Dienstag, 9. August 2011

Österreich: Das strengste Lobbyregister der Welt -- mit einigen Macken

Die Schweiz hadert mit der Modernisierung ihrer Verhaltensregeln für Abgeordnete und Lobbyisten. Da sich beim Lobbyregister in Deutschland derzeit nichts tut (trotz der Vorstöße im Bundestag im Frühjahr), blicken die Schweizer umso gespannter nach Österreich. Denn der Nachbar wagt Radikales. In Andreas Hugis PA-Blog Wandelhalle.ch erklärt der Wiener Politikberater Feri Thierry den Eidgenossen im Beitrag "Österreichs neues Lobbyinggesetz: Manche sind gleicher…", was am neuen Regelwerk gelungen und was unausgegoren ist.
Hintergrund
Die Sunday Times-Affäre um den österreichischen EP-Abgeordneten Ernst Strasser (Volkspartei) im Frühjahr 2011 nebst Rücktritt war der Auslöser für eine Gesetzesnovelle. Diese kommt im Herbst ins Wiener Parlament. Das Lobbying- und Interessenvertretungs-Transparenz-Gesetz (LobbyG) sieht ein Pflichtregister für Interessenvertreter vor (Entwurf des Justizministeriums mit Erläuterungen). Die Registrierung soll kostenpflichtig sein (450€).
Wer lobbyiert, ohne eingetragen zu sein, riskiert eine Geldstrafe von €30.000; wer wegen Verstößen gestrichen wurde, sogar €60.000. Für viel Streit sorgte die geplante Einbeziehung der öffentlich-rechlichen Kammern (Selbstverwaltungskörperschaften wie die Wirtschafts- und Arbeiterkammer) und der Rechtsanwälte, wie der Kurier berichtete; aus dem ersten Entwurf wurde bereits eine strenge Karenzzeit (Cooling-off) für ausscheidende Mandatsträger und die Einbeziehung der öffentlichen Auftragsvergabe gestrichen. Der Gesetzentwurf orientiert sich an ausländischen Vorbildern und OECD-Empfehlungen. Ein besonderer Dokus liegt auf "Interessenvertretungsunternehmen" (IVU), also Dienstleistern für Dritte. Der Gesetzentwurf teilt die Lobby in vier Gruppen auf, die teilweise unterschiedlich behandelt werden sollen. Zum Entwurf erhielt das Justizministerium 85 Stellungnahmen.

"Wenn es so auch tatsächlich beschlossen wird, dann wäre es die strengste Regulierung für Lobbying weltweit", stellt Thierry fest. Aber:
Der Entwurf des Justizministeriums für dieses IVR [Interessenvertreter-Registers] bleibt indes auf halbem Weg stehen: Umfasst sind zwar alle Organisationen und Personen, die Interessen vertreten – also Unternehmen gleichermaßen wie Verbände, Kammern, Lobbyingagenturen und NGOs – allerdings gibt es in der Frage der Offenlegung von Informationen dann doch welche, die gleicher sind. Denn nach dem aktuellen Entwurf müssen nur Lobbyingagenturen angeben, in welchen Themen sie tätig werden, alle anderen vorher genannten müssen das nicht tun. Dieser Teil des IVR soll zwar nicht allen Menschen zugänglich sein, die Regelungen für die Einsichtnahme lassen aber breiten Missbrauch befürchten – und damit wären diese Informationen ohnehin wieder öffentlich.
Überdies soll es laut Entwurf des Justizministerium “Funktionsträgern”, also vereinfacht gesagt Politikern und Beamten, nicht erlaubt sein, während ihrer Tätigkeit als gewerbliche Interessenvertreter tätig zu sein. Für Unternehmen, Verbände, Kammern und NGOs dürfen sie aber sehr wohl lobbyieren und gleichzeitig ihre Funktion ausüben. Warum diese Unterscheidung? Wenn es problematisch erscheint, dass ein Abgeordneter oder eine Beamtin gleichzeitig in einer Lobbyingagentur beschäftigt ist, warum ist es dann in Ordnung, wenn die gleiche Person Chef-Lobbyist eines Telekom-Unternehmens oder Lobbyistin eines Pharma-Verbandes ist?
Thierry bemängelt zudem, dass die Registerpflicht keine positiven Anreize setzt, etwa durch die Verbindung mit einem Recht, einen permanent gültigen Hausbesucherausweis zu erhalten:
Nicht zuletzt wäre aus meiner Sicht neben den Geldstrafen und der Streichungs-Androhung auch ein positives Element im IVR essenziell: Mit der Eintragung ins Register sollte auch die Ausstellung von Zugangsberechtigung zu Parlament und Ministerien sowie die gezielte Berücksichtigung bei Begutachtungsprozessen von Gesetzen verbunden sein. Das würde nicht nur das Register attraktiver machen, sondern auch einen weiteren Beitrag zur Transparenz der Tätigkeit von Interessenvertretern leisten.

Thierry meint, das Register könne "einen wertvollen demokratiepolitischen Beitrag leisten und für mehr Sensibilität in einer politisch bedeutsamen Branche sorgen." Eine Gleichbehandlung aller Interessenvertreter sei allerdings essentiell, um Transparenz zu sichern. Das Register sei jedoch "mit Sicherheit keine Antwort auf Problemfälle politischer Korruption". Notwendig seien dafür weitere Maßnahmen, etwa zur Regelung von Nebentätigkeiten politischer Mandatsträger und der Reform der Parteienfinanzierung.

Feri Thierry wird auch in einem TV-Bericht des ORF-Magazins €CO interviewt (Hinweis: Der Bericht vom Juni 2011 ist bezüglich des Entwurfs nicht mehr ganz aktuell):

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