Montag, 22. August 2011

Vom Verbands-Trainee bis zum HGF: Personalentwicklung bei Verbänden

Eigentlich ist es erstaunlich: Die deutsche Verbändewelt entstand vor 150 Jahren, der Einfluss der Verbände ist groß, die Breite der organisierten Interessen erstaunlich. Aber eine systematische Ausbildung für Fach- und Führungskräfte der Verbände ist nach wie vor äußerst selten.
    • Was ein Traineeprogramm ist (und was es, trotz des inflationären Gebrauchs für allerlei Praktikantenpositionen, nicht sein sollte):  Karrierebibel
    BDA-Trainees bloggen: Einblicke in die Arbeitgeberverbände
    Das BDA-Programm hat schon Jahrzehnte hinter sich: 400 Teilnehmer haben das jeweils 24 Monate dauernde GFN-Programm durchlaufen, das der Verband als „Mentorenprogramm zur Sicherstellung des Nachwuchses in den Geschäftsführungen von Arbeitgeberverbänden“ verstanden wissen will. Die Trainees arbeiten nur zum Teil in der Berliner Zentrale, sondern auch in den Ländern oder Brüssel.

    Die BDA hat seit 2009 Teilnehmer bloggen lassen: Zurzeit schreibt der Jurist Vehid Alemic, der gerade eine Station bei Nordmetall in Hamburg durchläuft. 2009-10 bloggte GFN-Trainee Katharina Ludewig, ebenfalls Juristin; sie ist inzwischen als Referentin Arbeitsrecht bei der BDA übernommen worden.
    Bei den regionalen Stationen beraten die Trainees Unternehmen -- ein Jurist berät z.B. im Arbeitsrecht, begleitet Tarifverhandlungen und nimmt auch an Gerichtsterminen teil. Bei den Bundes- und Landesverbänden ist die Arbeit politischer: Hier geht es um Reden, Veranstaltungen, Lobbygespräche, Gesetzentwürfe, Eingaben und Stellungnahmen, Mitgliederversammlungen, Personalleiterrunden. Regelmäßig nehmen die Trainees auch an Seminaren teil. Bemerkenswert ist z.B. der Bericht Ludewigs über ein mehrtägiges Tarifplanspiel, bei der die Nachwuchskräfte eine Tarifverhandlung simulierten – natürlich bis tief in die Nacht und mit hoher Emotionalität. Auch in der Rolle der Gewerkschafter schenkten sich die Verbandsjunioren nichts.
    Das GFN-Programm richtet sich an Absolventen der Rechtswissenschaften, aber auch der Volks- und Politikwissenschaft, „die exaktes wissenschaftliches Arbeiten mit politischem Gestaltungswillen verbinden“. Allerdings: 80-90 Prozent der Teilnehmer sind Juristen, denn Unternehmen wendeten sich vorrangig mit juristischen Fragestellungen an ihren Arbeitgeberverband, heißt es in einem GFN-Profil beim Studentenmagazin Audimax. Deshalb seien Einsatz- und Übernahmemöglichkeiten für Juristen wesentlich höher als für Absolventen anderer Studien¬richtungen. Eine Bewerbung anderer sei aber nicht ausgeschlossen, die Gestaltung der GFN-Stationen weise aber „einen weniger breit gefächerten Zuschnitt auf“. Eine Übernahmegarantie gibt es nicht, die BDA sagt aber, 90 Prozent der Teilnehmer hätten eine Anschlussbeschäftigung gefunden. Viele beendeten das Programm sogar vorzeitig, weil sie ein Übernahmeangebot erhielten. In den Verbänden verblieben 75 Prozent, das andere Viertel nahm den Weg zu Kanzleien, Unternehmen, Ministerien und sonstigen Arbeitgebern.

    Die BDA verspricht Flexibilität und die individuelle Betreuung, die Einsatzplanung verlaufe unter Berücksichtigung der individuellen Vorkenntnisse. Damit gleiche kein Durchlauf dem anderen.

