Sonntag, 20. Juni 2010

Kissingers Telefonnummer für Hochschulpolitik in Europa

Der Neuzuschnitt von Ressorts lässt Interessenvertreter stets hellhörig werden. Wird ein Politikfeld auf- oder abgewertet, werden Zugänge zu Entscheidern leichter oder schwieriger? In Brüssel fragen sich das derzeit alle, die mit Hochschul- und Wissenschaftspolitik zu tun haben.

In Deutschland zanken sich Bund und Länder wie gehabt (zuletzt beim kläglichen Bildungsgipfel unter dem Motto "Vertagen, verschleppen, vertrösten", so Spiegel Online), während die Europäisierung der Wissenschafts- und Bildungspolitik fortschreitet und die Hochschulen zunehmend mehr Energie darauf verwenden, die Europapolitik zu verfolgen und zu beeinflussen.

Die Europäische Kommission hat jüngst in der Generaldirektion Bildung und Kultur umgebaut und ein neues Direktorat für Hochschulen, Lebenslanges Lernen und internationale Angelegenheiten geschaffen (Organigramm, Stand 1.6.2010). Hier werden Referate gebündelt, die bisher auf andere Abteilungen verstreut waren. Das trägt die Handschrift des neuen Generaldirektors Jan Truszczyński, der bislang als Staatssekretär im polnischen Außenministerium immerhin wichtig genug war, um den EU-Beitritt Polens zu verhandeln. Das ist kein Nobody, sondern ein Politiker mit gestalterischen Ambitionen.

Die European University Association (EUA, dazu gehören zahlreiche deutsche Hochschulen) und andere Hochschulorganisationen freuen sich, während die Kommission darin erst einmal nur eine administrative Strukturentscheidung sehen will, wie University World News berichtet. Sprecher Thomas Pritzkow verweist auf den Kontext der in vielen Mitgliedstaaten dringlichen Modernisierung des tertiären Bildungssektors, die Fortführung des Bologna-Prozesses, der Erasmus-Programme, des Aufbaus des European Institute of Innovation and Technology, der Einbindung der Marie-Curie-Förderprogramme für wissenschaftliche Talente und des zentralen Stellenwerts von Forschung und Ausbildung in der neuen EU-Strategie EU2020 (Nachfolger der Lissabon-Strategie).

Bernd Waechter von der Academic Cooperation Association (deutsches Mitglied: der DAAD) rätselt auch noch, was das genau zu bedeuten hat, aber immerhin: "Wir begrüßen das natürlich, weil man nun, in Kissingers Worten, eine einzelne Telefonnummer hat", sagte er laut UWN. Bei der EUA hofft Generalsekretärin Lesley Wilson auf "mehr Fokus auf den Hochschulbereich", wichtig for allem für die gebündelte Organisation zahlreicher Förderprogramme und der Umsetzung der beim jüngsten Wissenschafts-Ministerrat beschlossenen Internationalisierungs-Maßnahmen.

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