Donnerstag, 2. Dezember 2010

Zertifikate-Missbrauch: Wenn Etiketten Märkte machen

Die Prüfsiegel von TÜV und Co. knöpft sich Zimmerlings PA-Blog im Beitrag "Zertifizierungen – Langweiliges Thema mit Sprengkraft" vor. Langwierig, teuer, komplex seien Zertifizierungen, besonders internationale, und hätten nicht nur Marketingpotenzial, sondern umgekehrt auch das Potenzial, Kunden gehörig zu verunsichern. Und gestritten werde auch gehörig, jüngster Fall TÜV gegen OBI (bei Spiegel Online).

Der TÜV Rheinland wirft der Baumarktkette Missbrauch seines angeblich unlizensierten "GS"-Zeichens ("Geprüfte Sicherheit", siehe Bild links, Quelle: Wikipedia) vor, und der kontert: "Wenn etwa der asiatische Hersteller des Werkzeugs ein Hauptzertifikat für die Verwendung eines GS-Zeichens besitze, brauche ein hiesiger Vertreiber wie beispielsweise Euromate [OBI-Eigenmarke] keine Co-Lizenz mehr."

Herrje! Die komplizierte Welt globalisierter Handelsprodukte: Asien, Hauptzertifikate, Co-Lizenzen. Und so viel Juristenlatein für ein paar billige Häcksler und Elektrogrills.

Aber: Etablierte Prüfzeichen sind eine reichlich Cash-generierende Marke, die der sich gern quasi-staatlich gebende TÜV bis zur letzten Patrone des gewerblichen Rechtsschutzes verteidigt wie Coca-Cola sein Flaschendesign und Adidas seine drei Streifen.

Nein, bei "GS" versteht der TÜV keinen Spaß. Erstens, weil er Prüfleistungen verkaufen will. Zweitens, weil er - zusammen mit wenigen anderen Organisationen - das lukrative Geschäft im Staatsauftrag erfüllt, dank §7 des Gesetzes über technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte (Geräte- und Produktsicherheitsgesetz - GPSG).

BRITA-Manager Thomas Zimmerling schreibt: "In meiner bisherigen Berufslaufbahn habe ich gelernt, dass das scheinbar langweilige Thema Produktzulassung gehörige Sprengkraft entfalten kann und deshalb mit besonderem Augenmerk betrachtet werden sollte."

Wahr, wahr. Prüfsiegel und technische Zulassungen sind ein verstecktes, aber ziemlich heißes Public-Affairs-Thema. Normen, Standards, Zertifikate entscheiden über Marktzutritt und Wettbewerbschancen, sind viel Geld wert und ein weiteres Beispiel dafür, dass der Staat wichtige Entscheidungen gerne an Expertenzirkel wegdelegiert, um sich selbst zu entlasten. Für die Staatsbeauftragten stets ein gutes Geschäft, mit dem sich weltweit Einkünfte generieren lassen.

Immer mit vorn dabei die TÜV-Konzerne mit einer einflussreichen Lobby - gerade Deutschland gab den Technikexperten schon immer viel Macht in die Hand. Siehe dazu den Beitrag hier im Blog "TÜV im BDI - Neues von einer Traditionslobby".

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