    Trainees bei den Gewerkschaften
    Interessanterweise haben sich einige Gewerkschaften das Trainee-Konzept angeeignet. So haben die IG Metall (12 Monate) und IG BCE (18 Monate) sowie NGG (12 Monate, dazu: Audio-Feature) ein Traineeprogramm mit mehreren Stationen aufgelegt, für das sich auch Hochschulabsolventen bewerben können, die noch nie etwas mit einer Arbeitnehmervertretung zu tun hatten (auch wenn das die Ausnahme ist).

    Der Hintergrund: Gewerkschaftssekretäre oder Politische Sekretäre werden heute nicht mehr nur aus dem Ehrenamt rekrutiert – immer häufiger sind es Studierte, keine klassischen Arbeiterführer oder altgediente Betriebsräte, die mit einem Funktionärsposten „versorgt“ werden müssen. Die Gewerkschaften setzen mehr auf systematische Personalentwicklung und Verjüngung, um das Überalterungsproblem ihrer Mitgliedschaft zu bekämpfen. Die alte „Ochsentour“ ist daher keine Bedingung mehr, um auf höhere Positionen zu kommen. Schließlich benötigen Gewerkschaften für ihre Vorstandsstäbe, Verwaltung und Bezirksleitungen akademische Experten, vor allem Sozialwissenschaftler, Volkswirte und Juristen.

    Dass Gewerkschaften heute extern rekrutieren, hat auch etwas damit zu tun, dass sie Probleme haben, genug „Interne“ für die Laufbahn des Gewerkschaftssekretärs zu begeistern. Zudem ist ein solcher Posten ist „nicht die beste Visitenkarte für eine spätere Karriere in der Wirtschaft“, Jobhopper und Karrieristen seien fehl am Platz: Wer das Ticket löst, trifft meist eine „Lebensentscheidung“ – einmal Gewerkschaft, immer Gewerkschaft, die Fluktuation ist gering (Molitor, 2009).

    Personalbedarf und Mitarbeiterprofile der Verbände
    Der Verbändesektor ist ein Berufsfeld eigener Art, das durch seine Größe und Vielfalt überrascht. Und er wächst: 200 neue Verbände gründeten sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten, wie die Deutsche Gesellschaft für Verbandsmanagement (DGVM) zählte. Sie fand 2009 rund 14.300 Verbände (dabei zählt sie Kammern, Innungen und andere Körperschaften des öffentlichen Rechts mit). Etwa 8.700 Verbände verfügten danach über eine hauptamtliche Geschäftsführung (Geschäftsbericht 2009, S. 4-6).

    Spitzenverbände mit über 100 spezialisierten Mitarbeitern sind die absolute Ausnahme. Typisch  sind eher kleine Geschäftsstellen mit wenigen hauptamtlichen Mitarbeitern. Bei der Hälfte der deutschen Verbände liegt die Mitarbeiterzahl kaum über fünf, nur 15 Prozent der Verbände beschäftigen mehr als 20 Mitarbeiter (Busch, 2006, S. 8).

    Verbände sind Interessenvertretungen gegenüber Politik und Gesellschaft, aber auf Lobbyarbeit und politische Kommunikation darf man sie nicht reduzieren (es sei denn, das Konzept eines Verbandes will es so). Sie organisieren z.B. den Fachaustausch zwischen ihren Mitgliedern, betreiben Marketing, verlegen hochspezialisierte Fachblätter, bieten Tagungen, Messen und Weiterbildung oder erfüllen sonstige Serviceaufgaben, teilweise mit ausgelagerten GmbHs.

    Was  oft nicht verstanden wird: Verbände suchen vielfach Personal, das mit Politik und Public Affairs wenig zu tun hat. Beispiele: Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften haben zahlreiche Mitarbeiter für Tarifverhandlungen, Arbeitsrecht und betriebliche Fragen. Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) beschäftigt Techniker, Naturwissenschaftler und Kenner der Forschungsförderung. Der Diakonie Bundesverband ist ein wichtiger Akteur in der Sozialpolitik, erfüllt aber auch betriebswirtschaftliche und fachliche Dienstleistungsaufgaben für die angeschlossenen evangelischen Einrichtungen und hat sogar eine Vorstands-Stabsstelle für Theologie.

