Montag, 15. März 2010

Anwaltskanzleien: "Die Herren der Welt" ?

Der Focus macht diese Woche auf mit "Die unheimliche Elite - Wie riesige Anwaltsfabriken Wirtschaft und Politik beeinflussen". Im Innenteil überschreibt Redakteurin Katrin Sachse ihren Report gar mit "Die Herren der Welt". Vielleicht etwas hoch gegriffen. Ihre Story beschreibt im Wesentlichen das, was das breite Publikum schon bei John Grisham gelesen hat und was in Wirtschaftsmagazinen auch zu finden ist. Dennoch umfassend recherchiert und konzis geschrieben, mit frischen Zahlen von Juve und Soldan. Mit einigen haarsträubenden Details, wie und was Kanzleien so in Rechnung stellen. Und mit Sympathie für die jungen Lohnknechte der Branche, die für ihre "Partner" zigtausende Stunden schrubben.

Das Thema Gesetzgebungs-Zuarbeit für Ministerien und Lobbying wird auch aufgegriffen. Erwähnt wird natürlich Freshfields Zuarbeit beim Finanzmarktstabilisierungsgesetz, Linklaters Projekt für Guttenbergs Gesetz zur Ergänzung des Kreditwesengesetzes, und auch die Involvierung von Nörr Stiefenhöfer Lutz beim Gesetz zur Beschleunigung für Hauptversammlungen, sowie diverse andere Projekte. Schließlich wird die Rolle thematisiert, die Anwaltskanzleien bei den umstrittenen Cross-Border-Leasing-Geschäften deutscher Kommunen spielten.

Aus dem Interview mit Wollburg von Linklaters:
Focus: Auch der Staat lässt sich häufig von internationalen Sozietäten beraten. Übernehmen Sie auch solche Aufträge?
Wollburg: Unsere Sozietät hat das Bundeswirtschaftsministerium beim Entwurf eines Gesetzesvorschlags zum Umgang mit Bankinsolvenzen beraten. Ich halte solche Mandate für unproblematisch, denn der Staat braucht externe Expertise, wenn komplexe Dinge schnell geregelt werden müssen. Das kann ein Ministerium nicht leisten.
Focus: Ist es gleichgültig, ob man einen Dax-Vorstand berät oder einen Minister?
Wollburg: Ich persönlich habe wenig Spaß daran, an Gesetzgebungsverfahren mitzuarbeiten. Ich berate lieber Unternehmer oder Vorstände, weil man einen direkten Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen hat.
(Man könnte ja eigentlich meinen, das genannte Gesetz habe ziemlich direkten Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen gehabt. Gemeint war wohl eher: Beim Staat lässt sich wenig verdienen, im Vergleich zu den Milliardendeals bei M&A.)

Die politische Transparenzdebatte allerdings spielt nur indirekt eine Rolle -- und gar nicht, dass das Thema Lobbyregister mit den Kanzleien derzeit kaum vernünftig zu besprechen ist. Die anwaltliche Sicht auf Ethik und "Ehrenkodex" des Berufsstands ist ja eine sehr spezielle. Focus hat stark die Perspektive der Anwälte eingenommen, wichtig aber wäre auch, die Ansichten anderer Akteure einzubeziehen.





Drei weitere Artikel zum Spezial-Thema:
Oppel, K. (2007, 19. April). Kanzleien fassen in der Welt des Lobbyings Fuß. Financial Times Deutschland.
Dowideit, A. (2005, 2. August). Der diskrete Charme einer Kanzlei.Wie Anwälte sich in Deutschland langsam das Geschäftsfeld Interessenvertretung erarbeiten.
Die Welt.

Barth, U. (2006, November). Distanzierte Nähe. Der lange Weg zur Public-Affairs-Beratung in Berlin. Juve Rechtsmarkt: Nachrichten für Anwälte und Mandaten, 9, 11, 23-30.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen