Dienstag, 30. August 2011

Was ist eigentlich ein... "White Paper"?

Immer häufiger taucht bei Verbänden, Unternehmen und Beratern der Begriff "White Paper" auf. Im politischen Kontext wird der Begriff bislang anders verwendet als im Unternehmens-Marketing – das sorgt für Verwirrung.

Interessanterweise hat die Wirtschaft hier offenbar einen Politik-Begriff übernommen, und nun kommt er aus dem Marketing zurück in die politische Welt -- in Interessenvertretung und strategischer Kommunikation. 

Weißbuch in der Regierungskommunikation
White Paper wurde im Deutschen bislang mit Weißbuch übersetzt. Wie alle sogenannten Bunt- oder Farbbücher sind konventionelle Weißbücher ursprünglich mit der Regierungskommunikation verbunden. Regierungen legen darin die politische Lage, Leitlinien und strategische Planung dar und legitimieren ihr Vorgehen.
  • Weißbücher sind vor allem im Bereich Außen- und Sicherheitspolitik bekannt (z.B. Weißbuch der Bundeswehr).
  • Die Europäische Kommission nutzt Grün- und Weißbücher, um konkrete Rechtsetzungsvorhaben vorzubereiten (von der Stakeholder-Konsultation bis zum Gesetz- oder Programmentwurf). 
  • White Papers werden von politischen Institutionen (Ministerien oder auch kommunale Behörden) zudem in Auftrag gegeben, um eine Zusammenfassung des wissenschaftlichen Sachstands zu bündeln oder um Vorschläge zur Weiterentwicklung eines Politikfelds zusammenzutragen und eine Diskussion anzustoßen. 
White Paper im Marketing
Inzwischen verbreitet sich der Begriff White Paper auch im kommerziellen Marketing und Vertrieb vorrangig in Technologiebranchen. Hier sind Informationsmedien für Entscheider über Investitionsgüter gemeint, die als „Vorverkaufsinstrument“ dienen. Ihr Stil setzt sich von der Werbung ab.

Im Beratungsmarketing von Consultants ihr Expertise in einem wichtigen Fachgebiet nach. Berufsverbände veröffentlichen White Papers, um Bedeutung und Entwicklungslinien eines (neuen) Tätigkeitsfelds zu dokumentieren.

Wirtschaftsverbände nutzen das Format z.B. für einen Branchenüberblick.
  • Beispiel: Der Deutsche Industrieverband für Fitness und Gesundheit (DIFG) informiert in seinem White Paper über die Fitnessbranche. "Zunächst nur publik in der Branche selbst, wird das White Paper des DIFG mittlerweile von vielen Institutionen und Firmen angefragt, die sich einen Einblick in den derzeitigen Entwicklungsstand und in die Aussichten der Branche verschaffen wollen", schreibt der DIFG. Er will es als "interessantes Nachschlagewerk" verstanden wissenn, "nicht nur für Journalisten, Investoren oder Banken, sondern ganz speziell auch für diejenigen, die sich über den Wandel der Brache hin zu einem effektiven Akteur im deutschen Gesundheitssystem informieren möchten."
Educational Marketing, informatives Marketing, One-to-One Marketing sind die Schlagworte, die gern verwendet werden. In einem Einführungsvideo erläutert der Vogel-Verlag, dass White Papers im Sinne eines "Werbeformats ohne Werbung" zu verstehen sind. Sie erreichten keine Zielgruppe, sondern Zielpersonen: Sie seien nicht für größere Gruppen gedacht, sondern für einzelne Entscheider (darum One-to-One). White Papers können etwa  für Fallstudien, Marktstudien, technische Studien, für Forschungs- und Umfrageergebnisse, für die Beschreibung von Einsatzmöglichkeiten, als Schulungsmaterial oder Leitäden sowie Strategieanalyse Verwendung finden.

Im Internet finden sich zahlreiche Foren, Blogs und Ratgeber, wie man White Papers gestaltet. Zudem hat sich eine Nischenindustrie in der Kommunikationsberatung gebildet, die das Format professionell weiterentwickelt. Genau genommen, handelt es sich nur um eine Spielart von Fachinformationen im Broschürengewand -- die Experten betonen aber, es sei etwas Eigenes.

