Freitag, 23. September 2011

Österreich: Zweiter Public-Affairs-Verband setzt neue Akzente

Die Auseinandersetzung um das geplante Lobby-Gesetz hat in Wien zur Gründung eines neuen Berufs- und Branchenverbandes geführt. Der Österreichische Public Affairs-Verband (ÖPAV) steht seit 13. September PA-Verantwortlichen in Unternehmen, Verbänden und NGOs sowie selbstständigen Beratern offen. Er versteht sich als "Standesvertretung". Der Verband nimmt persönliche Mitglieder auf, keine Organisationen. Unter den veröffentlichten Mitgliedern ist eine starke Fraktion den Beratungsfirmen zuzurechnen. Rechtsanwaltskanzleien sucht man noch vergebens.

Der ÖPAV will jedoch "Diversität" sowohl bei der Mitgliedschaft als auch bei den Inhalten zeigen, er spricht von einer "Zusammenführung aller Disziplinen unter dem Dach der Public Affairs", von Lobbying über Issues und Stakeholder-Management bis zur CSR soll der brancheninterne Wissensaustausch reichen. ÖPAV bietet sich als "institutioneller Ansprechpartner für Politik und Verwaltung in Fragen der rechtlichen Rahmenbedingungen für Public Affairs" an, verfolgt Professionalisierung, Identitätsbildung und Öffentlichkeitsarbeit.

Als "Lobby fürs Lobbying" besteht bereits seit 2004 das Austrian Lobbying and Public Affairs Council (ALPAC). Die Initiatoren und Träger sind teilweise dieselben wie beim ÖPAV. Insofern ist von einer Konkurrenz nicht auszugehen -- oder ist eine Fusion geplant? ÖPAV-Vizepräsident Peter Köppl, dessen Geschäftspartner Andreas Kovar als Vorstand bei ALPAC engagiert ist, sagt auf Anfrage: "Nein, die beiden werden nicht zusammengeführt." Er erklärt den Unterschied: "ALPAC ist der Verband der Eigentümer von Interessenvertretungsunternehmen (IVUs) wie es das bei uns kommenden Lobbying-Register-Gesetz tituliert, ÖPAV ist der breit aufgestellte Branchenverband."
Als ÖPAV-Präsident fungiert Feri Thierry (Thierry Politikberatung), sein Vizepräsidenten sind Ortrun Gauper (Superfund Asset Management Österreich), Manuell Güll (Imperial Tobacco Austria), Veronika Haunold (NPO-Frauennetzwerk), Peter Köppl (Kovar & Köppl) und Ronald Pickler(GlaxoSmithKline und Pharma-Forum FOPI). Der Vorstand lässt sich durch einen wissenschaftlichen Beirat beraten.

Gründungsimpuls: Konflikte um das neue Lobby-Gesetz
Offenbar ist der Auslöser für die Verbandsgründung die Unzufriedenheit mit der Vertretung der eigenen Interessen (siehe Blogbeitrag vom 9.8.: "Österreich: Das strengste Lobbyregister der Welt - mit einigen Macken"). Die von Köppl erwähnten "Interessenvertretungsunternehmen" (IVU) wurden im Gesetzentwurf hervorgehoben und besonderen Pflichten unterzogen. Der Verband konstatiert: "Die jüngsten politischen Ereignisse und Entwicklungen in Österreich haben gezeigt: Die Branche der Interessenvertreter/innen in Österreich ist bisher weder ausreichend konstituiert noch klar positioniert."

In der österreichischen Spielart des Korporatismus beanspruchen Kammern und Spitzenverbände in Österreich eine privilegierte Sonderstellung als halbstaatliche institutionelle Selbstverwaltungskörperschaften Interessenvertretungen, die sich vom sonstigen Lobbying unterscheiden will. Das hierfür genutzte Etikett "Sozialpartner" wird in Österreich anders verstanden als in Deutschland -- die Sozialpartnerschaft hat Quasi-Verfassungsrang, was sich durchaus von der deutschen Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie deutscher Sozialpartner unterscheidet.

Dass der Konsens über die Interessenvertretung durch die Sozialpartner etwas bröselt, hat auch mit der Rolle von NGO/NPO zu tun, die ähnlich wie Unternehmen und Beratungsfirmen massiv an Bedeutung gewonnen haben. ÖPAV-Vizepräsidentin Haunold sieht es so: „Gerade in Österreich sind Public Affairs besonders wichtig, weil es neben den Sozialpartnern auch andere gesellschaftlich relevante Positionen gibt, die eine Öffentlichkeit brauchen.“

Verhaltenskodex, Transparenzversprechen und Erfolgshonorare
Wie ALPAC hat sich der ÖPAV gleich einen Verhaltenskodex gegeben. Nach dem Verbandsverständnis geht dieser über die Vorschriften im Lobby-Gesetzentwurf hinaus, etwa bei der Unvereinbarkeit einer ÖPAV-Mitgliedschaft mit parlamentarischen Mandaten und Ämtern. Außerdem will der ÖPAV seinen Verhaltenskodex durch ein klar geregeltes Verfahren bei Kodexverstößen absichern. Die Deutsche Gesellschaft für Politikberatung (degepol) entwickelte dies erst Jahre nach der Kodexveröffentlichung. Der ÖPAV beruft dafür eine Kommission mit externer Beteiligung durch einen Richter. Anzeigen dürfen Kodexverstöße nicht nur ÖPAV-Mitglieder, aber auch nicht jedermann -- sondern nur "politische Entscheidungsträger, Medienvertreter oder Vertreter der Zivilgesellschaft".

Der Verband will "ein klares Zeichen der Transparenz und Qualität" setzen. Interessant ist dabei auch eine Regelung von Erfolgsprovisionen -- ein Thema, dass auch die PR-Branche seit langem beschäftigt. Diverse internationale Verhaltenskodizes sehen solche Erfolgshonorare zum Teil als unprofessionell und ethisch fragwürdig an, jedoch haben sie in der Praxis der Auftragsvergabe Verbreitung gefunden. Der ÖPAV-Kodex verwirft sie nicht grundsätzlich, sagt aber immerhin: "Ausschließlich oder überwiegend erfolgsabhängige Entgeltvereinbarungen werden von ÖPAV-Mitgliedern weder angeboten noch angenommen."

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