Mittwoch, 24. November 2010

"Bildungsmafia" am Werk? Berlin: Privathochschule zu, Wirbel um Subventionsbetrug

And another one bites the dust: Erneut stürzt eine private Hochschule in der Region Berlin-Brandenburg über die Klippe. Mit sofortiger Wirkung hat Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) der "Edu.Con Hochschule" die staatliche Anerkennung aberkannt. Erst im Sommer hatte die Hochschule ihre Türen geöffnet.

Drei Bachelor-Studiengänge für Veranstaltungs- und Lichttechnik-Designer standen auf dem Plan. 12 Studenten hatte die Hochschule, die aber beschwerten sich schon während des ersten Semesters ständig bei der Behörde -- und diese fand weder eine funktionierende Leitung noch Prüfungs- und Studienordnungen noch ausreichend Personal und Infrastruktur für die Lehre vor. Einen "klaren Schnitt machen" sei nötig gewesen, befand Zöllner in seiner Pressemitteilung.

Kurioserweise war die Senatsverwaltung offenbar nicht mal in der Lage, den amtlichen Bescheid zuzustellen -- die Verantwortlichen sind verschwunden. Die Behörde stellte den Bescheid vom 26. Oktober daher am 19. November "öffentlich" zu. Bekannt wurde das erst heute.

Die Signale nehmen zu, dass die Hochschulaufsicht bei den Privaten genauer hinsieht und härter durchgreift. Ein Weckruf für die Träger vieler Kleinhochschulen. Denn seit Längerem wird bemängelt, dass Berlin zu lax bei der Lizenzvergabe für private Träger ist und halbgare Bildungsangebote toleriert, um sich als boomende Hochschulhauptstadt zu präsentieren. Zöllner sieht sich offenbar herausgefordert.

Zuletzt hatte sich die "Internationale Hochschule für Exekutives Management" (IHB) selbst vom Markt genommen, offenbar auch wegen Schwierigkeiten mit der Aufsicht; die Akkon-Hochschule kriselt ebenfalls. Der niederländischen Stenden University Berlin kam 2009 die Anerkennung abhanden, noch bevor sie den Lehrbetrieb aufgenommen hatte.

In Brandenburg machte vor einem Jahr die inzwischen insolvente University of Management and Communication (UMC) Schlagzeilen, als ihr erst der Wissenschaftsrat und dann das Wissenschaftsministerium die Existenzgrundlage entzogen.

Während Brandenburg bisher nur wenigen Privaten eine Genehmigung erteilt hat, tummeln sich in Berlin bereits viele: "Berlin ist ein attraktiver Standort für private Hochschulen, da hier ein reichhaltiges wissenschaftliches Umfeld besteht. Hochschulen in privater Trägerschaft sind in Berlin weiterhin herzlich willkommen, denn sie bilden eine wertvolle Ergänzung zum staatlichen Bildungsangebot", heißt es auf der offiziellen Internetseite Berlin.de.

  • Aufgelistet sind dort zurzeit die Akkon-Hochschule, bbw Hochschule, Berliner Technische Kunsthochschule (btk), BEST-Sabel-Hochschule Berlin, DEKRA Hochschule Berlin, Design-Akademie Berlin, Deutsche Universität für Weiterbildung (DUW), EBC Hochschule, ESCP Europe, European School of Management and Technology (ESMT), Hertie School of Governance, Hochschule der populären Künste (FH), H:G Hochschule für Gesundheit und Sport, Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW), IB - Hochschule Berlin, International Psychoanalytic University Berlin, Mediadesign - Hochschule für Design und Informatik, Psychologische Hochschule Berlin (PHB), Quadriga Hochschule Berlin, SRH Hochschule, Steinbeis-Hochschule Berlin und Touro College Berlin.

22 Berlin Privathochschulen also, meist klein und spezialisiert, jung und nicht immer auf starken Standbeinen.

Die Edu.Con ist allerdings ein besonderer Fall. Spiegel Online spricht von einer "dubiosen Bildungsfirma", die eine "Phantom-Hochschule" betrieben habe. Die Verantwortlichen seien "offenbar abgetaucht". Die Website www.educon-university.de ist kommentarlos abgeschaltet worden.

Die "Edu.Con University of Applied Science" gehört zur Edu.Con AG, einem bundesweit tätigen Bildungsdienstleistungsunternehmen, das 1990 gegründet wurde Die AG gibt es seit 2007, Hauptsitz zunächst in Potsdam, dann Berlin. Die verschiedenen Bildungsfirmen der AG sorgten zuletzt für reichlich Wirbel:

In Brandenburg betrieb Edu.Con drei Berufsfachschulen (Edu.Con Privatschulcampus: Ausbildung von Tourismusassistenten in Potsdam und Cottbus, Akzent Berufsfachschule Wirtschaft in Potsdam), verlor dafür aber die staatliche Anerkennung. Hintergrund: Bei Berufsfachschulen zahlt das Bundesland Subventionen für jeden gemeldeten Schüler, das lädt zur Manipulation der Schülerzahlen und damit zum Subventionsbetrug ein. Das Land stellte fest, dass Edu.Con zu hohe Schülerzahlen gemeldet und damit jeden Monate einige Zehntausend Euro zu viel kassiert hatte.

Das Bildungsministerium erklärte, seine Ermittlungen hätten ergeben, 625 Schüler seien gemeldet gewesen, tatsächlich habe man nur 258 Verträge vorgefunden. "Durch die falschen Angaben sind unrechtmäßig Zuschüsse erschlichen worden", die "Zuverlässigkeit des Trägers" sei nicht mehr gegeben. Das Ministerium spricht von einem Millionenschaden. Strafanzeige bei der für Wirtschaftskriminalität zuständigen Staatsanwaltschaft Potsdam wegen Betrugs. Educon klagte gegen den Entzug der Lizenz, verlor aber vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Der Anwalt der Edu.Con-Gruppe hatte auch in den Medien eine Vorwärtsverteidigung versucht, attackierte das Ministerium, sprach von "rechtstaatlich unerhörtem Vorgehen", von "oberflächlichem und fehlerhaften Verhalten", von "Skandal". Ursache für das Vorgehen des Ministeriums seien die "haushaltspolitischen Probleme des Landes Brandenburg".

In Brandenburg ist Edu.Con längst ein Thema für den Landtag - wegen Verflechtungen mit der Politik. Die Aufsicht über das Edu.Con-Imperium führt Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD), der ist aber auch Präsident des Sportvereins VfL Potsdam, dessen Handballer mit von Edu.Con gesponserten Trikots aufliefen liefen. Kein Wunder, dass die Opposition nach dem Fall des zurückgetretenen Innenministers Rainer Speer (SPD) auch hier scharf nachfragt.

Ähnliches Phänomen in NRW:
Auch in Bochum beklagten Schüler einer Edu.Con-Tochterfirma Unterrichtsausfälle und massive Mängel in den Lehrplänen, IHK-Prüfer weigerten sich, die Edu.Con-Absolventen zur Prüfung zuzulassen, Arbeitsagenturen verwehren die Förderung, die Schule löst sich langsam auf, Dozenten wurden seit Sommer nicht mehr bezahlt -- das WAZ-Onlinemagazin Der Westen spricht von einer "Bildungsmafia".Ein harter Vorwurf. Der Westen begründet das mit seinen Recherchen über ein "kompliziertes Geflecht aus Firmen", geführt von Carina Appelt, "eine Frau mit Vorgeschichte". Zu DDR-Zeiten Weiterbildungsleiterin der „Kammer der Technik“, gründete sie im Nachwendeboom die Edu.Con, die für Tausende Schüler alsbald Millionensummen an Fördergeldern einstrich und damit expandieren konnte. Das Magazin sieht darin ein Muster.

Nachtrag (29.11.):
Der Tagesspiegel hat gehört, dass ein britischer Investmentfonds Edu.Con erworben hat.

7 Kommentare:

  1. Erfeulich viele Details mitgeteilt. Nur ein paar kleinere Korrekturen / Ergänzungen:
    - die angebotenen Studiengänge waren "Lighting-Design" und "Set-Design"
    - das SS startete mit 8 Studierenden, von denen zwei zwischen Mitte August und September kündigten
    - zum WS ab 1.10. wurden dann noch 6 neue Studierende immatrikuliert, so dass insgesamt 12 Studierende gemeinsam "unterrichtet" wurden
    - Geschäftsführer der Edu.con Hochschule Berlin war zunächst Dr. Klaus Barusch, der zum 21.10.2010 durch Dr. Michael Heinrich abgelöst wurde

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  2. Noch eine Ergänzung:
    der Geschäftsführer (Inhaber?) der Firma ,die die Web Seite der Edu.con Hochschule erstellte, war niemand anders als Herr Dr. Michael Heinrich.
    Was für Verflechtungen?

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  3. ...und wo ist Carina Appelt abgeblieben????

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  4. Michael Heinrich, Frau Appelt, Dr. KKlaus Barusch.
    eventl auch Herr Klaus Hoben.
    Tatsächlich sind die erstgennanten im Zusammenhang zu sehen.
    Bin gespannt, ob es überhaupt einen Prozess gegen die gennanten gibt..
    Würde mich nicht wundern, wenn das ganze politisch "gedeckelt wird"...

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  5. Wohin sind überhaupt alle abgeblieben? Bisher scheint niemand ausfindig gemacht worden zu sein.
    Der Senat kümmert sich einen Sch----dreck um die Studenten, lässt im Oktober noch Studenten immatrikulieren, trotz nicht erfüllter Auflagen und lässt die dann im Regen stehen.
    Für die Studenten: Geld und Zeit weg- ein Haufen Kohle für die Studenten alles nur peanuts für den Senat? Hauptsache der Senat kommt heil da raus?

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  6. keine Sorge, die sind ALLE in England und betreiben weiterhin sehr verdaechtige Geschaefte

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  7. Wie PNN berichtet, ist Frau Carina Henze in England mit über 30 Millionen in die Privatinsolvenz gegangen. Another one bites the dust...

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