Samstag, 27. Februar 2010

Platin-Fundraising und Preisstaffeln

Jetzt weiß Deutschland auch, was bei der CDU ein "Platin-Sponsor" ist und wie die Staffelung der Preise bei Partei-Veranstaltungen so aussieht. Neue Berichte über das Rüttgers-Sponsoring bei der taz, bei der Süddeutschen(hier und hier) und dem WDR. Laut taz wurden Sponsoren für den Zukunftskongress der NRW-CDU in Neuss am 5. März folgender Preisstaffel geworben:

Für 5.000 Euro gibt es einen Ministand und ein paar Freikarten für die Abendveranstaltung. Für 16.000 Euro ("Partnerpaket III") kommt man hingegen in den Genuss einer "moderierten Roadshow mit Herrn Dr. Jürgen Rüttgers", wie der Besuch an Messeständen im Marketing-Sprech heißt. Außerdem im Paket: "Platzierung eines Vertreters Ihres Unternehmens an den Top-VIP-Tischen" am Abend.
Organisiert von der Kölner Agentur bi:vent, die auch Veranstaltungen für die CDU-nahe "Initiative Forum Zukunft" managt. Deren "Innovationskongress" im alten Bundestag in Bonn folgt einem ähnlichen Konzept, so die taz: Ein Platz an den "Top-VIP-Tischen" kostet hier sogar 22.000 Euro. Beispiel: Ströer Deutsche Städte Medien (DSM, stets eng im Gespräch mit Kommunalpolitikern, aus naheliegenden Gründen) wurde ein ein solcher "Platin-Sponsor" und bekam auch ein Foto mit Rüttgers.

Wie vorausgesagt, wird weiter bundesweit recherchiert. Der Spiegel wurde bei der Sachsen-CDU fündig. Für kommenden Montag wurden Sponsoren der CDU-Veranstaltung "Denkfabrik Sachsen" vier "Präsentationsstufen" von 500 bis 8000 Euro angeboten; Stufen drei und vier beinhalten ein "kurzes Gespräch mit dem Landesvorsitzenden Stanislaw Tillich". Ab Präsentationsstufe drei (3900 Euro) wurde die Erwähnung ihres Firmennamens in der Begrüßungsrede des sächsischen CDU-Generalsekretärs Michael Kretschmer in Aussicht gestellt. Für Sponsoren der Stufe vier (8000 Euro) organisiert die CDU zudem noch "ein separates Fachgespräch im Rahmen der Veranstaltung", so der Spiegel. Man fragt sich: Fachgespräch mit wem? Fachminister, Fachpolitiker der Partei?

Die Süddeutsche berichtet: "Jahrelang finanzierte ein Zigarettenkonzern auf CDU- und SPD-Parteitagen die Versorgung der Teilnehmer und Gäste mit Essen und Trinken. Hübsche Mädchen verteilten dazu kostenlose Tabakwaren. Selbst die Grünen sammelten 2009 bei ihrem Berliner Kongress 76.000 Euro von 38 Ausstellern ein. Die Foyers mancher Tagungsorte gleichen inzwischen einer Messe."

Es ist leicht für die Journalisten, über die Praxis zu schimpfen. Inzwischen kommen aber auch differenzierte Kommentare. Die WirtschaftsWoche etwa kommentiert die Heuchelei vieler Politiker und Kritiker:

Was Wüst veranstaltet hat, war schlicht töricht in der Machart, nicht in der Sache. Das Angebot ist dreist und dumm: Wer 20.000 Euro zahlt, darf den Ministerpräsidenten sprechen. In der Sache aber, dem Sponsoring von Parteien ebenso wie dem von Turnvereinen oder anderen sozialen, karitativen und kirchlichen Institutionen, geschieht nichts Unrechtes. Und alle Parteien, die Sozialdemokraten genauso wie die Grünen, erhalten finanzielle Unterstützung von Bürgern oder Unternehmen und Vereinigungen. Ein demokratischer Staat muss ja gerade die Mitwirkung - auch die finanzielle - seiner Bürger wollen. Gewünscht ist doch, dass die Parteien eben nicht total aus der Staatskasse alimentiert werden. Nur muss immer wieder ganz klar deutlich werden, welche Mittel welcher Partei zufließen.
Richtig. Und die Transparenz, schon bei den Parteispenden aufgrund der hohen Veröffentlichungshürden und langen Verzögerung der Veröffentlichung nicht gut umgesetzt, ist bei den Nicht-Spenden-Einkünften der Parteien, besonders schlecht.

Die Akzeptanz oder Nichtakzeptanz der aggressiven Direkt-Vermarktung von Politiker-Nähe wäre vor allem eine Frage der politischen Kultur, wenn alles andere rechtlich sauber und für alle transparent wäre. Nun wird immer deutlicher, dass Regulierungsbedarf besteht.

Der Druck zu mehr Transparenz wird sicher nicht abnehmen. Der Druck der Schatzmeistereien, neue Einkünfte zu erzielen und etwa Großveranstaltungen projektgebunden zu finanzieren, aber auch nicht. Die NRW-CDU hat in den letzten Jahren besonders große Schritte bei der Perfektionierung ihrer Kampagnenkommunikation gemacht, das ging nur mit viel Geld und unternehmerischen Esprit sowie professioneller Beratung. Es ist kein Zufall, dass gerade dort Fehler passiert sind, die nun im grellen Scheinwerferlicht stehen.

In der Debatte muss man aber auch den Kirchturm im Dorf stehen lassen. Die Süddeutsche zitiert:
Ob sich der Aufwand für die Verbände und Unternehmen lohnt, hängt von den jeweiligen Erwartungen ab. Es ist ja nicht nur die Standmiete fällig. Auch Ausstattung und Mitarbeiter müssen für die Zeit bezahlt werden, zuzüglich der Hotelkosten.

"Uns reicht es schon, wenn wir auf so einem Parteitag mit zwei oder drei Bundestagsabgeordneten ins Gespräch kommen", sagt ein Aussteller zu sueddeutsche.de, der sich vor allem auf Bundesparteitagen - von den Grünen bis zur CDU - präsentiert. Ob dann ein Parteichef bei seinem obligatorischen Rundgang vorbeischaut oder nicht, ist letztlich nur noch für das Familienalbum interessant. "Länger als zwei, drei Minuten bleibt der ohnehin nicht", sagt der Insider, der nicht genannt werden will. Es sei ihm aber bisher von keiner Partei angeboten worden, gegen Geld Termine mit Politikern wahrzunehmen.

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