Sonntag, 28. Februar 2010

Können Unternehmer sich einen Politiker kaufen?

Bemerkenswerter Artikel von Georg Meck in der FAS heute unter dem schlichten Titel "Können Unternehmer sich einen Politiker kaufen?" Meck argumentert ökonomisch:

Manager denken in Preisen. Und Preise drücken Knappheiten aus. So steht es im Lehrbuch. Wenn das stimmt, haben auch Politiker einen Preis.

Stimmt. Die Frage ist nur, in welcher Währung gezahlt wird. Im Lobbying ist diese Währung im Regelfall Information, nicht Geld. Aber Geld, an der richtigen Stelle eingesetzt (z.B. spezialisiertes Personal, Medien und Beratung), kann Zugang zur Information erleichtern.
Angebot schwach, die Nachfrage sinkt - auch im Geflecht zwischen Wirtschaft und Politik regieren die Kräfte des Marktes. ... das Feld wird bewirtschaftet, es fließt Geld. ... Der persönliche Kontakt zu den Regierenden ist wichtig für Unternehmer, sie bilden sich das zumindest ein. Und suchen die Nähe zu den Mächtigen. Da Aufmerksamkeit ein wertvolles Gut ist, erst recht der über Milliarden gebietenden Politik, geben Unternehmen viel Geld für die Nähe zur Macht aus.

Meck erläutert, nicht ohne Rückgriff auf Klischees ("Schattenmänner der Macht, Experten für Public Affairs"), wie Unternehmen an Positionierung und Beziehungsgeflechten arbeiten. Ihm fält auf, dass NRW-CDU-General Wüst mal bei der PA-Beratungsagentur EUTOP (Klemens Joos) in Brüssel und Berlin gearbeitet hat. Er greift offenbar zurück auf einen alten Artikel der Süddeutschen ("Das schwarze Netzwerk des Klemens J."), der allerdings auf den SZ-Seiten nicht mehr zu finden ist, sondern nur noch als Kopie im Web zugänglich ist.

Auch das Handelsblatt hat die Wüst-EUTOP-Verbindung aufgegriffen:
Recherchen des Handelsblatts ergeben ebenfalls, dass der zurückgetretene Generalsekretär der nordrhein-westfälischen CDU, Hendrik Wüst, jahrelang politische Kontakte an Unternehmen verkauft hat. Wüst war insgesamt drei Jahre für das Münchener Beratungsunternehmen Eutop tätig. Dabei war die Beratung und Zusammenführung von Entscheidungsträgern in Politik und Unternehmen seine Hauptaufgabe. Wüst hatte 2002 erst in Brüssel begonnnen und später politische Kontakte und Beratungsleistungen in Berlin verkauft. Wüst hatte in seiner offiziellen Biographie lediglich angegeben, für eine Unternehmensberatung gearbeitet zu haben. Genaue Angaben hatte er dabei vermieden.
Der Duktus ist etwas undifferenziert -- Wüst hat "jahrelang politische Kontakte an Unternehmen verkauft", bitte? Etwas genauer kann man professionelle PA-Arbeit schon beschreiben, selbst wenn EUTOP tatsächlich "Kontakte verkauft" haben sollte, was normalerweise nicht der Kern von PA-Arbeit ist.

Meck geht etwas feinfühliger vor und sagt auch "Die Gunst der Regierenden ist nicht zu kaufen, die muss man sich verdienen", und lässt sich das von Utz Claasen (Ex-EnBW) betätigen. Was Unternehmen und Verbände politisch tun, ist zwar oft teuer, aber hat mit Parteien-Fundraising eher selten etwas zu tun. Meck: "Für die Parteikasse springt von diesem Geben und Nehmen kein Cent ab. Das Geld muss anders eingetrieben werden."

Parteispenden sind der offizielle, bei Firmen daher unbeliebte Weg: Die Gaben werden öffentlich ausgewiesen und in der Öffentlichkeit womöglich als anstößig empfunden. Etliche Dax-Konzerne spenden deshalb seit Jahren überhaupt nicht mehr.

Um trotzdem an das Geld der Industrie zu kommen, sind neben dem Sponsoring Anzeigen in Parteiblättern beliebt. "Da wird von der Politik oft versucht, Druck aufzubauen", berichtet ein Manager. Eine konkrete Gegenleistung für Spenden ist verboten, nicht aber die Einladung zum Dinner. Von einem gewissen Betrag an achten die Schatzmeister aller Parteien darauf, die Geber angemessen zu verköstigen. Spitzenleute der Partei werden vom Kassenwart regelmäßig zu sogenannten Spenderessen verdonnert.

