Eine ganz neue Bedeutung bekommt der Begriff "Monitoring", sonst für eher routinemäßige Auswertung von Websites, Drucksachen und Veranstaltungen verwendet: Wie der britische Guardian berichtet, hat die Sicherheitsfirma Vericola aus Kent für Unternehmen der Energiewirtschaft offenbar Protestgruppen der Umweltszene infiltriert und undercover Informationen über die Öko-Aktivisten gesammelt.
Auch für den deutschen Konzern E.on, der in Großbritannien Kraftwerke betreibt. Das Unternehmen bestätigte, die Firma (und eine weitere, Global Open) beauftragt zu haben - allerdings habe man nur darum gebeten, öffentlich zugängliche Informationen zu bündeln, heißt es bei Spiegel online. Vericola sei ausschließlich damit beauftragt worden, "Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen, insbesondere Websites, zu sammeln, zu bewerten und zur Verfügung zu stellen". Es habe keinen Auftrag gegeben, hierzu E-Mail-Services zu nutzen oder an Veranstaltungen teilzunehmen, so ein Sprecher zu Spon. Auch Vericola stellt dies so dar - man bediene sich nur aus öffentlich zugänglichen Quellen, etwa Email-Verteiler, auf die man sich auf den Websites der Gruppen eintragen könne. Die Umweltgruppen allerdings sagen, auf bestimmte Verteiler könne man sich nur eintragen, wenn man Veranstaltungen oder bestimmte Vorbereitungstreffen besuche. Sie sprechen daher von "Spionage".
Für E.on, Scottish Resources Group und Scottish Power hat sich die von Rebecca Todd geführte Firma Vericola laut Guardian in den vergangenen drei Jahren über getante Email-Adresse auf Verteiler der Protestgruppen setzen lassen, Informationen über Aktivisten gesammelt, an Treffen der Gruppen teilgenommen. Unter anderen ist die Klimaschutz-Bewegung Climate Camp betroffen.
Enthüllt wurden die Vorgänge durch die Umweltgruppen selbst, die verdächtige Aktivitäten beobachtet hatten. Auslöser waren die Ermittlungen zu Undercover-Polizeiaktionen, in deren Mittelpunkt der V-Mann Mark Kennedy alias Mark Stone stand. Inzwischen wird über Aussagen aus Polizeikreisen diskutiert, dass bei den Protestgruppen deutlich mehr V-Leute im Auftrag privater Unternehmen als im Auftrag von Polizei und Staatsschutz agierten. Anders als die Polizei, sagt diese, selbst unter Druck geraten, seien die Privaten an keine Regeln gebunden und schlügen auch über die Stränge.
Neben Vericola steht insbesondere die Firma Global Open im Fokus ("We provide forward looking intelligence with integrity, reliability and quality of service"). Die Firma in Beckenham bei London hat angeblich mehr als 90 Klienten, für die sie Protestgruppen beobachtet. Beispielsweise die Campaign Against the Arms Trade (CAAT), die gegen BAe mobilisiert. Auch über die Sicherheitsfirmen Inkerman Group und C2i International wird berichtet, die sich zum Beispiel mit Gegnern des Flughafenausbaus beschäftigen. Alle diese Firmen rekrutieren Mitarbeiter aus Polizei und Sicherheitsdiensten.
Klar ist wohl, dass die Auftraggeber aus gutem Grund nicht selbst auf diese Weise recherchiert haben -- und dass die Privatdetektive nicht mit Klarnamen und Offenlegung ihrer Auftraggeber vorgegangen sind. Sich undercover einschleichen und bei Protestaktionen mitmachen -- das ist in der Tat Spionage.
In der britischen NGO-Szene brodeln nun die Gerüchte, und die Aktivisten suchen fieberhaft nach verdächtigen Mitstreitern. Alle fürchten, infiltriert worden zu sein. Hier zeigt sich die Kehrseite der in Großbritannien sehr radikalen Protestszene: Die Besetzungen, Demonstrationen und Blockaden haben die Unternehmen offenbar sehr verschreckt. Es ist nachvollziehbar, dass sie sich wappnen und so frühzeitig wie möglich über Aktionen informiert sein wollen. Das ist in der Tat "Risikomanagement", wie Vericola es nennt.
Diese Monitoring-Methoden sind aber mehr als zweifelhaft und ethisch bedenklich, wenn nicht sogar strafbar. Daran dürfte die Public-Affairs-Praxis noch etwas zu knabbern haben. Zu Transparenz, offenem Dialog mit Kritikern und gesellschaftlicher Verantwortung passt das alles nicht.
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