Die Studie der Edelman-Public Affairs Gruppe, "Edelman Capital Staffers Index 2009", ist in der Tat interessant. Knapp 400 parlamentarische Entscheidungsvorbereiter in den Parlamenten in Berlin, Brüssel, London, Paris und Washington, D.C. wurden befragt. Die Agentur hat die Präsentation veröffentlicht (zugehörige Pressemitteilung):
- 98% der politischen Mitarbeiter im Deutschen Bundestag (befragt wurden 50) greifen regelmäßig auf digitale Kanäle und soziale Netzwerke für ihre Recherche und die Politikgestaltung zurück.
- Fast die Hälfte (42%) gab an, sich zuerst online über bestimmte politische Problemstellungen zu informieren und jeder Vierte (23%) veränderte tatsächlich seine politische Position auf Grundlage von im Internet gefundenen Informationen und Meinungen.
- Im internationalen Vergleich ist die Integration von digitalen und traditionellen Kommunikationswegen unter den deutschen Bundestagsmitarbeiten doppelt soweit fortgeschritten wie in den anderen untersuchten Parlamenten.
Die Agentur macht eine "digitale Lücke" zwischen Social Media (etwa den MdB-eigenen Blogs oder den Netzwerken der Mitarbeiter) und den traditionellen Direktkontaktmöglichkeiten aus. Der klassische Brief, Emails und Telefonanrufe im Abgeordnetenbüro sowie das persönliche Gespräche sind durch Web 2.0 noch lange nicht in ihrer Effektivität zu toppen, das ist eindeutig.
Ebenso bemessen die Parlamentsmitarbeiter für die Kommunikation mit den Bürgern (im Wahlkreis wie darüber hinaus) den herkömmlichen Massenmedien noch erheblich höhere Bedeutung zu. Gespräche, Veranstaltungen, Reden, Pressebeiträge, Radio und Fernsehen, Pressemitteilungen, Anzeigen schlagen Online-Videos, Blogs & Co immer noch.
"Trotz der Lücke spielt digitale Kommunikation eine vielseitige und effektive Rolle in Public Affairs", kommentieren die Edelmänner. Eine Wirkung der Social Media ist für beide Kommunikationsvarianten auf jeden Fall signifikant messbar.
Im persönlichen Informations- und Kommunikationsverhalten der Parlamentsmitarbeiter wird sehr deutlich, wie stark Online-Medien schon sind, wenn es um Recherchen, Monitoring und informelle Schnell-Infos geht. Auch wenn die meisten sich ihre Informationen bei den Websites traditioneller journalistischen Medien - vor allem Tageszeitungen - und darauf basierenden Diensten wie GoogleNews holen, so ist doch prinzipiell festzustellen: Erstinfos kommen sehr oft online auf den politischen Radarschirm, und immerhin sagt eine signifikante Minderheit - einer von fünf -, dass inhaltliche Positionen schon aufgrund von Online-Quellen verändert wurden. Fazit der Agentur: "Online-Quellen spielen eine zentrale Rolle für Analyse und Gestaltung von Politik."
Die Deutschen sind im Vergleich mit Amerikanern, Briten, Franzosen und den Brüsseler Kollegen nicht unbedingt quer durch die Bank führend in der Online-Nutzung, aber die Nutzung spielt eine offenbar große Rolle.
Nicht zuletzt eröffnet die private Nutzung von Facebook, YouTube, Twitter, LinkedIn & Co einen Kanal zur beruflichen Einbindung, heißt es. Es klafft auch hier eine deutliche Lücke zwischen der privaten Nutzung und der Nutzung im Büro für die politischen Aufgaben der Parlamentsmitarbeiter.
Buschhausen meint: "Public Affairs-Management wird sich zunehmend nach den neuen Möglichkeiten richten, die die sozialen Medien für einen effektiven Dialog mit dem Parlament bieten."
"In Bezug auf die Politikgestaltung und Public Affairs beobachten wir eine digitale Kehrtwende, da Mitarbeiter und gewählte Amtsträger sich vom persönlichen Gespräch hin zu Facebook und anderen sozialen Medien bewegen, um kritische Sachverhalte zu recherchieren und zu kommunizieren", so Jere Sullivan, Head of Global Public Affairs Practice bei Edelman.
Stellt sich die Frage, wie füllt man die Lücke aus Sicht des Public Affairs Managements? "Fischen, wo die Fische sind", meinen die Edelman-Experten. Sie schlagen vor:
- genau auf den Zuschnitt von Themen- und Stakeholder-Netzwerken zu achten, also zu verfolgen, wer mit wem über welche Social Media kommuniziert (Peer Group Mapping & Monitoring), etwa über Twitter-Anwendungen wie Tweetdecks und Twhirl;
- Netzwerk-Management über Facebook-Gruppen, Event-Einladungen, Plattformen für offenen Diskurs mit Entscheidern und Vorentscheidern;
- Einbindung und Outreach über geschlossene Blogs mit Kommentierung, gezielte Einladung von Politikern und Vorentscheidern, auch mit dem Ziel der Schließung von Informations- und Wissenslücken über diese Kanäle;
- Themenverbreitung und Agenda-Setting über die Bereitstellung von Inhalten und Koordination von Kommunikationsmaßnahmen über ein "Digital Public Affairs Cockpit".
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