"Die Abende sind oft eine Tortur", klagt ein ehemaliges Regierungsmitglied. "Unternehmer kotzen sich über die Politik aus, man sitzt höflich daneben und nickt, natürlich völlig folgenlos". Obendrauf erwartet der spendable Gast den ganzen Abend Demut und Dankbarkeit - wenig fällt Machtmenschen schwerer.

"Die Akquise von Spenden ist der schlimmste Teil meines Berufs", sagt ein Berliner Abgeordneter. Andererseits geben Lobby-Profis wenig auf diese vorgeblich exklusiven Abende: "Effizient ist das für Unternehmer nicht. Entschieden wird nicht im Restaurant, sondern im Büro mit Akten und Referenten." Auch sei das Bündel Scheine ein denkbar schlechtes Argument, Arbeitsplätze sind die Währung, die zählt, erzählt ein hauptamtlicher Lobbyist: "Nichts wirkt als Druckmittel besser." Je mehr Arbeitsplätze, desto wichtiger: Die Vorstandschefs der großen Konzerne pflegen den direkten Draht ins Kanzleramt, wenn sie einen parlamentarischen Abend spendieren, können sie sicher sein, dass da ist, auf wen es ankommt.

Der Mittelständler aus der Provinz braucht dagegen die professionelle Hilfe der Beziehungsanbahner, um Termine in Berlin zu organisieren. "Als Politiker habe ich noch nie Geld für ein Treffen mit Managern bekommen, ich bin mir aber sicher, dass Agenturen an mir schon Geld verdient haben", sagt ein ehemaliger Staatssekretär - wie hoch die Vermittlungsgebühr, also sein Marktwert, lag, hat er nie erfragt. Auch wenn Politiker kein Geld für Gespräche verlangen, eine noble Geste wüssten sie durchaus zu schätzen, behauptet der altgediente Strippenzieher Klaus Kocks: Statt Bares für den Amtsträger spende das Unternehmen für einen gemeinnützigen Zweck im Umfeld des Politikers, mit dessen freundlicher Empfehlung. "So kommen alle Kindergärten zu neuen Rutschen, was soll's?"

Eine Win-Win-Situation: Der Manager bringt seine Argumente an, der Politiker mehrt den Ruhm in seiner Szene, der Kindergarten freut sich sowieso. Die Tarife für solche Deals seien nach Rang gestaffelt, erläutert Kocks: "Unter 5000 Euro geht nichts, 50 000 ist zu viel."

So geht die nicht ganz neue Diskussion über Preislisten für Politiker als Lobby-Tool also weiter. Das Interessante an der aktuellen Debatte ist eigentlich, dass die Preislisten von den Parteien gemacht werden, nicht von den Lobbyisten -- Meck dreht sie wieder um.

An zwei Dinge sollte erinnert werden. Erstens: Bei Parteispenden DARF es rechtlich keine Gegenleistung geben, beim Sponsoring MUSS es rechtlich eine Gegenleistung geben. Wie die definiert wird, muss im Vertrag stehen. Weil es eine Gegenleistung gibt, ist es eine steuerlich voll absetzbare Betriebsausgabe. Bisher ist es Usus, dass zwischen der formalen, vertraglich fixierten Gegenleistung und den informellen Optionen getrennt wird - die CDU-Praxis hat das geändert. Vielleicht war es ehrlicher so, aber eben auch angreifbarer.

Zweitens: Die Professionalisierung der Public Affairs hatte einen Motor auch im Widerstand gegen den Geld-Faktor (Stichwort Moritz Hunzinger). Wie heißt es im Verhaltenskodex der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung? "de'ge'pol-Mitglieder üben zur Kommunikation und Realisierung von Interessen keinen unlauteren oder ungesetzlichen Einfluss aus, insbesondere weder durch direkte oder indirekte finanzielle Anreize."

Womit wir auch schnell wieder zur Debatte um das Lobbyistenregister kommen. Wenn das Fundraising der Parteien die Interessenvertreter so stark einbezieht, bleibt als logische Konsequenz nur, alle Sponsoring- und ähnlichen Ausgaben nicht nur in den Rechenschaftsberichten der Parteien klar auszuweisen, sondern auch im Lobbyistenregister.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen