Montag, 1. März 2010

Wurschteln auf Arbeitsebene

"Ex-Politiker als Interessenvertreter im Trend, weil ein 'Wurschteln' auf Arbeitsebene im Notfall nichts bringt", resümiert EurActiv.de ein Interview mit Andreas Geiger, Rechtsanwalt bei Alber & Geiger (Brüssel und Berlin) und Autor des "EU Lobbying Handbook". Auszug aus dem Interview:

EurActiv.de: Herr Geiger, Sie verzeichnen einen Wandel der Lobby-Arbeit in Deutschland. Wird dieser Funktion in Unternehmen mehr Bedeutung beigemessen?

GEIGER: Absolut. Während früher Lobbyarbeit in Deutschland als "PR-Annex" begriffen wurde, setzt sich nun ein amerikanisches Verständnis durch. Die Cheflobbyisten werden jetzt als "Head of Government Relations" direkt an den Vorstand angedockt oder sind sogar Mitglied des Vorstands. Dies macht sich auch bei der inhaltlichen Qualität des Personals bemerkbar, für das diese Positionen neu geschaffen werden. So sind Volker Hoff bei Opel oder Dieter Althaus beim österreichischen Magna-Konzern nur zwei aktuelle Beispiele deutscher Spitzenpolitiker, die jetzt Unternehmenslobbyisten werden. 2008 ging der deutsche Botschafter Wolfgang Ischinger als Cheflobbyist zur Allianz, der deutsche Botschafter Wilhelm Schönfelder ging zu Siemens. In Washington werden schon seit langem solche Positionen mit ehemaligen US-Spitzenpolitikern und Wirtschaftsanwälten besetzt. Wir sind hier jetzt auf gutem Weg.

EurActiv.de: Welche Vorteile hat es für ein Unternehmen, wie etwa im Fall Althaus derart prominentes Personal für die Lobby-Arbeit zu engagieren?

GEIGER: Es geht dabei nicht so sehr um Prominenz, sondern um hochrangige politische Zugänge und ein Verständnis dafür, wie Politik funktioniert. Es gibt immer wieder Fälle, wo Sie schnell an politisch höchster Stelle aufschlagen müssen, um ein Desaster zu vermeiden. Das können nur politisch profilierte Persönlichkeiten, die schon lange im Geschäft sind. Ein "Wurschteln" auf der Arbeitsebene bringt Ihnen da gar nichts.

Hmm. Es stimmt schon, für schnelle Zugänge wirken prominente "Türöffner" manchmal recht effektiv. Dass Lobbyarbeit in der Bedeutung für Unternehmen wächst, ist sicher richtig; auch dass der Rang der Verantwortlichen etwas damit zu tun hat, ist korrekt.

Die Sache mit dem "PR-Annex" sollte man kritisch sehen, weil externe Kommunikation und die Beeinflussung des Meinungsklimas für erfolgreiche Lobbyisten zentral sein kann. Das muss Hand in Hand gehen. Nicht als "Annex", sicher, aber trotzdem integriert.

Aber ob die Rekrutierung von Ex-Politikern wirklich eine neue oder gar besonders amerikanische Facette ist? Und ein - "wir sind auf gutem Weg" — Fortschritt? Und eine neue "inhaltliche Qualität des Personals"?

Ex-Politiker machen per se keine guten Lobbyisten, besonders wenn es auf der Arbeitsebene keine tragfähigen Beziehungen gibt. Dieter Althaus als Supermann ohne Backup? Naja.

Und schließlich: Die Frage "Gehe ich an die politische Spitze oder an die Arbeitsebene?" ist eine alte und taktisch geprägt. Im Normalfall versucht man die Notfälle, in denen der Minister gegen den Widerstand der Arbeitsebene den Knoten durchschlagen muss, ja zu vermeiden.

Andreas Geiger spricht einige Trends richtig an, vor Fehlinterpretationen sei gewarnt. Und auf die seit einigen Jahren laufene Debatte Anwälte vs. Kommunikationsberater (siehe dazu die Welt und die FTD) hingewiesen. Zwischen den Branchen wird, auch wenn sie de facto ständig zusammenarbeiten müssen, mit harten Bandagen um Kunden gekämpft. Anwalt Geiger weiß das.

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