Da professionelle Interessenvertreter sich in den meisten Staaten registrieren müssen und teilweise sehr strengen Offenlegungspflichten unterliegen, die bisweilen deutlich über die Bundesvorschriften in Washington hinaus gehen, definieren regionale Staatsparlamente die Tätigkeit relativ genau in eigenen Gesetzen.
Im vergangenen Jahrzehnt haben zahlreiche US-Staaten ihre Lobby-Gesetze substanziell verändert und verbessert, auch als Antwort auf zahlreiche Skandale und Affären (siehe Untersuchungen des Center for Public Integrity).
Eine Schwierigkeit besteht stets darin, Profi-Lobbyisten von normalen Bürgereingaben und ehrenamtlicher Amateur-Lobby abzugrenzen. Fast immer bezieht sich die Lobbyisten-Definition daher über das Salär. Also: Wer für Geld lobbyiert, ist ein Lobbyist – und fällt unter die Vorschriften. Einige Staaten machen es allerdings komplizierter und definieren Schwellenwerte: wer so-und-so-viel Geld bekommt und so-und-so-viel Stunden Lobbyarbeit betreibt, ist ein Lobbyist.
Interessant sind die vielen Ausnahmen, die nicht Lobbying darstellen. Wer z.B. an Ausschussanhörungen als Betroffener oder Sachverständiger teilnimmt, an allgemeinen Versammlungen und Treffen teilnimmt, Briefe schreibt oder nur Smalltalk mit einem Politiker macht, fällt aus der Definition.
In einigen Gesetzen werden Vertreter von Behörden beim Gespräch mit anderen Institutionen explizit ausgenommen, ebenso wie Pressevertreter. Aus europäischer Sicht klingt das selbstverständlich – ist es aber nicht.
- In einigen US-Staaten fallen Vertreter von staatlichen Institutionen durchaus unter die Lobbyisten-Rubrik.
- Nicht jeder Vertreter einer Publikation ist ein unabhängiger Journalist; um zum Beispiel zu verhindern, dass sich Verbands- und Unternehmensvertreter mit dem Presseausweis ihres Hausblatts Zugang verschaffen (auch davon hat man in Europa und Deutschland schon gehört) und sich an den Lobby-Vorschriften vorbeimogeln, wird genau geprüft.
Beispiel Wisconsin –
Von der Lobby-Lizenz bis zum amtlichen Tagesbericht
Der stets fortschrittliche Staat Wisconsin gilt als Vorreiter bei der Lobby-Überwachung mit seiner Datenbank "Eye on Lobbying". Wer mehr als vier Tage pro Halbjahr lobbyiert und mit anderen als den eigenen Wahlkreisabgeordneten spricht, fällt unter ein umfassendes Registrierungs- und Überwachungssystem.
Profis benötigen eine Lobby-Lizenz und müssen halbjährlich Protokolle ihrer Aktivitäten einreichen, und zwar tagesgenau. Damit das gut klappt, bietet das Government Accountability Board sogar von Amts wegen Lobby-Seminare an.
Rund 800 Organisationen haben sich registriert, fast 900 Lobbyisten haben eine amtliche Lobby-Lizenz. Gesamtbudget der Staats-Lobbyisten: über 60 Mio. Dollar. Gesamte Zeit, die diese Interessenvertreter für Lobbyaktivitäten amtlich meldeten: Fast eine halbe Million Stunden Arbeitszeit.
Die Historie:
- Erste gesetzliche Vorschriften für Interessenvertreter beim Staatsparlament gab es schon 1858 (!). Hintergrund war die massive Einflussnahme der Eisenbahngesellschaften auf die Landverteilung. Ein handfester Skandal sorgte für Regulierung, “to protect the people against corrupt and secret influences in matters of Legislation”, so formulierten die Parlamentarier damals.
- Seit 1899 gibt es ein Pflicht-Register für Lobbyisten, einschließlich der verpflichtenden Offenlegung der Budgets für die Lobby-Tätigkeiten.
- 1947 wurde es für Lobbyisten zur Pflicht, sich alle zwei Jahre eine Lizenz zu besorgen. Übrigens gebührenpflichtig (heute $400 bzw. $650 für Vertreter mehrerer Interessen).
- 1989 Das Wisconsin Ethics Board wird eingerichtet und übernimmt sämtliche Registrierungs- und Überwachungsaufgaben (seit 2008: Government Accountability Board).
- 1997 Auftraggeber von Lobbyisten müssen innerhalb von 15 Tagen nach erster Kommunikation zu einem Gesetz- oder Vorschriftenentwurf ihr Interesse offiziell eintragen lassen und kontinuierlich angeben, wen und wie sie zu welchem Thema lobbyieren.