Video: Allgemeine Whitepaper-Tipps (Wolfram A. Zabel)

Bisweilen wird der Begriff White Paper auch mit dem Konzept eines Hintergrundpapiers (Backgrounder) oder eines Positionspapiers vermengt, etwa in dieser Präsentation:


Anspruch auf Politikberatung: White Paper in der Interessenvertretung
In der Interessenvertretung gibt es typische Textformate: Briefe, Stellungnahmen, Positionspapiere sowie Dossiers, die Zahlen, Daten und Fakten übersichtlich darstellen sollen. Anstelle eines Dossiers kann eine Dokumentensammlung zu einem Einzelthema auch als White Paper publiziert werden.

In der Interessenvertretung spielen Weißbücher (mit größerem Umfang) und White Papers (10-30 Seiten) eine Rolle. Sie haben einerseits den Anstrich einer Expertise und andererseits einen strategischen Grundduktus, da sie auf Zukunftsperspektiven, Trends und theoretische Konzepte fokussieren sowie Best-Practice-Fallbeispiele als Beleg für bessere Handlungsoptionen aufzeigen.

Im Kontext der Interessenvertretung unterstreichen sie die Funktion des Lobbyings als Politikberatung. Sie sollen den Anspruch auf Ideen- und Meinungsführerschaft („Thought Leadership“) begründen, Vorteile einer bestimmten Problemlösung oder Antwort auf eine politische Herausforderung ausführen und schließlich ein positives Image verstärken.

White Papers sind normalerweise als Veröffentlichung in einer Reihe gedacht und zielen auf einen Wiedererkennungseffekt.
„Ein White Paper ist ein Dokument, das ein spezifisches Thema aus Expertensicht sachkundig und neutral beschreibt – als technische Erklärung, wissenschaftliche Hintergrundbeschreibung, Fallstudie, Anwenderbeispiel oder Analyse. Es soll informieren, überzeugen und begeistern“, heißt es in einem White Paper über White Papers (Rispens, 2009, S. 5)

Unterschiedliche Typen werden von Rispens definiert. Einer davon sind Strategische White Papers. Diese
„dienen dem Zwecke, neue Technologien, Prozesse oder Forschungsrichtungen Entscheidungsträgern so zu präsentieren, dass diese über deren Vor- und Nachteile informiert sind. Dem Leser wird ein abgewogener, strategischer Entschluss auf Basis der dargebotenen Informationen ermöglicht. Bei Themen mit gesellschaftlicher Relevanz können sich solche White Papers auch an Politiker, Interessenverbände oder die interessierte Öffentlichkeit richten“ (S. 7).
Elemente und Publikation eines White Paper
Die je nach thematischer Eingrenzung meist 10 bis 30 Seiten langen White Papers zeichnen sich durch hochwertige Texte und – wichtig – aufwändige Infografiken aus, die Expertenwissen allgemein verständlich und mit hohem Nutzwert verfügbar machen.
  • Fachsprache wird vermieden;
  • der redaktionelle Stil und die Aufmachung (viele Bilder, viel Weißraum) erinnern an ein seriöses Magazin; 
  • die Infografiken richten sich vor allem an schnelle Leser und setzen auf eine mit Symbolik und Ästhetik verbundene Überblicksfunktion. 
Die Produktion eines solchen White Papers setzt daher die Zusammenarbeit mit der PR-Abteilung, Grafikern oder einer Kommunikationsagentur voraus.

Sinnvoll ist der Aufwand vor allem dann, wenn der Informationsbedarf der Zielgruppe sehr hoch, die Thematik neu und komplex ist, etwa im Bereich von Technologien.

White Papers werden vorrangig online als PDF zur Verfügung gestellt.
  • Vom Konzept her geht ein White Paper davon aus, das interessierte Kreise aktiv und gezielt nach seriösen, hochwertigen Informationen im Web suchen, die sie herunterladen wollen. 
  • Daher werden White Papers sorgfältig für Suchmaschinen optimiert und auf Informationsportalen platziert
  • Gute White Papers, so die Überlegung, werden besonders häufig weitergeleitet und verbreiten sich im Netzwerk der Leser viral.
Quelle:
Rispens, S. I. (2009). Wissen erfolgreich nutzen. Ein White Paper über White Papers. KnowledgeAtWork

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