Dienstag, 23. Februar 2010

Kartellbehörde für Lobbyisten

Differenzierte Medienkommentare zum Einfluss von Interessengruppen auf die Politik sind nicht eben häufig, aber Falk Heunemann von der FTD hat einen unter der launigen Überschrift "Lobbyismus ist doch prima" geschrieben. Er weist richtig darauf hin, dass "Lobbyismus" historisch stets ein Kampfbegriff war, ein naiver dazu. Seine These:
"Die Kritik am Einfluss von Verbänden auf die Regierung ist ebenso scheinheilig wie unangebracht. Lobbyisten machen gute Gesetze erst möglich - und sind an schlechten nicht schuld... Lobbyisten sind notwendig für jeden demokratisch verfassten Staat. Ohne sie könnte er gar nicht funktionieren."
Etwas merkwürdig ist allerdings Heunemanns Formulierung, das Parlament sei eine "Kartellbehörde" für die Lobbyisten. Er meint das Richtige, liegt mit dem Begriff aber schief. Ein Kommentar zum Kommentar stellt fest:
Der Vergleich des Parlaments mit dem Kartellamt hinkt. Das Parlament ist in erster Linie keine regulierende Behörde für die Verbände, die eine Machtbalance in einem bestimmten Politfeld anstrebt, sondern ist damit beauftragt, Entscheidungen zu treffen, die eine viel weitere Tragweite haben. Somit besteht ein qualitativer Unterschied zwischen einem Kartellamt und einem Parlament, der eine Trivialisierung des Problems der Einflussnahme in dieser Form nicht zulässt.
Die Regulierungen für Verbände, die bisher unternommen wurden, sind im Gegensatz zu jenen, die ein Kartellamt in der Regel erlässt, unzureichend, um eine effektive Machteinschränkung eines bestimmten Akteurs zu gewährleisten. Außerdem liegen dem Kartellamt ausreichend Informationen zugrunde, die auf den Machtumfang des Akteurs schließen lassen. Bei Verbänden in Deutschland ist dies eben nicht der Fall. Die erwähnte Lobbyliste ist unzureichend (Hier hätte ich von einem FTD-Journalisten eine gründlichere Recherche erwartet). Sie ist weder verpflichtend noch muss aufgezeigt werden, wie hoch die finanzielle Ausstattung für die Lobbyarbeit ist. Ein fairer Lobbyisten-Wettbewerb wäre demnach nur durch ein höheres Maß an Transparenz möglich.
Es wäre anzumerken, dass ein Kartellamt sich mit ordnungs- und wettbewerbspolitischen Vorgaben der Regierung beschäftigt und auf dieser Basis reguliert. Beim Lobbying geht es aber um die Ausübung von Grundrechten, die kann man nicht so einfach regulieren, selbst wenn es zu unerwünschter Kartellbildung kommt.

Welche Grundrechte? Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 GG), Vereinigungsfreiheit (Art. 9) und das gern vergessene Petitionsrecht (Art. 17): "Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden."

Nebenbei bemerkt: Der deutsche Korporatismus, historischer Bestandteil unseres politischen Systems, baut geradezu auf Kartellbildung - bei Arbeitgebern und Gewerkschaften hat die rechtliche Ausnahme vom Kartellverbot sogar Verfassungsrang.

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