- 1999 Die Vorschrift wird auf Vorentwürfe ausgedehnt, die noch gar nicht im Parlament eingebracht worden sind – gleiches gilt für Vorschläge von Verwaltungsvorschriften.
Und die Übersicht mit zahlreichen Berichten und Statistiken, wer zu was wen lobbyiert und wer wen bezahlt, lässt kaum noch Wünsche offen.
Die Definition, was Lobbying und was ein Lobbyist in Wisconsin sind, lässt sich im "Lobbying Law", Subchapter III, Chapter 13, Wisconsin Statutes, nachlesen:
LOBBYING means the practice of attempting to influence legislative or administrative action by oral or written communication with any elective state official, agency official or legislative employee, and includes time spent in preparation for such communication and appearances at public hearings or meetings or service on a committee in which such preparation or communication occurs.Der Berufsverband, die Association of Wisconsin Lobbyists, begleitet die Regulierung des GAB natürlich kritisch. In den Verband aufgenommen kann gleichwohl nur, wer beim Staat auch als Lobbyist eingetragen ist.
LOBBYING COMMUNICATION means an oral or written communication with any agency official, elective state official or legislative employee that attempts to influence legislative or administrative action, unless exempted under s. 13.621.
LOBBYING EXPENDITURE means an expenditure related to the performance of lobbying, whether received in the form of an advance or subsequent reimbursement. The term includes an expenditure for conducting research or for providing or using information, statistics, studies or analyses in communicating with an official that would not have been incurred but for lobbying.
LOBBYIST means an individual who is employed by a principal, or contracts for or receives economic consideration, other than reimbursement for actual expenses, from a principal and whose duties include lobbying on behalf of the principal. If an individual's duties on behalf of a principal are not limited exclusively to lobbying, the individual is a lobbyist only if he or she makes lobbying communications on each of at least 5 days within a reporting period.
Wisconsin ist nicht frei von Lobby-Skandalen, und der bürokratische Aufwand für Registrierung, Reporting und Beachtung der Vorschriften ist enorm.
Die Transparenz ist allerdings auch beachtlich. Unter anderem ist der Staat stolz darauf, dass er durch die Vorschriften den großen, ressourcenstarken Lobbies ein wenig den Vorteil nimmt – die meisten registrierten Organisationen sind klein, genießen einige Vorteile (z.B. reduzierte Gebühren und Erleichterungen bei den Berichtspflichten) und können viel leichter nachvollziehen, an was die "Großen" arbeiten – und das, dank der Regelungen von 1999, Wochen, bevor im Parlament die Entwürfe eingebracht werden. Das will der Staat als Herstellung von etwas Waffengleichheit verstanden wissen.
Zugleich sind die Vorschriften so konstruiert, dass Nicht-Profis, also einfache Bürger und ehrenamtliche Organisationen, keine Hindernisse in den Weg gelegt werden, wenn sie lobbyieren wollen. Solange sie die Schwellenwerte nicht überschreiten, werden sie amtlich auch nicht als Profis behandelt und werden mit dem Aufwand der Meldepflichten nicht belastet.
Es gibt andere Staaten, die manches besser machen als Wisconsin. Die Watchdog-Gruppe Wisconsin Democracy Campaign beispielsweise hat vieles auszusetzen und zu verbessern, im Zweifelsfall mit mehr Vorschriften. Auf der anderen Seite fühlen sich viele – etwa Rechtsanwälte – durch die Regel- und Formularflut eingeengt und in die Ecke des Lobbyisten gedrängt, wo sie ihrer Meinung nach gar nicht hingehören.
In seiner historischen Tradition als Heimat der "progressive politics" – nicht zufällig verbunden mit dem starken Einfluss skandinavischer und deutscher Einwanderer – versteht sich Wisconsin aber als Schrittmacher der Integrität in öffentlichen Angelegenheiten.
"Political Market" — Karikatur aus der Zeitschrift Harper’s Weekly (12. Juni 1858) zum Eisenbahn-Land-Skandal:
Conscientious Rail-road President to Dealer: “Ah! Let me see. I think I’ll take this bunch of Legislators at $5000 a head. The Senators, at - what price did you say?”
Dealer: “Can’t afford ‘em less than $10,000 each.”
R.R.P.: “Well, hand them over. I suppose I’ll have to take the lot.”
Dealer: “Anything else to-day? I have a lot of Editors, at various prices, from a Thousand down to Fifty Cents.”
R.R.P.: “No, nothing in that way, to-day. But I want a Governor very much indeed, and will stand $50,000 for him. Get me a Wisconsin one, if possible!”
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