Mittwoch, 17. März 2010

Internationaler Währungsfonds: Lobbyisten sind systemisches Risiko für die Weltfinanz

Waren Lobbyisten Mitverursacher der Finanzkrise? Die Frage stellen viele, seitdem im Rückblick immer klarer wurden, dass die Nachsicht und Naivität der Regierungen (oder das Komplizentum, je nachdem) gegenüber der Finanzbranche mitverantwortlich sind für das Treiben der Zocker. Nur, wie kam es dazu?

Mitarbeiter des honorigen Internationalen Währungsfonds (IWF) haben sich dieser Frage in einem Forschungsbeitrag "A Fistful of Dollars: Lobbying and the Financial Crisis" angenommen. Deniz Igan, Prachi Mishra und Thierry Tressel recherchierten, rechneten, ließen Regressionen laufen und fanden:
  • Zwischen 2000 und 2007 lobbyierten die Banken und Darlehensgeber besonders aktiv rund um Fragen des Kreditwesens, z.B. bei Verbraucherschutzvorschriften und Sicherheiten mortgage lending (such as consumer protection laws) and Verbriefung, und sie wurden parallel ständig aktiver bei der riskanten Kreditvergabe und Verbriefung. Die Forscher beziehen sich bei der Messung der Lobby-Aktivitäten stark auf die öffentlichen Lobbyregister der USA, bei denen auch die Lobbying-bezogenen Ausgaben und die Gesetzesvorlagen, auf die die Unternehmen und Verbände Einfluss nehmen wollen, publiziert werden müssen.
  • Unternehmen, die stärker lobbyierten, zeigten auch laxe Standards im Geschäft und mehr Risikoverhalten. Das ökonomische Konzept des "Moral Hazard" wird angeführt: Der entsteht, wenn eine Belohnung dafür winkt, sich von den Spielregeln zu verabschieden. Die Forscher sehen genau diesen Mechanismus am Werk, weil sie auf Rettung durch den Staat hoffen durften – und es damit einfacher wurde, sich auf kurz- statt langfristige Renditen zu konzentrieren. Selbst als die Märkte 2005-06 viel wackliger wurden, machten die untersuchten Unternehmen munter weiter. Weil sie, wie vermutet wird, dafür politische Rückendeckung hatten und ausbauten.
  • Die Forscher meinen also durchaus, dass explizit die Lobby-Aktivitäten dazu geführt haben, dass sie von Politik und Aufsichtsbehörden zunehmend Freiraum erwarteten, diese riskanten Kreditgeschäfte in wachsendem Rahmen weiter betreiben zu können. Und, falsch es schief geht, mit einem blauen Auge davon zu kommen. Hohes Risiko im Geschäft, begrenztes Risiko bei der Haftung.
Das Paper ist empirisch gesättigt mit zahlreichen Variablen, Formeln und Tabellen (78 Seiten!). Die Kernaussagen aber haben es auch für Nichtökonomen in sich. Das für Wissenschaftler recht harte Fazit: Politischer Einfluss ist ein systemisches Risiko – ergo, wer künftigen Finanzkrisen vorbeugen will, muss den politischen Einfluss der Finanzwirtschaft schwächen. Originalzitat:
"Our analysis suggests that the political influence of the financial industry can be a source of systemic risk. Therefore, it provides some support to the view that the prevention of future crises might require weakening political influence of the financial industry."

Dazu auch Blogger Olaf Storbeck (31.05.10) und Handelsblatt (22.01.2010).

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