Sonntag, 28. Februar 2010

Die Zugangsprivilegien ehemaliger Parlamentarier

Ehemalige Abgeordnete spielen in der Public Affairs-Szene eine wichtige Rolle. Gelegentlich tauchen Forderungen nach Karenzzeiten (Cooling-off period) auf. Die haben meist keine Chance, weil Abgeordnete ja auch freie Berufswahl haben. Trotzdem ist es ein heißes Eisen, dass Ex-Parlamentarier sich ihres Status' bewusst sind und sich organisieren, um ihre Interessen zu wahren, in der Vereinigung ehemaliger Mitglieder des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments, VMDB mit heute 734 Mitgliedern -- und gewisse Privilegien genießen. Zum Beispiel haben sie laut Hausordnung automatisch Zugangsberechtigung zu den Bundestags-Gebäuden. Ihre 1977 gegründete Vereinigung erhält Zuschüsse aus dem Parlamentshaushalt und hat den Sitz vis-à-vis vom Reichstag im Reichstagspräsidentenpalais, auch Sitz der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft. Die Adresse ist auch Treffpunkt für Lobbygespräche -- wenn ein Abgeordneter (oder ehemaliges MdB) sie einlädt, dürfen auch externe Gäste ins Haus, und das geschieht jeden Tag.

In Großbritannien heißt die Ehemaligen-Vereinigung Association of Former Members of Parliament.

In London werden die Privilegien der Ehemaligen heute von der Sunday Times thematisiert. Was in Deutschland Gewohnheit und Teil der Parlaments- (und Lobby-) Kultur ist, sehen die Briten offenbar kritisch.

Laut Times-Bericht gibt es im britischen Parlament eine von der Ehemaligen-Vereinigung beeinflusste neue Vereinbarung, dass fast alle Abgeordneten, die bei der anstehenden Wahl ihre Sitze verlieren oder nicht antreten, dennoch vollen Zugang zu den Parlamentsgebäuden behalten — und zwar lebenslang. Bisher wurde dies nur langjährigen MPs zugestanden, die drei Wahlperioden einen Sitz innehatten. Das Problem liegt darin, dass eine gewisse Zahl der Ex-MPs als Lobbyisten zurückkehren wird.

Herausgefunden hat das die Watchdog-Gruppe Spinwatch, die sich zwei Jahre lang mit der Parlamentsverwaltung einen Rechtsstreit unter dem Informationsfreiheitsgesetz geliefert hat, um entsprechende Dokumente sichten zu dürfen.

Nach den alten Regeln wurden 200 Ex-Abgeordnete mit ständigen Hausausweisen ausgestattet; 25 von ihnen arbeiten für Lobby- und PA-Gesellschaften.

Zwar gibt es in der Parlamentsgeschäftsordnung eine Vorschrift, dass Ex-MPs ihren Hausausweis nicht zu Lobbying-Zwecken benutzen dürfen, aber tatsächlich kann man sie davon nicht abhalten.

Die neuen Regeln wurden u.a. vom früheren Vorsitzenden des Committee on Standards in Public Life, Sir Alistair Graham, kritisiert. “Wenn man aufhört, Parlamentsmitglied zu sein, sollte jeder privilegierte Zugang beendet werden. Sie sollten normale Bürger sein und sich wie der Rest von uns in die Schlange stellen. Das ist offen für Missbrauch", wird er von der Times zitiert. "Zugang zum Parlament ist ein Anreiz für Lobby-Agenturen, ehemalige Abgeordnete zu beschäftigen. Das ist wie ein Teil von Pensionsanprüchen und zutiefst unangemessen."

Laut Times ist das Problem deshalb besonders groß, weil 2010 voraussichtlich besonders viele Abgeordnete ausscheiden werden. Nach dem Spesenskandal 2009 haben 76 Abgeordnete angekündigt, nicht wieder zu kandidieren, insgesamt werden 141 nicht erneut antreten.

Hinter den Kulissen hat die Ehemaligen-Vereinigung ihre Kollegen kräftig lobbyiert, um keine Besucherausweise am Revers tragen zu müssen. Ergebnis: Nach den neuen Regeln hat jedes MP, das eine Wahlperiode im Hohen Haus gesessen hat und die Wahl verliert, Anspruch auf den lebenslangen Hausausweis. Jeder Abgeordnete, der mehr als eine Wahlperiode MP war, bekommt ihn automatisch, egal, ob er die Wahl verliert oder einfach nicht mehr antritt. Wer nicht zu den beiden Gruppen gehört und trotzdem ausscheidet, kann vom Speaker - dem Parlamentspräsidenten - trotzdem einen Hausausweis erhalten.

Zu den Privilegien gehört, dass sie sich nicht in die Schlangen vor den Besucherschleusen einreihen müssen, sie dürfen in die Parlamentsrestaurants, Teeräume und Cafés, sie dürfen die Veranstaltungsräume wie die Mandatsträger buchen und Gäste einladen. Sie müssen nicht mehr den Umweg gehen und amtierende Abgeordnete bitten, dies für sie zu tun, wie es oft passiert.

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