One, two, you're out: Die Medienpanne mit Satiriker Sonneborn (heute show) im Mai war schon schlimm genug, aber mit den Zitaten im Handelsblatt gestern gingen die Lichter bei Pro Generika, dem Verband der Hersteller von Nachahmerpräparaten, für Geschäftsführer Peter Schmidt endgültig aus: Mit sofortiger Wirkung war der erfahrene Pharma-Mann entlassen.
"Generikafirmen lassen sich auf Kostensenkung ein, Verband akzeptiert die umstrittenen Rabattverträge", titelte das Handelsblatt gestern. "Einen Tag vor wichtigen Fachgesprächen zum Arzneimittelsparpaket der Bundesregierung hat die Generikabranche überraschend ihren bisherigen Widerstand gegen Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Generikaherstellern aufgegeben. Die Branche akzeptiert nun die umstrittenen Rabattverträge", hieß es da.
Mitnichten. Schmidt hatte offenbar unabgestimmt ins Mikrofon geplaudert und sich damit um den Job gebracht. Der Vorstand dementierte flugs, dass der Verband seine Position gegenüber Gesundheitsminister Rösler geändert habe, melden das Ärzteblatt und die Ärzte-Zeitung. Röslers Pläne seien nach wie vor ein "Irrweg".
„Wir akzeptierten die Rabattverträge, auch wenn das bedeutet, dass Unternehmen, die bei den Rabattausschreibungen der Kassen keinen Zuschlag erhalten, vom lukrativen Krankenkassenmarkt für Medikamente ausgeschlossen werden“, wurde Schmidt zitiert. Man habe erkennen müssen, dass Rösler an diesem Sparinstrument für die Krankenkassen festhalten wolle. Die Pressemitteilung des Verbands heute widerspricht vehement: Keine neue Strategie, keine neue Position.
Man reibt sich die Augen. Hat Schmidt da was falsch verstanden? Kaum zu glauben, dass Schmidt bei einem so grundlegenden Thema alleine eine 180-Grad-Pirouette hinlegt. Er mag nicht der größte Medienprofi sein, aber er ist seit 2004 bei ProGenerika - zunächst als Stellvertreter des gewieften CSU-Manns Hermann Hofmann (Ex-BPI, wechselte 2008 zu Sandoz) - und war zuvor Referent der Arbeitsgruppe Gesundheit der SPD-Bundestagsfraktion. Man mag ihm wegen des SPD-Parteibuchs Nähe zu Krankenkassen-Positionen unterstellen, aber trotzdem... Hat man ihn noch einmal geleimt, im eigenen Laden? Oder was ist hier passiert?
Interim-Nachfolgerin wird nun die Geschäftsführerin der STADApharm und Direktorin für Strategisches Management/Verbandspolitik der STADA AG, Anne Demberg, bis 2009 Vize im Verbandsvorstand.
Lange waren die Generika-Hersteller gut gelitten im politischen Berlin, ihre günstigen Medikamente schienen Spar-Optionen zu bieten. Ex-Ministerin Ulla Schmidt wusste das zu nutzen.
Dass die Generikabranche durchaus äußerst profitabel arbeitet und etwa deutlich mehr aus dem Gesundheitssystem für sich herausschlägt als im Ausland, sickerte mit der Zeit aber auch durch. Schließlich ist das alte Schwarz-Weiß-Bild -- forschende Konzern-Pharma mit Teuer-Medikamenten da, mittelständische Billig-Generika hier -- teils längst überholt. Inzwischen fahren die großen Arzneimittelhersteller längst zweigleisig und kaufen die Generika-Konkurrenz einfach auf, wie etwa Novartis Hexal. Das Generika-Massengeschäft ist viel sicherer und, wie die WirtschaftsWoche unlängst schrieb, die klassischen "Pharmakonzerne verlieren die Lust an der Forschung" und werden immer schwächer bei Innovationen, auch wenn ihre Lobbyisten gern das Gegenteil erzählen.
Und dass Generikahersteller selbst zu Konzernkraken werden können, hat Teva bewiesen -- die Merckle-Familie verkaufte Ratiopharm im März an Teva. Von den größeren deutschen Herstellern patentfreier Medikamente bleibt nun nur noch Stada übrig; das Unternehmen machte die Börse just mit der Ankündigung glücklich, 800 Stellen zu streichen, Fabriken in Osteuropa zu streichen und kräftig outzusourcen.
In der Generika-Branche ist vieles nicht mehr, wie es noch vor kurzem war. Man darf sich schon fragen, ob der erst 2004 gegründete und von Hofmann und Schmidt aufgebaute Verband Pro Generika sein zweites Jahrzehnt überhaupt noch erleben wird? Auch die Konkurrenzorganisation Deutscher Generikaverband (DGV) ist ausgeblutet.
Möglicherweise wird nun doch wieder intensiver über Fusionen nachgedacht. Die deutsche Pharmabranche ist stark zersplittert. Das macht der Politik das Geschäft einerseits leichter, aber auch schwerer, weil für Reformen der verbindliche Ansprechpartner mit breiter Akzeptanz und Verpflichtungsfähigkeit fehlt. Vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) über den Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) und den Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) bis zu Pro Generika reicht der erste Blick, aber darüber hinaus gibt es noch ein halbes Dutzend kleinere.
Hinzu kommt, dass die US-Konzerne dominieren und ihr eigenes Spiel machen, dass neue Konkurrenz aus Asien auf die europäischen Märkte drängt und dass die Zukunft der pharmazeutischen Industrie vor allem in der Biotechnologie liegt, die eine eigene Verbändeszene formiert (BioDeutschland, Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie im VCI, Vereinigung deutscher Biotechnologie-Unternehmen VBU usw.).
"Zeitweise waren bei Verhandlungen über Reformthemen bis zu vier Pharmaverbände dabei, die sich meist gegenseitig ausspielten", schilderte ein Verhandlungspartner aus dem Bundesgesundheitsministerium der Welt die Situation. "In keiner Branche ist es leichter, die Verbände gegeneinander auszuspielen." Ähnlich beurteilen auch die Krankenkassen die Lage, so die Welt, die 2007 über die Idee eines Dachverbandes berichtete (es kursierten Papiere mit Titeln wie "Future of Pharma" oder "Ein Verband, eine Stimme"). Bisher wurde daraus nichts, die Verbände bevorzugen Ad-hoc-Koalitionen.
Was nun? Die Branche steht massiv unter politischem Druck, auf allen Märkten ist mit staatlichen Spargewittern zu rechnen, und gutes Personal ist offenbar rar geworden.
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