturschützer bis zur letzten Instanz in Deutschland geklagt und verloren hätten. Eine Beschwerde der EU aber habe dazu geführt, dass von Brüssel aus noch einmal in ein Prüfungsverfahren eingetreten wurde. Wieder vergehe viel Zeit. Das aber sei wirklich überflüssig.

(...) Eines aber ist für Hoff klar: Lobbyismus ist notwendig, um Entscheidungsträger über die tatsächlichen Auswirkungen von Gesetzen aufzuklären und natürlich um die Interessen einzelner Branchen, aber auch die von Ländern und Kommunen zu vertreten.

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