Die neue britische Regierung reagiert mit einer Transparenzinitiative auf die jüngsten Skandale im Parlament um Spesenabrechnungen und Interessenkonflikte: Sie hat sich darauf festgelegt, ein gesetzliches Lobbyistenregister nach EU-Vorbild anzulegen sowie Parteispenden zu begrenzen und die Parteienfinanzierung transparenter zu machen.
Im Wahlkampf war der Ruf nach Reformen ziemlich laut geworden, nicht zuletzt deshalb, weil Dutzende von Abgeordneten lieber auf eine erneute Kandidatur verzichteten, als die Quittung für Fehlverhalten an der Wahlurne abzuholen. Die großen Parteien gelobten im Wahlkampf Besserung.
Nun werden die Konsequenzen greifbar. Als erste Maßnahme wurde ein Verhaltenskodex für Kabinettsminister veröffentlicht. Minister dürfen nach Ende ihrer Amtszeit zwei Jahre lang kein Lobbying der Regierung betreiben; die Zahl der Sonderberater wird eingeschränkt; Termine der Minister, Teilnahme an Veranstaltungen und Reisen sowie Geschenke werden regelmäßig veröffentlicht. Einmal im Quartal sollen Minister-Treffen mit externen Organisationen publiziert werden. Vorschriften für den Zugang zu Dokumenten und staatlichen Ressourcen sowie für den Umgang mit Interessenkonflikten sind ebenso enthalten.
Das Koalitionsabkommen und Regierungsprogramm der liberal-konservativen Regierung Cameron/Clegg hat bereits am 20. Mai klar und explizit das Ziel einer weitergehenden Regulierung der Interessenvertretung formuliert. Was noch fehlt, sind Details und ein Zeitplan. Auch als die Queen Ende Mai ihre Thronrede hielt, die sie quasi als Regierungserklärung des Premierministers verliest, waren noch keine konkreten Gesetzesvorschläge enthalten.
Die Tories haben sich jedenfalls bisher stets zurückgehalten, ihnen waren Selbstregulierung und freiwillige Verhaltensregeln lieber. Im Wahlprogramm hatten sie nur angedeutet, dass die Politik die Interessenvertretung neu regeln werde, wenn die Lobbies selbst dabei versagten.
Treibende Kraft bei den Reformen ist der kleinere Koalitionspartner. Die Liberaldemokraten hatten als einzige Partei ein gesetzliches Lobbyregister in ihr Wahlprogramm aufgenommen.
Dass die Konservativen dabei nun mitgehen, wird in der britischen Politik als wichtiger Kurswechsel interpretiert. Allerdings äußern gerade NGOs erhebliche Skepsis, ob das Versprechen gehalten wird -- oder ob, wenn sich die Erregung der Öffentlichkeit gelegt hat, am Ende business as usual betrieben wird. Die Aktivisten der Organisation "38 Degrees" wollen die Kampagne für Lobby- und Parlamentsreformen fortführen. Auch Medien wie der Guardian warnen davor, dass die Konservativen ihren "alten Freunden" später wieder nachgeben; die Partei hat besonders enge Beziehungen zu Lobbyorganisationen und Beraterfirmen.
Dagegen will die Public Relations Consultants Association (PRCA), einer von mehreren Berufsverbänden für Interessenvertreter, jedoch kämpfen. Generaldirektor Francis Ingham kommentierte: "In dieser Zeit der Finanzkrise kann man kaum glauben, dass dies die Priorität für eine neue Regierung sein soll. Das ist eine willkürliche Reaktion und ein Fehler, der nur zeigt, dass es am Verständnis für die Realität der Public Affairs fehlt." Die PRCA wolle für die ursprünglichen Tory-Vorschläge einer freiwilligen Selbstregulierung eintreten.
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