Montag, 22. März 2010

Wie ein Miettaxi

"I’m like a cab for hire – at up to £5,000 a day", warb der britische Ex-Verkehrsminister und Parlamentsabgeordnete Stephen Byers offenherzig für seine Dienste. Auf der anderen Seite des Tisches eine Dame, die sich als Vertreterin der amerikanischen Public-Affairs-Agentur Anderson Perry ausgab. Anderson Perry aber gibt es gar nicht, und die Agentur will auch keine britischen MPs für den Beirat gewinnen. Tatsächlich war sie Reporterin für die Sunday Times und Channel 4, und unbemerkt liefen Kamera und Mikrofon mit.

Würde er seine Kontakte in der Regierung nutzen, um für einen Wirtschaftsmandanten die Politik zu beeinflussen. Sicher. Würde er Minister lobbyieren? Natürlich. Würde er aus dem Korridor der Macht vertrauliche Informationen beschaffen? Aber gern. Und die Reporterin bekam kaum Gelegenheit, ihm verfängliche Fragen zu stellen, weil Byers munter drauflos plapperte.

Byers gab damit an, durch seine Kontakte zum Verkehrsminister habe er dem Logistiker National Express Hunderte Millionen Pfund gespart; und die Supermarktkette Tesco konnte auf ihn und seine Kontakte zu Wirtschaftsminister Peter Mandelson zählen, als es um die Lebensmittelkennzeichnung ging. Die Unternehmen und Minister sagen dazu allerdings, das sei Quatsch.

Byers war nicht der einzige Interviewpartner. Die Undercover-Journalisten sprachen 20 Politiker an, 25 sagten ja, 10 wurden zum Interview gebeten. Auch die Gesundheitsministerin Patricia Hewitt und Verteidigungsminister Geoff Hoon und andere priesen sich und ihre Dienste und Adressbücher an. Der Bericht der Sunday Times bietet Innenansichten der Gespräche.

Byers ruderte tags drauf zurück; er habe kräftig übertrieben, so einflussreich sei er gar nicht, und tatsächlich habe er niemals Minister lobbyiert. Zur Klärung legte er seinen Fall gar gleich freiwillig dem Chef der Ethikkommission des Parlaments vor, der nun entscheiden muss, ob Byers gegen die Verhaltensregeln des Hauses verstoßen hat.

Er - und die anderen Politiker - betonen, sie hätten nichts Unrechtes getan. In der Tat sehen die Aussagen eher nicht illegal aus. Aber die Welt, die da in verwackelten TV-Bildern auftaucht, wird den Bürger nicht freuen: Ihre ehemaligen Regierungsmitglieder geben einfach zu frech mit ihrer Strippenzieherei für zahlungskräftige Klienten an. Auch wenn die so an den Pranger gestellten Politiker ohnehin abgehalfterte Blairiten von gestern sind – Labour wird's nicht helfen.

Die Partei tritt nun die Flucht nach vorn an -- und verspricht, die Schrauben bei der Regulierung der Lobbybranche scharf anzuziehen, berichtet die FT. Unter anderem soll ein verbessertes gesetzliches Lobbyistenregister her. Das soll ins Wahlprogramm ("Manifesto") geschrieben werden. Oppositionsführer David Cameron hat sich bereits mit Vorschlägen dazu hervorgetan, nicht zuletzt eine längere Cooling-off-Phase zwischen Regierungsamt und Lobbytätigkeit.


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