    Welches Personal benötigt und wie es rekrutiert wird, hängt sehr stark vom Verbandstyp, der Mitgliederbasis und der Verbandszwecke ab. Berufsverbände ticken anders als Branchenverbände, Wirtschaftsverbände anders als Wohlfahrts- und Sozialverbände,  Umwelt- und Verbraucherverbände anders als Kulturverbände, wissenschaftliche Verbände anders als Sport- und Freizeitverbände oder gar Kammern, kommunale Spitzenverbände oder Krankenkassenverbände.

    So arbeiten in Verbänden Sozialversicherungskaufleute und Krankenschwestern, Ingenieure und Informatiker, Steuerberater und Sportmanager, Handwerksmeister, Dolmetscher und Lebensmitteltechnologen – das Verbändepersonal bildet die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft ab.

    Verbänden wird manchmal "Verkrustung" und Überalterung vorgeworfen; dennoch sind sie durchaus dafür bekannt, einen recht hohen Anteil jüngerer Mitarbeiter zu haben, die vergleichsweise schnell zu Referats- und Abteilungsleitern aufsteigen können. Das ist zweifellos auch eine Frage der Personalkosten sowie der Attraktivität als Arbeitgeber.

    Verbandsmanagement ist eine eher generalistische Laufbahn, aber Verbände brauchen auch Experten mit vertieftem Fachwissen. Das sind Stellen für (wissenschaftlich ausgebildete) Referenten, die allerdings auch interdisziplinär arbeiten müssen und viele „weiche“ soziale und kommunikative Kompetenzen benötigen.

    Zunehmend wird über die Professionalisierung und Personalentwicklung im Verbandsmanagement diskutiert, und zahlreiche Verbände-Berater und Fachzeitschriften mahnen dieses Thema an.

    Das hat mit dem gestiegenen Wettbewerb zu tun. Lange galten Verbände als Organisationen, "die strukturell mehr staatlichen Verwaltungen" glichen als den Organisationen ihrer Mitglieder, zudem als „Hort konservativer Beschäftigungsverhältnisse“, die eher „Spezialisten mit Verwaltungsorientierung und weniger unternehmerisch orientierte Menschen“ anzogen (Busch, 2006, S. 6).

    Das ändert sich, aber dennoch steckt die dafür notwendige Personalentwicklung bei vielen, gerade kleineren Verbänden noch in den Kinderschuhen. Selbst die Formulierung von Stellen- und Mitarbeiterprofilen bleibt oft auf der Strecke (Fleitmann, 2009, S. 12).

    "Wer in der Wirtschaft nichts wird, geht zum Verband"
    Auf der Führungsebene sind oft Quereinsteiger zu finden, oftmals aus der Branche, die der Verband vertritt. Sie haben „Stallgeruch“, was Akzeptanz bei Funktionären und Mitgliedern sichert. Andererseits gab und gibt es die Einstellung, „wer in der Wirtschaft nichts wird, geht zum Verband“, was das Gewinnen qualifizierter Mitarbeiter nicht gerade erleichtert (Fleitmann, 2009, S. 10). Etwas anders liegt die Sache sicher bei Ex-Politikern, die in die Verbandsgeschäftsführung wechseln.

