Dienstag, 30. November 2010

Subventionen: "Die Kunst der Bevorzugung aller gegen alle"

Götz Aly ist immer für provokante Zitate aus der Geschichte gut. In seiner Kolumne "Die Kunst der Bevorzugung" schreibt der Sozial- und Wirtschaftshistoriker heute in der Berliner Zeitung:

"Wer wissen will, mit welchen Tricks die Merkel-Regierung Steuer- und Subventionspolitik betreibt, soll Ludwig Bamberger lesen. Obwohl seit 111 Jahren tot, schrieb er darüber so aktuell, als würde er im Bundeskabinett lauschen."

Der Nationalliberale Bamberger war 1848 Revolutionär und Abgeordneter in der Paulskirche, im Kaiserreich Mitgründer der Deutschen Bank, Reichstagsmitglied und Finanzpolitiker ("Vater der deutschen Mark und der Reichsbank"), zunächst Unterstützer Bismarcks - aber dann dessen erbitterter Gegner, als Bismarck sich einer Schutzzoll- und Klientelpolitik zugunsten von Großagrariern und Stahlbaronen von liberalen Ideen des freien Wettbewerbs verabschiedete. Aly zitiert aus Bambergers Kommentar zur deutschen Steuerpolitik 1881 und 2010:
"Die Kunst der Bevorzugung aller gegen alle besteht in dem Geheimnis: Wenigen berechenbare wirkliche Vorteile und Vielen unberechenbare eingebildete Vorteile zuzuwenden, ebenso Wenigen berechenbare geringe Lasten und Vielen unberechenbar große Lasten aufzuerlegen.

Wie alle innerlich unwahren Systeme kommt auch dieses nicht aus ohne zweierlei Maß und Gewicht. Solange es sich um Maßregeln zum Vorteile der wirklich Begünstigten handelt, stellt man sich auf den Boden des sogenannten praktischen Verstandes.

Der einzelne Fabrikant oder Grundbesitzer holt seine Bücher herbei und weist mit Ziffern nach, dass er nicht bestehen könne, wenn man ihm nicht Sicherheit gebe, gewisse Preise zu erzielen. Macht jemand den Einwurf, dass solche Vorteile nur unter entsprechender Beschädigung der anderen eingeräumt werden können, so erhebt sich der ,praktische Verstand' mit dem Schrei der Entrüstung gegen die Theorie, die mit allgemeinen Betrachtungen das handgreiflich Fassbare wegdemonstrieren wolle.

Nicht so jedoch, sobald es gilt, den Vielen die Vorteile zu Gemüte zu führen, welche ihnen aus der Begünstigung der Einzelnen angeblich erwachsen.

Ein Dutzend Fabrikanten bringt es bei einiger Geschicklichkeit nicht selten fertig, dass ein Volksvertreter ihnen gegenüber in Meinungsabhängigkeit gerät; gleicherweise eignen sich sogenannte Sachverständigenkollegien ihrer Natur nach viel mehr dazu, die großen Interessen einer konzentrierten Minderheit als diejenigen der ihrer Vorteile viel weniger kundigen Gesamtheit zum Ausdruck zu bringen." (Bamberger, Sezession, Berlin 1881.)
Die schwarz-gelbe Politik, so Aly, funktioniere nach dieser vor 130 Jahren beschriebenen Methode. Allerdings, müsste man ergänzen, funktioniert das nicht nur bei Merkel/Westerwelle so. Es klappt auch bei anderen Regierungen ziemlich gut.

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