Bisher sind es selten Unternehmen, meist Verbände und NGOs, die politische Grassroots-Kampagnen initiieren. Und Banken sind schon gar nicht Fans der Mobilisierung. Doch die skandinavische SEB Asset Management schaltet seit einiger Zeit Banner auf populären Websites, um die User zur Petition an den Bundestag zu locken.
"Der Bundestag möge das Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes dergestalt beschließen, dass die bewährten Produktvorzüge der Offenen Immobilienfonds erhalten bleiben und gestärkt werden", heißt es da.
Vorstandsvorsitzende Barbara Knoflach versucht es in einem Video mit einfachen Worten: Nach den Vorschlägen des Bundesfinanzministeriums drohe einer ganzen Kategorie von Anlageformen das Aus. "De facto würde der Offene Immobilienfonds würde abgeschafft", so Knoflach.
Dahinter stecken die Bemühungen des BMF, jetzt mit der Neuregulierung der Kapitalmärkte ernst zu machen -- und zugleich auf die Dauerprobleme der Offenen Fonds zu reagieren. Der Regulierungsentwurf sorgt für reichlich Zündstoff in der Anlage-Branche. Beim BVI, dem Bundesverband Investment und Asset Management, dessen Vorstandsmitglied SEB-Chefin Knoflach ist, läuten die Alarmglocken. Einige Fonds - auch der SEB - wurden schon eingefroren.
Auch die nicht-offenen, also geschlossenen Fonds finden, dass das Ministerium bei diversen Instrumenten den falschen Weg einschlägt, wie beim Verband Geschlossene Fonds (VGF) nachzulesen ist.
Eine geplante Zwangsabwertung der Offenen Fonds um zehn Prozent für alle von den Offenen Immo-Fonds gehaltenen Liegenschaften macht viele Beteiligten nervös, ebenso wie Mindesthaltedauer und Kündigungsfristen. Aber offenbar nicht nervös genug.
Richtig erfolgreich wirkt die SEB-Kampagne nicht. Heute (11.06.) haben erst rund 1200 Unterzeichner bei der Petition mitgemacht, obwohl die Kampagne schon zehn Tage läuft. Bei rund 3 Millionen Privatanlegern in offenen Fonds noch nicht sehr überzeugend. Von einem "Eigentor" spricht die FTD, denn Schäubles Pläne, so radikal sie sind, scheinen die Anleger nicht zu mobilisieren.
Laut FTD hatte Knoflach die gesamte Branche für die Petition gewinnen wollen: Die übrigen Fondsgesellschaften ließen sie jedoch abblitzen. "Weil sie genau das Ergebnis fürchteten, das nun eingetreten ist", meint die FTD, und zitiert einen Manager: "Unsere Verhandlungsposition gegenüber Schäuble ist nun stark geschwächt." In der Welt wird ein anderer Manager zitiert: "Hier wird in der Auseinandersetzung mit dem Ministerium unnötiger Weise Öl ins Feuer gekippt". Nun wird vor allem die Zerstrittenheit der Branche sichtbar -- zumal einige offenbar schon lobende Worte für den Entwurf des BMF fanden.
Ein Alleingang mit Schnellschuss, der nun etwas peinlich wirkt -- oder gelingt es der SEB doch noch, eine Welle zu erzeugen, ohne die Branche mitzunehmen? Die SEB will ihre Aktion als Beitrag zu Information der Anleger und Transparenz verstanden wissen. Die politische Kultur der Finanzbranche, die selten in solchen Fragen offensiv in die Öffentlichkeit drängt und stets fürchtet, Anleger zu verschrecken, steht offenbar dagegen. „Es wäre wünschenswert, dass andere Gesellschaften auf ähnliche Weise ihren Informationspflichten nachkommen“, sagte Knofach "Euro am Sonntag". Die Haltung der übrigen Immofondsgesellschaften zu der Petition: Viele äußerten Verständnis für das Vorgehen, einige überlegen sogar, sich der Aktion anzuschließen. Andere reagierten skeptisch bis ablehnend und befanden die Art und Weise des Internetauftritts für lächerlich, so das Blatt.
Fazit: Der BVI und zahlreiche Fonds setzen auf Beruhigung, Abwiegelung und Vermeidung weiterer Polarisierung -- sie wollen Reform-Kompromisse mit dem BMF erzielen und eine Panik verunsicherter vermeiden. Auch der unterschiedliche Zuschnitt der Kundensegmente - institutionelle Anleger hier, Privatanleger da - sorgt für sehr unterschiedliche Positionen. Die SEB-Kampagne passt also vielen gar nicht ins Konzept. Auf Finanz-Seiten im Web fragen sich viele: Was genau treibt die SEB, mit einer offensichtlich schlecht vorbereiteten Aktion dazwischen zu gehen, obwohl die Diskussionsentwürfe aus dem Hause Schäuble noch gar nicht die Endversion der Ressortüberlegungen darstellen? Hat die SEB die Stimmung der Anleger völlig falsch eingeschätzt?
Ein großes Problem ist auch, dass ich die Petition lange auf der Seite von SEB suchen musste und nur über den Umweg Google finden konnte.
AntwortenLöschenSchön wäre es daher gewesen, wenn man hier direkt einen Link auf die Petition gesetzt hätte.