    Als Referenten sowie Assistenten von Geschäftsführung oder Vorstand rekrutieren Verbände durchaus auch frischgebackene Hochschulabsolventen. Wahrscheinlicher ist der Einstieg allerdings mit ersten Berufserfahrungen:
    Die Mitarbeiter mit akademischem Anforderungsprofil sind in der Regel Quereinsteiger, kaum eine Person beginnt ihre berufliche Laufbahn bei einem Verband. Die Vermittlung von Besonderheiten des Verbandslebens, der dafür notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie der steigenden Professionalisierungsanforderungen erfolgt somit durch learning on the job. (Günther, Blog Verbände-Talk, 2010).
    Die Verbändeberaterin Sabina Fleitmann beschreibt die Personalsituation für die Geschäftsführungsebene so:
    Einerseits versteht man [unter fachlichen Komponenten eines Geschäftsführerprofils] die auf einer Ausbildung oder einem Studium beruhende fachliche, also z. B. juristische, betriebswirtschaftliche oder steuerliche Qualifikation des Geschäftsführers/der Geschäftsführerin, die im Verband gewinnbringend eingesetzt werden kann. Traditionell wurde i. d. R. ein Jurastudium als fachliche Voraussetzung angenommen, aber zunehmend spielen auch andere als einschlägig betrachtete Studienabschlüsse (BWL, VWL u. a. m.) eine Rolle. Und der immer schon vorhandene Weg des Seiten- oder Quereinstiegs auf einem anderen fachlichen Hintergrund (PR, Politikwissenschaft, Kommunikationswissenschaft...) hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Eine geringere Rolle spielt dagegen mittlerweile die verwaltungswissenschaftliche Ausbildung oder das Hineinwachsen in die geschäftsführende Aufgabe aus einem Branchenbetrieb.
    Andererseits ist aber Branchenkenntnis oder „Szenekompetenz“ durchaus (mit) gemeint, wenn von fachlichen Voraussetzungen die Rede ist, also die Anforderung, ein Geschäftsführer möge sich mit den branchentypischen Fragestellungen und betrieblichen Problemlagen auskennen, die die Mitglieder des Verbandes zu bewältigen haben. Zum Teil wird dieses „Vom-Fach-Sein“ sogar höher gewichtet als ein einschlägiges Studium, v. a. aus Sicht der Mitglieder und ehrenamtlichen Funktionäre: Mehr als einem Geschäftsführer istim Vorstellungsgespräch schon die Frage begegnet: „Sie sind doch kein(e) ... (Autobauer, Ingenieur, Außenhandels-Firma, Arzt ...) – wie können Sie denn dann unsere Anliegen verstehen und uns gut vertreten?“ Branchenkenntnis muss auch nicht unbedingt in jedem Fall eigene Erfahrung in einer Teilbranche bedeuten, sondern eher ein „Verständnis dafür, wie operative Unternehmen funktionieren“, wie es ein Geschäftsführer ausdrückt (Fleitmann, 2011, S. 7).
    Neben Branchenkenntnis und Fachstudium tritt ein dritter Faktor (siehe Abbildung): Vertretungskompetenz oder strategisch-politische Kompetenz, denn: „Verbandsgeschäftsführung ist mit reinen Fachidioten nicht mehr zu machen.“ (Fleitmann, 2011, S. 7) Damit meint Fleitmann das Spektrum von interner Strategieentwicklung, Öffentlichkeitsarbeit und Verbandsmarketing, politischer und Lobby-Kompetenz. Sie unterstreicht, dass sowohl die systematische Anpassung der Verbandsstrukturen an neue Anforderungen und die professionelle Vertretung nach außen immer wichtiger wird.

    Grafik: Fleitmann, "Im Fokus: Die Geschäftsführung", Verbändereport (Mai 2011)

    Das heißt also: Der aktive Manager, Kommunikator und Stratege ist zunehmend gefragt. Mit administrativer Arbeit im Hintergrund, protokollführender Gremienpflege und zurückhaltendem Expertentum punkten hauptamtliche Geschäftsführer weniger als früher. Eine Erkenntnis, die sich z.B. auch in Brüssel durchzusetzen scheint. Vgl. dazu Blogbeitrag "Studie zu EU-Verbänden: Modernisierungsbedarf und Defizite", 8. August 2011

    Allerdings laufen nicht alle Geschäftsführer an einer langen Leine. Verbände haben eine duale Führungsstruktur, in der letztendlich ehrenamtliche Präsidenten und Funktionäre die großen Entscheidungen treffen. Wie stark oder schwach, wie aktiv oder passiv ein Geschäftsführer ist, bestimmen am Endde sie. Und so mancher Verbandsmanager wurde schon zurückgepfiffen, wenn der Veränderungswille, Ehrgeiz oder die Profilierung den Konsens der Ehrenamtler zu stören begannen.

    Hohe Akademisierung
    Verbände rekrutieren vielfach Fachleute ihrer Mitgliederbasis für eine Vielzahl von Aufgaben, und selbst für Referentenaufgaben keineswegs nur Akademiker. Allerdings: „Verbände sind zu einem sehr hohen Grade akademisiert“, stellt das Institut für Verbandsmanagement in Berlin fest. Der Akademisierungsgrad liege „mit nahezu 60 Prozent fast doppelt so hoch wie in Wirtschaftsunternehmen, der Anteil der Promovierten mit knapp über 20 Prozent gut doppelt so hoch“ (Busch, 2006, S. 9).

    Mehr als die Hälfte der Verbandsmitarbeiter, so eine Studie der Managementberatung Kienbaum, hat einen Hochschulabschluss, 22 Prozent haben promoviert (untersucht wurde eine Stichprobe von 259 Verbänden mit 864 Personalpositionen). Der Akademikeranteil steige proportional mit der Hierarchieebene: 95 Prozent der Geschäftsführer der zweiten Ebene hätten einen Hochschulabschluss, auf der obersten Führungsebene (Hauptgeschäftsführer, Generalsekretär) habe sogar jeder Dritte im Anschluss an sein Studium promoviert. Unter den Universitätsabsolventen dominierten mit 30 Prozent Juristen, gefolgt von Wirtschaftswissenschaftlern mit 28 Prozent sowie Ingenieur- und Naturwissenschaftlern, die zusammen einen Anteil von 21 Prozent stellten (Kienbaum Consultants International, 2011).

    Das heißt, alle anderen Fächer bilden mit rund 20 Prozent die Nachhut, und offensichtlich stellen Kommunikationsexperten, Sozial- und Geisteswissenschaftler nicht die erste Garde – zumindest in dieser Stichprobe. Das sollte aber nicht abschrecken: Verbände haben auch für letztere zahlreiche Funktionen. Jedes Verbandsteam benötigt einen Mix, um interdisziplinär die Aufgaben erfüllen zu können. Bei den Personalprofilen kommt es nicht nur auf ein Studienfach an, sondern darum, mit welchen Berufserfahrungen und Zusatzqualifikationen man es anreichert, Jobwechsel zwischen sehr unterschiedlichen Arbeitgebern inklusive.
    Ein Beispiel für einen kleineren Verband mit nur 60 (Firmen-) Mitgliedern, der keine föderale Regionalorganisation hat: Der Verband Geschlossene Fonds (VGF) vertritt eine Nische in der Immobilien- und Investmentbranche, die stark von der Finanzmarktregulierung betroffen ist. Der VGF beschränkt sich konzeptionell stark auf Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit, sodass er für sonstige verbandstypische Service- und Fachaufgaben kein Personal vorhält. Er hat einen Hauptgeschäftsführer (Rechtsanwalt, der allerdings zuvor als Bundestagsmitarbeiter und Pressereferent tätig war) und zehn weitere Mitarbeiter mit Hochschulabschluss, davon drei Volljuristen, drei Ökonomen, drei Sozial- und Geisteswissenschaftler und ein Informatiker.
    Der Referent Kapitalmarkt- und Aufsichtsrecht ist Rechtsanwalt, der sich zum Fachanwalt für Steuerrecht weiterqualifizierte und zuvor bei einem Berufsverband tätig war. Die Referentin Recht ist Fachanwältin für Arbeitsrecht, hat aber ein Redaktionsvolontariat bei einem Wirtschaftsmagazin hinter sich und war PR-Referentin. Der Leiter des Büros in Brüssel ist ebenfalls Anwalt. Der Referent Markt und Analyse ist Volkswirt mit quantitativen Methodenkenntnissen. Die Referentin Marketing und Publikationen ist studierte Kauffrau und war im Stadtmarketing tätig, aber auch für eine Europaabgeordnete. Die Referentin Veranstaltungen und Organisation ist ebenfalls Betriebswirtin. Die Pressereferentin hat Germanistik und Soziologie studiert, arbeitete als PR-Managerin und Journalistin. Für IT und Datenverarbeitung ist ein Informatik-Absolvent verantwortlich, für Druck- und Internetgestaltung ein Webdesigner, der einmal Spanisch und Kunst auf Lehramt studierte. Die Projektleitung Fortbildung und interne Veranstaltungen liegt in der Hand einer Soziologin, die nach einem Pressestellen-Volontariat PR-Agenturberaterin war (Verband Geschlossene Fonds, 2011).
    Warum sind Verbandsjuristen so dominant?
    Der hohe Anteil von Juristen (und rechtskundigen Ökonomen) bei Verbänden ergibt sich im Wesentlichen aus drei Faktoren:
    • Erstens der Budget-, Personal- und Organisationsverantwortung einschließlich der Aufsicht über ausgelagerte GmbH-Verbandsbetriebe (der Verbands-GF ist oft auch GmbH-GF in Personalunion, mit allen Konsequenzen); 
    • zweitens der zentralen Bedeutung von Rechtsbeobachtung und -beratung für Mitglieder, die vom Verband Orientierung, schnelle Information sowie individuelle Problemlösungen erwarten; 
    • drittens der Tatsache, dass eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe auch bei Details mit den in Ministerien und Verwaltung vorherrschenden Volljuristen gute Kenntnisse z.B. in Wirtschafts-, Steuer, Betriebs- und Sozialrechts erfordert – oder aber guter Kenntnisse der rechtlichen Kontexte der betriebswirtschaftlichen Grunddaten der Branche, deren Interessen man vertritt. 
    Speziell bei Berufsverbänden wäre ein vierter Faktor das Berufsrecht, bei Wirtschaftsverbänden das Kartellrecht, denn die Wettbewerbsbehörden haben ein Auge auf Unternehmen, die sich in ihren Verbänden absprechen.

    Schließlich sind Verbände in Rechtsstreitigkeiten verwickelt, und ein zugelassener Rechtsanwalt kann den Verband – manchmal auch ein Mitglied oder mehrere Mitglieder – ad hoc vertreten.

    "Verbandsjurist" inzwischen ein attraktiver Beruf für junge Rechtsanwälte, die keine für Top-Kanzleien oder für die Richter- oder Verwaltungslaufbahn notwendige Prädikatsexamina haben und sich lieber nicht der (oft prekären) freiberuflichen Existenz hingeben wollen: Hier hat der Allrounder eine Chance (Foderà, 2009 und Gottschalk, 2011).

    Doch gibt es auch Verbände ohne angestellte Juristen. Beispiel: Beim Bundesverband des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK, 20.000 persönliche Mitglieder) kommen Bundesgeschäftsführer und Referenten in der Geschäftsstelle – bis auf die Finanzreferentin – aus Pflege- und Sozialberufen, die meisten mit FH-Abschluss nach der Berufsausbildung; einige haben sich einen Master im Bereich Pflegewissenschaften oder Sozialmanagement erworben. Auch in den DBfK-Landesverbänden sind nur wenige Juristen an Bord. Die für einen Berufsverband wichtige Rechtsberatung der Mitglieder wird z.T. extern organisiert.

