Dienstag, 9. März 2010

"Lobbyisten sind zum Glück fast immer einfach zu durchschauen"

Für "leicht zu durchschauen" hält Gesundheitsminister Philipp Rösler die Lobbyisten in seinem Politikfeld:

"Lobbyisten sind zum Glück fast immer einfach zu durchschauen. Von denen darf man sich nicht beeindrucken lassen", sagte Rösler gegenüber der "Leipziger Volkszeitung". (...) Zu seinem Arbeitsstil als Gesundheitsminister im Milliarden-Geschäft Gesundheit meinte Rösler gegenüber der Zeitung: "Mein Stil ist es nicht, laut zu klappern, aber wenig zu erreichen. Das überlasse ich lieber anderen. Ich arbeite intensiv mit meinen Fachleuten. Und erst, wenn die Konzepte gereift sind, werden diese öffentlich diskutiert."

Hmm. Zu "meinen Fachleuten" gehören zweifellos auch Interessenvertreter. Abgesehen einmal von der Personalie Christian Weber, vor kurzem stellvertretender Direktor des PKV-Verbands und nun Abteilungsleiter für Grundsatzfragen im BMG (nebenbei: sein Vorgänger Knieps war früher bei der AOK): Ohne die Zuarbeit der Lobbies und die Verhandlungen mit den Verbänden wird im Ministerium ganz sicher kaum eine Vorlage erstellt.

Sieht man sich die verhältnismäßig zahme Reaktion etwa von Cornelia Yzer vom VFA auf Röslers Vorstöße zur Pharma-Preispolitik an (auch u.a. bei "Anne Will", Sendung vom 7.3.), muss man annehmen, dass Röslers Fachleute vorher sehr genau vorgefühlt haben, was geht und was nicht. "Big Pharma" macht die Schaukämpfe defensiv mit und lässt sich wie gewohnt als Böseste der bösen Lobbies vorführen.

Hinter den Kulissen dagegen wird normal gefeilscht, Gespräche im Ministerium und fachöffentliche Positionierung von VFA, BAH, ProGenerika, BPI und Kassenverbänden lassen den Aufregungs-Pegel immer noch im grünen Bereich.

Die Akteure wissen, dass sie Rösler zugestehen müssen, dass er öffentlich ein paar Punkte macht. Die Koalition hat's bitter nötig, und einen besseren Minister werden sie sicher nicht bekommen, wenn sie Rösler jetzt schon zu viele Knüppel zwischen die Beine werfen. Auch da sind die Lobbyisten leicht zu durchschauen.

Die LVZ weiter:

Nach seinem Wechsel von der sächsischen Staatsregierung auf den Chefsessel des Bundeskanzleramtes hatte in der vorigen Legislaturperiode Thomas de Maizière (CDU) noch über den "verhängnisvollen Einfluss" der Lobbyisten auf den Gesetzgebungsprozess geklagt: "Bevor ein Vermerk den Minister erreicht, ist er schon bei der Energiewirtschaft und bei der Pharmaindustrie oder wo auch immer. Ich habe mir das aus der fernen Provinz wirklich so nicht vorstellen können."
Die Mitwirkung der Verbände ist allerdings offiziell festgeschrieben. In der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) heißt es zum Gesetzgebungsverfahren in §47:

§ 47 Beteiligung von Ländern, kommunalen Spitzenverbänden, Fachkreisen und Verbänden

(1) Der Entwurf einer Gesetzesvorlage ist Ländern, kommunalen Spitzenverbänden und den Vertretungen der Länder beim Bund möglichst frühzeitig zuzuleiten, wenn ihre Belange berührt sind. Ist in wesentlichen Punkten mit der abweichenden Meinung eines beteiligten Bundesministeriums zu rechnen, hat die Zuleitung nur im Einvernehmen mit diesem zu erfolgen. Soll das Vorhaben vertraulich behandelt werden, ist dies zu vermerken.
(2) Das Bundeskanzleramt ist über die Beteiligung zu unterrichten. Bei Gesetzentwürfen von besonderer politischer Bedeutung muss seine Zustimmung eingeholt werden.
(3) Für eine rechtzeitige Beteiligung von Zentral- und Gesamtverbänden sowie von Fachkreisen, die auf Bundesebene bestehen, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. Zeitpunkt, Umfang und Auswahl bleiben, soweit keine Sondervorschriften bestehen, dem Ermessen des federführenden Bundesministeriums überlassen.

Dieses Ermessen üben im Alltag natürlich auch die Referenten aus. Sie fangen ja nicht erst mit den Verbänden zu sprechen an, wenn der Referentenentwurf fertig ist, sondern schon bei der Erstellung der Vorentwürfe und ihrer Teile flitzen Emails hin und her. Die GGO sagt ja, "möglichst frühzeitig... wenn ihre Belange berührt sind".

Die "öffentliche Diskussion" erst ganz zum Schluss beginnen zu lassen, wie Rösler meint, ist dabei aber ein Wunschgedanke. Offenheit für fachlichen Input und komplette Verschwiegenheit aller Beteiligten passen in der Praxis nicht zueinander.

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