"Jeder zweite Dax-Konzern befürwortet ein deutsches Lobbyregister", stellt die Welt heute im Beitrag "Ende des Versteckspiels" fest. Das ergab eine Umfrage der Zeitung unter den 30 Dax-Konzernen. 15 der befragten Firmen erklärten sich laut Welt bereit, Details ihrer Lobbyarbeit, etwa Budgets oder Themen, offenzulegen. Umstrittener sei in der Wirtschaft jedoch, wie streng die Vorgaben aussehen sollen.
Im US-Lobbyregister hat das Schwesterblatt Welt am Sonntag jüngst recherchiert, dass die großen deutschen Unternehmen während der Wirtschaftskrise ihre Ausgaben für Lobbyarbeit in den USA verdoppelt haben. Allein Bayer gab zwischen 2006 und 2009 mehr als 23 Millionen Dollar aus. "Und der Chemiekonzern hätte keine Probleme, solche Geldflüsse auch für Deutschland öffentlich zu machen", heißt es.
Unter den 15 positiven Ansagen findet sich Konzerne wie Siemens, RWE und die Deutsche Telekom. Sie würden ein Lobbyregister in Berlin für alle Vertreter von Unternehmen, NGOs und anderen Organisationen befürworten. Alfred Hoffmann vom Chiphersteller Infineon wird zitiert, mehr Offenheit könne die "verdeckte Einflussnahme" einschränken. "Daimler ist hier klar für Transparenz", hat das Blatt erfahren. ThyssenKrupp hoffe, dass durch ein Register Missbrauch vermieden werden kann: Bei den Richtlinien, wer was angeben soll, müsse aber "unverhältnismäßig bürokratischer Aufwand" vermieden werden. Auch die Deutsche Post wolle erst einmal diskutieren, wie ein Register aussehen soll.
Mit der Gretchenfrage "Freiwilligkeit oder Pflicht" wird aber schon klar, dass die Zustimmung zum Register an vielerlei Bedingungen geknüpft ist. Das US-Register ist verpflichtend, das EU-Register nicht, was in Brüssel viele für einen Kardinalfehler halten. Denn auch wenn viele Unternehmensrepräsentanzen und Verbände sich eingetragen haben, fehlen viele Detailangaben -- und zahlreiche Agenturen und Anwaltsbüros sowie zivilgesellschaftliche Organisationen, die sehr wohl mit ihren Büros in Brüssel lobbyieren, glänzen ebenfalls durch Abwesenheit.
Und in Deutschland? "Allein K+S, RWE, Bayer und Metro sprechen sich für ein umfassendes Register wie in den USA aus", so die Zeitung. "Andere Konzerne wie Henkel, die Deutsche Post oder SAP fordern dagegen zunächst eine Diskussion darüber, was Lobbyisten preisgeben sollen."
Seit der Bundestag vor der letzten Wahl eine Anhörung zur Registerfrage veranstaltete, war es still geworden um das Problem. Wie die Zeitung vom SPD-MdB Michael Hartmann erfuhr, will die SPD das Thema zusammen mit der Frage nach externen Mitarbeitern in Ministerien noch vor der Sommerpause in die Ausschüsse einbringen. "Ein verpflichtendes Lobbyregister ist kein Allheilmittel - aber der Druck muss aufrecht erhalten werden." "Wir blockieren da nichts", sagt CDU-Kollege Helmut Brandt, will aber ein freiwilliges Lobbyregister.
Der Staatsrechtler Ulrich Battis von der Humboldt-Universität meint, gegen eine vollständige Liste spreche nach das Berufsgeheimnis und führt - ein altes Thema - die Bauchschmerzen der Rechtsanwälte an. Wenn zum Beispiel ein Anwalt als Interessenvertreter auftrete, müsse er wegen der Verschwiegenheitsklausel seine Auftraggeber oder Honorare nicht veröffentlichen.
Wenn sich die Anwaltskanzleien, die durchaus gut im Lobbygeschäft mithalten, wieder einmal querstellen und auch andere Organisationen -- etwa öffentlich-rechtliche, die auch nicht in der Verbändeliste des Bundestags stehen, oder NGOs -- nicht mitmachen wollen, wird wie schon in Brüssel die Bereitschaft der Wirtschaft und der Beratergesellschaften wohl sinken, ihrerseits zur Transparenz zu stehen. Gleiche Regeln für alle, das ist gerade beim Lobbyregister der Knackpunkt.
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