    NGOs: Versäulung und Abschottung eines jungen Arbeitsmarktes
    Von  Nichtregierungsorganisationen (NGO) erhoffen sich viele Studenten und Hochschulabsolventen eine gute Berufsalternative mit leichtem Einstieg via informelle Beziehungen und ehrenamtliches Engagement. Wer ans Gehalt keine hohen Ansprüche stellt, kann als junger Einsteiger auf einen Kostenvorteil setzen. Doch eine hauptamtliche Karriere ist gar nicht so einfach, die Rekrutierung eng abgezirkelt. Idealismus reicht nicht aus, und die Szene ist klein, bisweilen ein Closed Shop, wenn man wissenschaftlichen Untersuchungen glauben mag.

    Die Personalsituation im Non-Profit-Sektor ist sehr diffus, die zivilgesellschaftlichen Arbeitgeber reichen von Stiftungen über Vereine und Verbände bis hin zu gemeinnützigen Unternehmen der Sozialwirtschaft. PA-relevante Arbeitsplätze bei professionell und unternehmensartig geführten NGO sind mit Verbänden vergleichbar, allerdings sind Rekrutierung und Personalentwicklung deutlich „bunter“. Schließlich sind viele NGO aus Bewegungen, ehrenamtlichen Initiativen und Freiwilligenorganisationen hervorgegangen.

    Etablierte Karriereleitern gibt es kaum, weder für operative und technische Arbeitsplätze (etwa bei Hilfsorganisationen, die Ärzte, Logistiker, Ingenieure und auch Handwerker benötigen) noch für die Geschäftsführungen oder die Referentenstellen, die für Politik und Kommunikation oder auch Fundraising/Spendenwesen zuständig sind. Traineeprogramme für Einsteiger sind noch sehr selten.

    Die Professionalisierung, die auch zu Studiengängen in Non-Profit-Management geführt hat, ist ein recht junger Trend. Wo früher Ehrenamt und Verlegenheitslösungen (z.B. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen) die NGO-Szene prägten, wird heute nach qualifizierten Mitarbeitern gesucht.

    Die NGO-Forscherin Christiane Frantz stellt in ihrer Studie "Karriere in NGOs: Politik als Beruf jenseits der Parteien" eine zunehmende „Versäulung“ fest: Der NGO-Arbeitsmarkt ist ein „vergleichsweise abgeschotteter Markt“, Zuläufe aus anderen Sektoren sind nur begrenzt möglich. Gleichzeitig haben Hauptamtliche nur eine beschränkte Chance auf Positionskarrieren, denn nur wenige NGOs sind so ausdifferenziert, dass sie eine mittlere Managementebene mit personalpolitischen Optionen bieten können (Frantz, 2005, S. 277f.)

    Frantz unterscheidet vier Karrieretypen:
    • Der „NGO-Generalist“ ist vor allem in Politik- und Kommunikationsfunktionen sowie strategischen Führungspositionen zu finden und hat häufig Sozial- oder Geisteswissenschaften oder Pädagogik studiert. In diese Gruppe gehören etwa Spezialisten für Lobbying, PR, Marketing und Fundsraising mit „strategischer Generalkompetenz“ (Frantz, 2005, S. 100). 
    • Der „NGO-Technokrat“ ist weniger in PA-Feldern zu Hause, sondern in Projekten, und er hat sich oft durch ein bestimmtes Fachstudium (z.B. Ökologie, Agrarwissenschaften, Geografie, Volkswirtschaft, Regionalstudien) qualifiziert.  
    • Der „NGO-Theologe“ ist tatsächlich oft Theologe und hat sich auf kirchliche Ämter vorbereitet, arbeitet aber statt bei der Kirche bei religiös geprägten Organisationen, z.B. in der Entwicklungshilfe. 
    • Der „Quereinsteiger“ kommt – mit unterschiedlichem Fachhintergrund – aus der Wirtschaft. (Frantz, 2005, S. 252ff.).
    Fazit
    Es ist nicht zu übersehen, dass der Druck auf Verbände steigt, sich mit der Personalentwicklung auseinanderzusetzen. Das ist keine Erfindung der Verbände-Berater. Es gibt reale Rekrutierungsprobleme, die durch steigende Ansprüche an die Leistung der Verbände im Wettbewerb verstärkt werden. Hinzu kommen künftig Fragen des Fachkräftemangels und demographischen Wandels, die z.B. das Blog Verbände-Talk unlängst aufgegriffen hat. Bei den Gewerkschaften kann man das schon eindrucksvoll besichtigen.

