Freitag, 12. März 2010

Brandherd Bankenverband

Die Krise lässt bei den Interessenverbänden alte Risse deutlicher zu Tage treten. Nicht zuletzt, wenn es um Führung und Strategie geht, beim Personal sowieso. Beim Bankenverband lässt sich das beobachten. Wie das Handelsblatt gestern meldete, räumt Hauptgeschäftsführer Professor Manfred Weber den Chefsessel – nur bis wann ist noch unklar, spätestens zum Jahresende oder vielleicht auch kurzfristig.

17 Jahre als HGF sind eine lange Zeit, vor allem, wenn man Leute wie Josef Ackermann und Martin Blessing sowie den neuen Verbandspräsidenten Andreas Schmitz im Nacken hat. Dass Weber und der Bankenverband eine politisch wichtige oder dynamische Rolle während der letzten zwei Krisenjahre gespielt haben, kann man nicht behaupten. Und: Die großen Banken verlassen sich schon lange nicht mehr auf ihren einst einflussreichen Verband. Während der Krise ist die Neusortierung des Verbands offenbar nicht auf der Prioritätenliste ganz oben gewesen. Als es überall brannte, ließen die Mitglieder den Brandherd Bankenverband einfach vor sich hin glühen.

Dass der Posten des Vize-HGF seit langem immer noch mit "N.N." besetzt ist, obwohl dieser für die wichtigen Gebiete Einlagensicherung, Recht, Steuern, Finanzmärkte, Personal und Verwaltung zuständig ist, spricht Bände. Es ist ganz sicher nicht klug, wenn der andere Stellvertreter, Hans-Joachim Massenberg, das alles auch noch mitmachen muss. Das wäre selbst für Superhelden der Arbeit arg viel.

Es ist ja nicht so, dass es dafür kein geeignetes Personal gäbe oder dass die Headhunter untätig gewesen wären. Was ist da los, fragen sich viele. Die pauschale (und damit vielleicht etwas unfaire) Antwort ist meistens gewesen: Weber.

Nun hat der Vorstand wohl radikalen Frühjahrsputz vor. Es ist ja auch nicht schön, wenn die Querelen und Defizite in die Öffentlichkeit sickern, wie etwa im Januar in der FTD. Die hatte über Weber gesagt:

Der Hauptgeschäftsführer ist intern wie extern hochumstritten - seine Karriere galt bereits 2009 als quasi beendet. BdB-Mitarbeiter beschweren sich, dass Weber die Kommunikation nach außen unterbinde - die aber gerade für einen Verband inmitten der schwersten Finanzkrise seit den 30er-Jahren von größter Bedeutung ist.

In der Tat. Das "Netzwerk Recherche", ein Zusammenschluss kritischer Journalisten, verlieh dem Bankenverband 2009 gar die "Verschlossene Auster" – ein Preis für den „Informationsblockierer des Jahres“. Die Journalisten meinten: "Der Bankenverband und seine Mitglieder waren in der Banken- und Finanzkrise nicht auf Seiten von Transparenz und Aufklärung. Die Vertreter der Banken tauchten ab und stellten sich der Öffentlichkeit nicht ausreichend. Wenn sie eines ihrer wenigen Interviews gaben, dann versorgten sie die Öffentlichkeit mit Ausreden. Sie weigern sich, ihre Fehler einzugestehen, Versäumnisse zu erklären und Verantwortung zu übernehmen." In der Laudatio kommentierte Professor Rudolf Hickel, der Direktor des Institutes Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen, „nicht nur Informationsblockierung, sondern Fehlinformation, Halbwahrheiten, lobbyistische Rechtfertigungen kennzeichnen die Öffentlichkeitsarbeit des Verbandes.“

Was die Verbandsmitglieder wohl denken, wenn sie so etwas lesen? Die Journalisten prügelten den Verband stellvertretend für die Banken, sicher; aber hätte der Verband sich in der Kommunikation besser aufgestellt, hätte er den Mitgliedern auch etwas den Rücken frei halten können. Im Idealfall.

Wenn die großen Institute strategisch vor allem auf eigene Public-Affairs-Arbeit setzen, ist das aber kaum möglich. Was tatsächlich passiert, ist schon fast informelle Verbandsflucht. Ein klassisches Problem für eine sich durch die Globalisierung und den Wettbewerb schnell verändernde Branche, die politisch massiv unter Druck geraten ist:

Die Interessengegensätze wachsen, die Integrationskraft des Verbands sinkt, von Verpflichtungsfähigkeit keine Spur, die Fliehkräfte werden zu groß, gemeinsam kraftvoll vertretene Positionen selten.

Am Ende muss man befürchten, dass der Bankenverband zu einem Hohlkörper werden könnte, der von der Politik kaum noch als verbindlicher Verhandlungspartner anerkannt wird. Die Regierung würde sich vermutlich freuen, wenn sie von den Privatbanken einheitliche Positionen bekäme und einen Bankenverband als Gesprächspartner hätte, bei dem sie sicher sein kann, dass Problemlösungen und Vereinbarungen auch von der so vertretenen Branche mitgetragen werden. Und der bei der Kommunikation komplexer Lösungen hilfreich ist. Es ist schwer genug, die Konkurrenz zwischen öffentlichen, Genossenschafts- und Privatbanken zu überbrücken (von anderen Akteuren mal ganz abgesehen) und daraus eine einheitliche Finanzmarktpolitik zu bauen. "Das Verhältnis der Bundesregierung zu den Banken hat sich weiter abgekühlt", meint das Handelsblatt. Und die Regierung hat keine Scheu, den Druck auf die Finanzinstitute wegen der anhaltenden Kreditklemme weiter zu erhöhen.

In der FTD war zu lesen:
Commerzbank und Deutsche Bank jedenfalls stocken, statt auf den in der Bundeshauptstadt ansässigen BdB zu bauen, ihre eigenen Repräsentanzen in Berlin auf. Allerdings, so ist beschwichtigend aus den Häusern zu hören, habe das nichts mit einem Bedeutungsverlust des Bankenverbands zu tun. Die Finanzkrise habe die Relevanz der Berliner Politik für die Banken schlichtweg erhöht; sie müssten sich daher stärker selbst dort zeigen.

Hinzu kommt aber, dass es für den BdB immer schwieriger wird, seine einzelnen Mitglieder angemessen zu vertreten. Die Institute haben einfach kaum etwas gemeinsam, weder bei den Geschäftsmodellen noch bei der Eigentümerstruktur.

Da hat es etwa der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) leichter: Er sollte zwar eigentlich auch die krisengeschüttelten Landesbanken vertreten - hat das in den vergangenen zwei Jahren aber kaum getan und sich damit geschickt von schlechten Nachrichten ferngehalten. Stattdessen hat er sich als lautes Sprachrohr der Sparkassen positioniert, die eine relativ homogene Gruppe mit gleich gerichteten Interessen sind.

Überdeutlich ist, dass der BdB seine Zukunftsrolle erst noch finden muss. Um die Treue seiner Mitgliedsbanken muss sich der Verband immerhin keine Sorgen machen: Austreten können die Institute nämlich nur schwerlich. Denn nur über den Verband sind sie in der privatrechtlichen Einlagensicherung vertreten, die über die gesetzliche Sicherung hinausgeht.

Würde der Bankenverband auf eine Trägerorganisation zur Einlagensicherung reduziert, hätte das auch negative Auswirkungen auf den Einfluss Deutschlands in der internationalen Interessenvertretung -- in der European Banking Federation in Brüssel, in der International Banking Federation in London, bei zahlreichen anderen Gremien und auch für die Möglichkeiten der Initiative Finanzstandort Deutschland.

Ob das bei den laufenden schwierigen Verhandlungen um die internationale Finanzmarktregulierung so wünschenswert ist?

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