Donnerstag, 8. Juli 2010

Airlines drehen an Stellschrauben der neuen Luftverkehrs-Steuer

In der Luftfahrtbranche rotieren die Public-Affairs-Abteilungen. Bei den Airlines dreht sich nach den Riesenverlusten aus Wirtschaftskrise und Vulkanwolke derzeit alles um die vom Bund geplante Abgabe für Flugpassagiere, die zum Sparpaket der Regierung gehört (sie hofft auf eine Milliarde Euro jährlich). Zusammen mit Airline-Verband BDF und Flughafenverband ADV sowie der Gewerkschaft Verdi, die Bodenpersonal und Crews vertritt, hoffen die Fluggesellschaften immer noch, die gesamte Steuer zu verhindern. "Die eine Milliarde Euro per anno, die man sich an Staatseinnahmen dadurch verspricht, entspricht dem Gewinn aller deutscher Airlines in einem guten Jahr", sagte Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber dem Handelsblatt.

BDF und Flughafenverband ADV sehen wegen der Abgabe ("neue Reisesteuer") schon 10.000 Arbeitsplätze in Gefahr, weil das Passagieraufkommen um drei Prozent sinken könnte. Air Berlin meint, das sei ein "Konjunkturprogramm für ausländische Wettbewerber". Und auch der internationale Verband IATA kritisiert die Steuer heftig: "kurzsichtige und unverantwortliche Politik übelster Art", wettert IATA-Chef Giovanni Bisigani in drastischer Wortwahl, und sagt voraus, Deutschland werde damit genauso scheitern wie die Niederlande. "Der Abgabe einen ökologischen Anstrich zu geben, macht alles nur noch schlimmer. Aus dem wirtschaftlichen Schaden wird sich kein Nutzen für den Klimaschutz ergeben." Nur der Verkehrsclub Deutschland (VCD) freut sich, die Abgabe sei ein "Schritt für mehr Kostengerechtigkeit im Verkehr", und schlägt auch noch zusätzlich den Evergreen Kerosinsteuer vor.

Und einen föderalen Aspekt gibt es auch noch. BDF und ADV versuchen die Finanz- und Standortpolitiker der Bundesländer in den Streit hineinzulocken. Sie vergessen nicht darauf hinzuweisen, dass die Steuer ohne Beteiligung der Länder verabschiedet werden soll, obwohl die deutschen Flughäfen in der Verwaltung der Länder stehen und von der Steuer betroffen sein werden.

Da enden die Gemeinsamkeiten auch schon, wie der Vorlauf zu einer Anhörung im Bundesfinanzministerium heute zeigte. Die Airlines sind schon längst dabei, die Steuer wenigstens so zu gestalten, dass sie ihnen Vor- und den Wettbewerbern Nachteile bringt. Dass es dafür Möglichkeiten gibt, liegt daran, dass die Abgabe keineswegs pauschal und einheitlich auf alles erhoben werden soll. Ginge es der Regierung nur darum, möglichst hohe Einkünfte zu erzielen, würde sie das vielleicht tun. Aber sie will auch ein bisschen Umwelt- und Verkehrspolitik machen.

Das wird zum Spiel für Lobbyisten: Wer passt die neue Steuer so an, dass sie am besten zum eigenen Geschäftsmodell passt? Und: Wer hängt sich dabei das grünste Mäntelchen um? Zwar kritisieren die Branchenvertreter, der Klimaschutz sei nur ein Vorwand für die Steuer, aber selbst argumentieren sie intensiv mit Öko-Vorteilen des eigenen Geschäftsmodells.

Blaugelb gegen Rot: Geschäftsmodelle in politischer Konkurrenz

Die Protagonisten: Lufthansa und Air Berlin. Die Kranichlinie ist eine Allround-Fluggesellschaft, die die großen "Hubs" für die umsteigenden Fluggäste bedient, die teure Sitze anbietet und die viel Fracht befördert (auch und gerade in der Passage). Air Berlin dagegen kommt aus dem Lager der Billigflieger, die nur eine Klasse kennen, mit Fracht so gut wie nichts zu tun haben und Punkt-zu-Punkt-Verbindungen fliegen.

Entsprechend die politischen Positionen zur Steuer: Lufthansa will Ausnahmen beim Frachtverkehr, und wer auf einem deutschen Flughafen umsteigt, soll einen Freifahrtschein erhalten. Die Lufthansa befürchtet, dass sie im internationalen Geschäft Umsteigekunden verliert -- oder, wenn sie die Kunden davon abhalten will, in Paris oder Amsterdam umzusteigen statt in Frankfurt oder München, die Steuerbelastung quersubventionieren muss, um im internationalen Wettbewerb im Interkontinentalverkehr preislich mithalten zu können. Wanderten Umsteigepassagiere ins Ausland ab, zöge das auch Geschäft von den großen deutschen Flughäfen ab.

Air Berlin will die Politik überzeugen, Geschäftskunden in First & Business Class höher zu besteuern -- und zwar happig: Vier- bis fünfmal so hoch soll die Steuer für diese ausfallen. Air Berlin argumentiert geschickt: Die teuren Passagiere haben breitere Sitze, also erhöhen sie den Kerosinverbrauch, und das ist schlecht für die Umwelt. Da die Regierung mit der Luftverkehrsabgabe unbedingt auch ökologisch-nachhaltige Politik machen will, passt das perfekt ins Raster. Air Berlin lobt die Regierung auch dafür, dass sie Langstreckenflüge mehr belasten will als die - für Air Berlin zentralen - Kurz- und Mittelstrecken.

Dennoch, das Handelsblatt will in Regierungskreisen gehört haben, dass die Lufthansa voraussichtlich eine Entlastung erwarten darf.

Kein Wunder, die Lufthansa ist zwar inzwischen mehrheitlich im Privatbesitz, doch der Staat hat immer noch Einfluss und wirtschaftliche Interessen. Und die Börsen finden die Öko-Steuer nicht sehr attraktiv. Dass die künftigen Lufthansa-Ergebnisse jährlich wegen der Steuer um mehrere Hundert Millionen Euro geringer ausfallen könnten, hat die LH-Aktie unter Druck gesetzt. Das ist dem Finanzministerium, zumindest der Abteilung, die den Staatsbesitz verwaltet, auch nicht recht. Zudem ist die Lufthansa auch beim Umwelt- und Klimaschutz (relativ) vorbildlich, für die Öko-Vorleistungen will sie nicht bestraft werden, und das sehen auch viele in der Politik so.

Das Handelsblatt zitiert aus den Stellungnahmen, die für die Anhörung vorbereitet wurden: Die Lufthansa warnt, dass bei einer Besteuerung des Frachtaufkommens 10 bis 20 Prozent der Tonnage ins Ausland verlagert würden. 70 Prozent der Lufthansa-Passagiere seien Ausländer. Air Berlin rechnet dagegen vor, man würde sieben Prozent seines Umsatzes einbüßen, Lufthansa hingegen nur 1,9 Prozent. Wären alle Segmente einbezogen, müsste ein Passagier pro Flug 9,41 Euro zahlen, andernfalls bis zu 15 Euro. "Eine Ausgrenzung einzelner Verkehrssegmente führt zu Wettbewerbsverzerrungen", sagt Air Berlin.

EU: Subventionen für DHL am Flughafen Leipzig/Halle illegal

Wettbewerbsverzerrungen im deutschen Luftverkehr haben auch die Wettbewerbshüter der EU-Kommission und den Europäischen Gerichtshof beschäftigt. 6,2 Millionen Euro an Subventionen der Bundesländer Sachsen und Sachsen-Anhalt an die Deutsche Post-Tochter DHL waren nicht zulässig -- das hatte die Kommission schon 2008 so entschieden und fand nun dafür Bestätigung beim EuGH (Az. T-396/08). Die Länder, die DHL mit den Subventionen für den Standort Leipzig gewinnen wollten, hatten gegen die Kommissionsentscheidung geklagt und blitzten nun ab, berichtet Airliners.de. Argument: Die Zuschüsse für die Ausbildung von 485 Mitarbeitern am europäischen DHL-Drehkreuz Leipzig seien gar nicht in zusätzliche Qualifikationsmaßnahmen geflossen, sondern hätten nur die normalen Betriebskosten von DHL subventioniert.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen