Freitag, 29. Juli 2011

Kanalarbeiter


Vor kurzem gewann der türkische Premier Erdogan die Wiederwahl mit einem Milliarden-Euro-Versprechen: einen Kanal zur Entlastung des Bosporus zu bauen. Der Istanbul-Kanal soll die Leistungen des Panama- und des Suez-Kanals überstrahlen. Da sitzt der Stachel noch tief im Fleisch... der Bau des Suez-Kanals war für das Osmanische Reich seinerzeit ein äußerst problematisches Projekt.

Meine historische Kolumne im Sommerheft von Politik und Kommunikation widmet sich der Thematik:

Die Kanalarbeiter der Compagnie von Suez. Die Geschichte des Suezkanals ist ein Lehrstück über das Verhältnis von Unternehmen und Staaten, internationale Lobbyarbeit, PR-Kampagnen, Skandale und Public Diplomacy. Politik und Kommunikation (2011, Juli/August), 38-39.

Siemens war schon immer gut im Lobbying - auch vor 160 Jahren

Meine historische Kolumne im Fachmagazin Politik und Kommunikation beschäftigte sich im April-Heft mit der Einführung des elektromagnetischen Telegrafen im 19. Jahrhundert. Ein Schaustück über Staatsaufträge, Subventionen für neue Technologie, Regulierung und Regierungskommunikation -- und woher Weltunternehmen wie Siemens und Reuters kamen.

Folge dem Kabel! Die Telegrafie war das "Viktorianische Internet": Sie steigerte ab 1850 rasant das Tempo der politischen Kommunikation. Politik und Kommunikation (2011, April), 50-51.

Wahnwitz Luftfracht II: Love Parade über den Wolken

Es ist ja immer so: Ein haarsträubendes Ereignis führt zu großer Empörung, Hektik und großen Versprechen, ganz schnell eine Problemlösung herbeizuführen. Und dann passiert: gar nichts. Die Sache rutscht von der öffentlichen Agenda, und die Lösungen werden in Expertenzirkeln auf eine Endlosschleife geschickt. So auch beim Thema Luftfracht-Risiko.

Am 18. November 2010 nahm sich dieses Blog des Themas "Wahnwitz Luftfracht: Agenda-Cutting, Politik- und Lobbyversagen" an. 

"Seit der Paketbombe ist nichts besser geworden", stellt der Chef der DPolG, Wendt, nun im Interview mit der Welt fest. Er kritisiert "Zuständigkeitswirrwarr und die organisierte Verantwortungslosigkeit" sowie ein Einknicken vor der Luftfracht-Lobby und den Weiterbestand "skandalöser Sicherheitslücken".

Das Interview beleuchtet sehr schön das Gezerre zwischen den Ressorts und Institutionen, das Gerangel um Geld, Personal und Zuständigkeiten. Ein Problem, das Medien und Öffentlichkeit längst nicht mehr wahrnehmen, obwohl jeder, der jetzt in den Urlaub fliegt, sich einer erheblichen Gefahr aussetzt.

"Die Regierung hatte nur Glück, dass bisher keine Bombe unter einer Passagierkabine explodiert ist. Das kann aber jederzeit passieren", sagt Wendt. "In einem solchen Fall werden sich die Politiker wie nach der Massenpanik bei der Loveparade in Duisburg gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben. Ich warne vor einer solchen Loveparade über den Wolken."

Auszug aus dem Interview:
DIE WELT: Woran liegt die Untätigkeit?

Rainer Wendt: Die Regierung muss das Zuständigkeitswirrwarr und die organisierte Verantwortungslosigkeit beenden. Für die Bundespolizei ist das Bundesinnenministerium zuständig, für den Zoll das Finanzministerium, für das Luftfahrtbundesamt das Verkehrsministerium und für Frachtunternehmen das Wirtschaftsministerium. Seit neun Monaten können sich diese Beteiligten nicht darauf einigen, wie die Sicherheit verbessert werden soll. Insbesondere wollen weder das Verkehrs- noch das Finanzministerium Kompetenzen und Personal abgeben.

DIE WELT: Bisher ist der Zoll für die Fracht zuständig, 700 Bundespolizisten und 6300 private Sicherheitskräfte für die Passagiere. Macht das noch Sinn?

Rainer Wendt: Diese Aufteilung ist völlig antiquiert. Die Bundespolizei muss künftig auch die Fracht kontrollieren. Genau dies hatte der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière angekündigt. Und das muss sein Nachfolger Hans-Peter Friedrich jetzt umsetzen. Er kann schlecht Forderungen an die EU stellen, solange die Regierung selbst keine sichere Lieferkette bei der Fracht gewährleistet.

DIE WELT: Für die Frachtkontrollen hatte die Regierung die Anschaffung neuer Technik und 450 neue Stellen beim Luftfahrtbundesamt angekündigt. Was wurde umgesetzt?

Rainer Wendt: Zunächst wurde angekündigt, 450 Stellen neu zu schaffen. Dann erklärte das Finanzministerium, dafür fehle das Geld. Später stritten sich das Verkehrs- und das Innenministerium lange darüber, wer denn nun diese Stellen bekommt. Anfang Juli gab der Haushaltsausschuss im Bundestag 247 Stellen frei, davon 177 für die Bundespolizei, 66 für das Luftfahrtbundesamt und vier für das Verkehrsministerium. Die Haushälter forderten die Regierung zugleich auf, bis Ende Oktober darzulegen, wie sie die Kooperation der Behörden bei der Luftfrachtkontrolle verknüpfen und die Organisation effizienter gestalten will.

DIE WELT: Was läuft noch falsch?

Rainer Wendt: Allein, dass es bei der Luftfracht bis heute keinen Datenaustausch zwischen Zoll und Bundespolizei gibt, ist ein Versäumnis und stellt eine skandalöse Sicherheitslücke dar. Auf dem Flughafen Köln-Bonn wurde eine Paketbombe aus dem Jemen drei Stunden zwischengelagert. Als der Zoll den Frachtbrief bekam, war sie längst auf dem Weg nach Großbritannien. Die Fracht im Transitverkehr wird bisher lediglich bei konkreten Hinweisen kontrolliert. Hier müssen wesentlich mehr Stichproben genommen werden.

DIE WELT: Mehr Sicherheit kostet Geld. Ist eine Luftfrachtsicherheitsgebühr nötig?

Rainer Wendt: Die Regierung muss eine bundeseinheitliche Gebühr einführen, die sich nach dem jeweiligen Frachtaufkommen richten sollte. Entsprechende Überlegungen gab es auch im Innenministerium. Doch die starke Lobby der Cargo-Unternehmen wehrt sich dagegen erfolgreich. Sie nimmt es in ihrer Kosten-Nutzen-Analyse letztendlich in Kauf, dass ein Flugzeug explodiert. Das ist ein eiskaltes, ja zynisches Kalkül zulasten der Sicherheit der Menschen. Ich finde es inakzeptabel, dass Flugpassagiere eine Sicherheitsgebühr zahlen müssen, die Firmen für ihre Fracht aber nicht. Hier muss sich Innenminister Friedrich gegen die Lobby durchsetzen.

Leider hat Wendt überwiegend Recht, wenn auch nicht in allen Punkten. Die "starke Lobby der Cargo-Unternehmen" ist in Wirklichkeit sehr fragmentiert und hat sehr unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse. An den großen Frachtfluggesellschaften liegt die Blockade nicht unbedingt. Die vielen Tausend mittelständischen Logistikfirmen sind das größere Einfallstor für Terroristen, sie sind es, die Sicherheitsprobleme haben und stärker kontrolliert werden müssen; sie sind es, die nicht auf den Kosten sitzenbleiben wollen -- die anderen Beteiligten aber auch nicht. Einschließlich der Frachtkunden natürlich (und das sind ziemlich viele). Die Branche ist sich genauso wenig einig wie die Bundesressorts.

Und was die Sicherheitsgebühren angeht: Klingt nach einer einfachen Lösung, ist aber keine. Sie würde voraussetzen, dass es eine rechtsverbindliche Kontrollpflicht für die Fracht gibt. Die gibt es aber eben nicht. Darum fliegt der Großteil der Fracht ja eben unkontrolliert im Bauch der Passagierflugzeuge durch die Welt. Solange der Gesetzgeber keine Kontrollen vorschreibt, kann er auch von niemandem verlangen, dass er dafür bezahlt.

Zum Hintergrund:
Blogbeitrag vom 18. November 2010, "Wahnwitz Luftfracht: Agenda-Cutting, Politik- und Lobbyversagen"