    Ein Haken sind die kleinen Organisationsgrößen, die für so viele Verbände typisch sind. Kleine Geschäftsstellen investieren genauso wenig wie mittelständische Kleinbetriebe in der Wirtschaft in großspurige Personalentwicklungskonzepte. Schließlich kostet das Ressourcen. Geschäftsführer, die nicht aus dem Management kommen und selbst Quereinsteiger sind, zerbrechen sich über Personalfragen oft nur ad hoc den Kopf. Dabei müssten sie die größten Anreize haben: Wenn die Arbeit nur auf wenige Mitarbeiter verteilt ist, ist der Anspruch an jeden einzelnen Mitarbeiter umso höher.

    Das andere Problem ist die Strategiefrage. Personal strategisch zu entwickeln kann man nur, wenn der Verband sich auch eine Strategie für die gesamte Organisationsentwicklung gibt. Diese langfristige Zieldefinition nebst Maßnahmenplanung geht im Alltag eben auch oft unter oder bleibt diffus. Das ist nicht allein Schuld der Geschäftsführer: Wer modernisieren und planen will, benötigt das Commitment der Mitglieder und ehrenamtlichen Funktionäre. Diese haben oft andere Prioritäten.

    Gezielte Weiterbildung ist eine Möglichkeit, Personal zu qualifizieren, zu halten und anzuziehen.
    Auch wenn sich verbandsnahe Akademien um neue Verbandsmanagement-Module bemühen, die Zahl der kommerziellen Seminaranbieter vergrößert hat und sogar einige Hochschulen wissenschaftliche Studiengänge und Zertifikatslehrgänge anbieten, dürften die Bäume allerdings nicht in den Himmel wachsen:
    • Für teure, lange Lehrgänge geben finanziell klamme Verbände ungern Geld aus. Gerade kleinere Verbände können kaum Aufstiegsmöglichkeiten bieten, so dass sich die unbequeme Frage stellt, ob die Investition in die Weiterbildung eines Mitarbeiters möglicherweise eher zum Arbeitgeberwechsel führt statt zu höherer Produktivität im eigenen Verband. 
    • So bleibt es eher bei Konferenzen und Tagesseminaren zu Einzelthemen (gern auch als "Goodies" für die Mitarbeiter gedacht) mit begrenzter Reichweite und wenig Nachhaltigkeit für die Qualifikation und Kompetenzenbildung.  
    • Berufseinsteiger als auch erfahrene Kräfte, die neue Perspektiven suchen, müssen die Aus- und Weiterbildungskosten oft selbst schultern. Sie tragen das Investitionsrisiko und müssen, wenn sie schon beschäftigt sind, den Zeit- und Energieaufwand mit den Ansprüchen nicht immer unterstützender und verständnisvoller Chefs unter einen Hut bringen. Davor schrecken viele zurück.
    So schwierig ist es aber nicht, dafür Lösungen zu finden. Vorausgesetzt, es gibt eine Strategie. Das Problembewusstsein in der Verbändewelt steigt seit einigen Jahren, die Diskussion um die Professionalisierung des Verbandsmanagements trägt erste Früchte.

    Alles steht auf dem Prüfstand: Prozesse, Strukturen, Finanzierung, Kommunikation, Lobbyerfolg. Früher oder später rückt stets das Personal in den Blickpunkt, denn Verbandsdienstleistungen kann man nicht automatisieren und auch nicht gut auslagern. 

    Insofern darf man verhalten optimistisch in die Zukunft schauen. Nur hohes Veränderungstempo erwarten sollte man nicht: Richtig schnell sind Verbände bei Neuerungen nie gewesen.

    Keine Kommentare:

    Kommentar veröffentlichen