Im Konzert der hochschulpolitischen Interessenvertretungen hat der Verband der Privaten Hochschulen (VPH) bisher keine allzu große Lobbystärke entwickelt. Andere Wettbewerbsregeln, mehr staatliche Subventionen -- solche Forderungen hinterlassen derzeit kein politisches Echo, schon gar nicht angesichts der Krise im öffentlichen Bildungswesen. Kein Politiker macht sich derzeit allzu laut für die Privaten stark.
Auf dem Sektor der Privathochschulen schlägt nun umso heftiger eine juristische Granate ein, die sein Mitglied, der Bildungs- und Gesundheitskonzern SRH platziert hat: Mit einem überraschenden Gerichtsurteil stellt er das gesamte staatliche System der Akkreditierung von Studiengängen in Frage, das für die Privathochschulen existentiell ist, wie Marion Schmidt von der Financial Times Deutschland berichtet.
Es ist für große Unternehmen gängig, politische Interessenvertretung mit Litigationsstrategien zu verknüpfen. Genau das ist derzeit im Bildungssektor zu beobachten. Das deutsche Akkreditierungssystem (Umsatz der zehn ausführenden Agenturen: 90 Millionen Euro jährlich) ist auch bei öffentlichen Hochschulen als bürokratisch und teuer in Verruf. Aber die meisten Hochschulen arrangieren sich damit und setzen mittelfristig auf eine Reform durch Kultusministerkonferenz und Wissenschaftsrat.
Der Gesundheitskonzern SRH, der sechs Hochschulen betreibt, ließ es darauf nicht beruhen. Da für private Hochschulen an der Akkreditierung zugleich die staatliche Anerkennung hängt, sind die Verfahren für das Bildungsgeschäft lebensnotwendig – oder lebensbedrohlich. Als die Agentur ASIIN in Nordrhein-Westfalen 2008 zwei Studiengänge nicht akkreditierte, zog das Unternehmen vor das Verwaltungsgericht Arnsberg. Und dieses erklärte im Mai 2010 die Praxis der Überprüfung von Studiengängen für verfassungswidrig, gab damit der SRH-Gruppe Recht. Zwar gilt das Urteil erst einmal nur für NRW (wo fast 20% der Studenten "privat" studieren), doch das Akkreditierungssystem ist ein überregionales.
Das Gericht urteilte, dass die Bestimmungen zur Akkreditierung im NRW-Hochschulgesetz verfassungswidrig seien: Das Gesetze enthalte keine Regelungen zu Voraussetzungen, Inhalt und Ziel, Verfahren, Kosten oder Rechtsschutz, es definiere auch nicht ausreichend den juristische Status der Akkreditierungsagenturen – sie sind privatwirtschaftliche Dienstleister. Trotzdem habe das Wissenschaftsministerium wesentliche Entscheidungsrechte und damit den Vollzug staatlicher Akte übertragen. Mit anderen Worten: Die Rechtsgrundlage und damit die Legitimität fehlen. „Das Konstrukt ist rechtlich höchst umstritten“, gab selbst die Schwesteragentur Zeva gegenüber der FTD zu; „Die Gerichtsentscheidung könnte das ganze System aus den Angeln heben.“
Der Fall muss nun vor das Bundesverfassungsgericht. Wenn Karlsruhe der Ansicht der NRW-Richter folge und damit das ganze Akkreditierungsverfahren infrage stelle, „dann haben wir ein Problem“, wurde der Geschäftsführer des Akkreditierungsrats, der die Agenturen zertifiziert und beaufsichtigt, zitiert.
Damit gibt die SRH-Gruppe dem Verband der Privaten Hochschulen neue Munition, der in Abweichung von Hochschulrektorenkonferenz & Co für eigene Reformvorschläge für ein neues Akkreditierungsmodell lobbyiert.
"Schlanker" und "harmonischer" sollen die Verfahren sein, effizient und weniger bürokratisch. „Was wir in Deutschland jetzt brauchen, ist ein deutlich schlankeres Akkreditierungskonzept, mit wirklich objektivierten einheitlichen Standards, mit konsistenten Entscheidungen, mit dafür gut geschulten Gutachtern, ohne Doppelaufwand an allen möglichen Stellen – aber gleichzeitig mindestens auf dem gleichen Qualitätsniveau wie bisher. Diese Reform der Akkreditierung sollte realistisch binnen zwei Jahren möglich sein“, so Harald Melcher, Geschäftsführer der AKAD-Hochschulen, die zum Cornelsen-Bildungskonzern gehören.
Privathochschulen haben viele Forderungen. Die Akkreditierungsverfahren stehen aber als zentrales Wettbewerbsregulativ vorn an: Ihr Verband fordert etwa im Gegensatz zum Wissenschaftsrat, der eine institutionelle Akkreditierung nur für private Hochschulen vorsieht, diese auch für staatliche und ausländische Hochschulen. Auch will der Verband eine angemessene Repräsentanz privater Hochschulen in den Gremien des Wissenschaftsrates, insbesondere im Akkreditierungsausschuss. Internationale institutionelle Akkreditierung, etwa durch die europäische EQUIS oder die amerikanische AASCB für Wirtschaftsfakultäten, solle automatisch zu staatlicher Anerkennung in Deutschland führen (VPH, 2004).
Auch in anderen Bereichen wollen die Privathochschulen Änderungen. Mehr Freiheit und mehr Förderung im Fernstudienwesen (wo die Privaten die Nase vorn haben) wird verlangt, und ebenso wird ein Studienfinanzierungssystem gefordert, das – etwa mit Bildungsgutscheinen oder Studienkonten – den Privaten Zugangschancen zu Staatsgeldern gibt. SRH-Vorstandschef Klaus Hekking formuliert es im Gespräch mit dem Venture Capital Magazin so: „Ich als Staat gebe dir Studierender Geld, damit du dir ein ordentliches Studium finanzieren kannst, und du suchst dir deinen besten Anbieter aus!“
Aufgrund ihrer Skalen- und Verbundeffekte sehen die Großunternehmen hohe Rentabilitätschancen im deutschen Bildungsmarkt, das Wachstum wird z.B. über Private Equity-Fonds (SRH) und Anleihen(Klett) finanziert. Auch über Börsengänge wird nachgedacht, nach dem Vorbild erfolgreicher Gesundheitsunternehmen. Eine börsennotierte Bildungs-AG gibt es in Deutschland noch nicht, aber das ist für die Großen durchaus ein Ziel, wie Hekking von SRH im Venture Capital Magazin zu verstehen gibt. Bevor Hochschulbildung „börsenfähig“ wird, sind jedoch noch einige politische Parameter zu ändern. Es ist zu erwarten, dass die expandieren Privathochschulketten hier nicht locker lassen.
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