Mittwoch, 24. Februar 2010

B2G Business-to-Government - ein schärferer Wind

In offenen Wunden stochert Hannes Koch bei Spiegel Online in seinem Artikel "Einkaufsmethoden des Staates: Billig um jeden Preis" . Bei der öffentlichen Beschaffung dulden und forcieren Politiker genau das, was sie in der Wirtschaft sonst gern kritisieren -- bei Sozial- und Umweltstandards Kompromisse machen, um eine besseren Schnitt zu machen. Von Mindestlöhnen meistens keine Spur. Koch ätzt, "Der Staat schafft einen Niedriglohnsektor".

Beim rasant steigenden Schuldenstand der öffentlichen Haushalte ist zu erwarten, dass das nicht besser wird — sondern fieser. Die Beschaffungs-Lobby wird sich warm anziehen müssen – aber für manche Unternehmen warten da vermutlich auch Chancen.

Das ist nur eine Facette beim Dauerproblem Vergaberecht und Vergabepolitik, mit dem sich Unternehmen und Verbände auseinandersetzen müssen - und für Änderungen im deutschen und europäischen öffentlichen Wirtschaftsrecht lobbyieren.

Beziehungen zwischen Unternehmen und Staat drehen sich häufig um die Aufträge und Bestellungen der öffentlichen Hand. Vergabe- und Ausschreibungs-Lobbying spielt entsprechend im "B2G" (Business-to-Government)-Geschäft eine große Rolle. Naiv ist, wer die Ausschreibungen für ein rein formales, neutrales Bewertungsverfahren hält.

Lobbying ist Teil des Marketing, Vertriebsleute sind de facto Lobbyisten - auch wenn sie z.B. mit Gesetzgebung, Parlamentariern und Ministerien wenig oder gar nichts zu tun haben. Wir reden hier von Hunderttausenden Vergabeverfahren, die von 30.000 öffentlichen Vergabestellen durchgeführt werden. Für rund 360 Milliarden Euro kauft der deutsche Staat einschließlich Kommunen und öffentlicher Unternehmen)pro Jahr Waren und Dienstleistungen; die öffentliche Nachfrage macht knapp 15 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes aus, rechnet Koch bei Spiegel Online vor.

Die Vergaberechtsreformen 2009 - viele Details dazu im Vergabeblog, im Forum Vergabe und im Beschaffernetzwerk - waren wohl der Startschuss für einen Lobbymarathon.

BDI und 11 weitere Verbände (u.a. ZDH, HDB, VDMA, ZVEI, Kammern)und Gewerkschaften (DGB, IGBAU) haben im November 2009 eine gemeinsame Erklärung zur Reform des Vergabrechts abgegeben, die uns wohl noch etwas beschäftigen wird (im Koalitionsvertrag 2009 gibt es ja einige Aussagen, die den Petenten Hoffnung machen.

Wer vom rechtspolitischen Feldherrnhügel hinabsteigt, stellt fest, dass Unternehmen oft ganz grundsätzliche Probleme mit dem B2G-Geschäft haben.

Zur Erweiterung der Diskussion nutzt auch hier der Blick in die USA. Im amerikanischen Blog "Procurement Insights" gibt es zu den kniffligen Unternehmensproblemen im Geschäft mit dem Staat eine interessante Serie.

Beim Blog Essential Connections fragen sich die Schreiber, was die drei größten B2G-Herausforderungen sind. Nur ein Beispiel aus der erhellenden Diskussion, ein paar Basics:
  1. den öffentlichen Markt und die Unterschiede zwischen B2B/B2C einerseits und B2G überhaupt verstehen -- oft geht schon der Markteinstieg richtig schief, weil das Wissen fehlt, Berater falsch beraten, der Bedarf falsch eingeschätzt wird;
  2. zu verstehen, WIE die Behörde kauft, denn die Bandbreite der Verfahren und Standards ist riesig; und
  3. die Einkäufer sinnvoll zu beeinflussen und dafür die passenden Kommunikationsmittel zu wählen.

Mehr Vorschläge, was die drei Herausforderungen sind, von Experten hier. Interessante Diskussion, die ich in der deutschen Public-Affairs-Szene etwas vermisse - nur etwas für Vergabejuristen?

Auch für EU-Märkte brauchbare Expertentipps aus den USA kann man sich abholen bei Mark Amtower, Autor des Buches "Government Marketing Best Practices", er betreibt auch ein eigenes Blog, Federal Direct. Verfahren mögen anders sein, die Grundprobleme nicht. Allerdings: Wer aus Deutschland in den USA mit dem Staat Geschäfte machen will, sollte als erstes Amtowers Quiz testen - man merkt gleich, die Lernkurve ist steil...

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