- wachsende Professionalisierung im Management – weniger Frühstücksdirektoren und nach Brüssel abgeschobene Veteranen aus Unternehmen, mehr EU-Profis und gelernte Verbandsmanager;
- verbesserte Integration traditioneller PA-Arbeit und Kommunikation, um das Umfeld und Meinungsklima für das Lobbying zu verbessern. Das liege vor allem daran, dass sich die politischen Akteure in Brüssel - EP-Abgeordnete, Kommission und Rat – deutlich mehr an der öffentlichen Meinung orientierten; was unpopulär ist, gehe heute wesentlich schwerer durch als früher;
- mehr Bündnisse und gemeinsame Kampagnen, analog zur Bündnispolitik der NGOs, oft ad hoc gebildet und durch Kampagnen oder Regulierungsabsichten ausgelöst. Ein Beispiel dafür ist die Koalition, die Energiekonzerne, Versorger und Umweltgruppen gebildet haben, um EU-Subventionen für die CCS-Technologie (Carbon Capture & Storage) zu beschaffen; ein anderes Beispiel sind Bündnisse, die sich entlang der Logistik- und Wertschöpfungskette von Branchen bilden – etwa im Lebensmittelbereich und Landwirtschaft, wo genmodifizierte Nahrung auf vielen Ebenen Probleme bereitet. Ähnlich in der Chemieindustrie.
- mehr duale Interessenvertretung durch Unternehmen und Verbände, wobei Großunternehmen teilweise dominieren und die schwierigen Konsensbildungsprozesse zwischen Brüssel und den nationalen Verbänden umgehen;
- Outsourcing bestimmter Kompetenzen, was der Autor als Teil der Professionalisierungsprozesse sieht. Dies könne von der Mandatsgeschäftsführung über die Auslagerung einfacherer Sekretariatsfunktionen bis zum Mitgliedermanagement und zur Zuarbeit technischer oder Kommunikations- oder Lobby-Experten reichen. Mehr Wirkung und höhere Effizienz bei geringeren Kosten solle dabei das Ziel sein;
- breitere Kommunikation zur Absicherung von Legitimität und Akzeptanz: Zunehmend müssten Verbände “permanent campaigning” betreiben, verstanden als nachhaltige und dauerhafte Öffentlichkeitsarbeit, um ihre Legitimität zu belegen und grundsätzliche Akzeptanz zu gewinnen – ausgelöst durch intensivere gesellschaftliche oder politische Kritik, durch wirtschaftlichen Wettbewerb, neue Technologien. Als Beispiel nennt der Autor die Sojaindustrie – aufgeschreckt durch das Risiko neuer Regulierung, habe die Branche es verstanden, die Vorzüge ihrer Produkte wieder breiter zu kommunizieren;
- Digitalisierung und mehr Einsatz neuer Medien. NGOs werden, meint der Autor, auch zum Vorbild beim Einsatz von E-Mitgliedermedien, Mitglieder-Websites, Datenbanken, Blogs, Twitter und anderen Social Web-Anwendungen, Kampagnentools u.a. Ein Beispiel dafür seien die Pestizidhersteller: Als um eine neue Gesetzesgrundlage für ihre Produkte ging, hätten diese Web-basierte Dialoge genutzt, um ihre Kunden - vor allem Bauern - dazu zu mobilisieren, um Parlament, Kommission und nationalen Ministerien ihre Sicht der Dinge mitzuteilen.
Was treibt diese – überwiegend nicht ganz neuen, aber sicher verstärkten – Trends? Der Autor meint diese "change drivers" auszumachen:
- Gesetzgebung und Regulierungsverfahren sind zunehmen komplex und sektorenübergreifend, womit die Zahl der beteiligten Interessen und Einflussnehmer wächst - die Zahl der beteiligten Staaten ebenfalls. Vor wenigen Jahren, meint er, wäre der Kreis bei Projekten noch übersichtlich gewesen: Eine Generaldirektion der Kommission sei befasst gewesen, ein Parlamentsausschuss, einige einflussreiche Regierungsvertreter aus den Mitgliedstaaten und eine Handvoll Unternehmen und NGOs. Die hätten die Entscheidung über ein Thema unter sich ausgemacht. Nun sei immer häufiger zu beobachten, dass mehrere GDs, mehrere Ausschüsse und eine große Zahl externer Interessenvertreter mitverhandelten — und das bei wachsender Beobachtung durch die Medien und Öffentlichkeit.
- Die Verbandsmitglieder selbst trügen zur Veränderung bei. Die Finanz- und Wirtschaftskrise habe viele Unternehmen dazu getrieben, ihre Kosten zu überprüfen und auf mehr Effizienz zu drängen. Mitgliedsbeiträge von Verbänden stünden als möglicherweise zu streichende Ausgabe auf dem Prüfstand. Folge: Mitgliedsunternehmen machen Druck auf die Verbandsmanager, aus den verfügbaren Ressourcen mehr herauszuholen – und klar aufzuzeigen, worin der Wertbeitrag der Verbandsaktivitäten liegt. Und: Das Management- und Fachpersonal der Mitgliedsunternehmen hat weniger Zeit, um sich in die Verbandsarbeit einzubringen.
- Der Erfolg vieler Organisationen der "Zivilgesellschaft" – vor allem Umwelt- und Verbraucherschutzgruppen –, die erfolgreich Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit miteinander verknüpfen, habe viele Verbände wachgerüttelt. Die Arbeit der Wirtschaftsverbände nähere sich der der NGOs an: mehr externe Kommunikation und Einsatz neuer Medien, mehr Einbindung wichtiger Stakeholder.
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