Mittwoch, 7. Juli 2010

Wirtschaftsuni EBS will Politik machen

Mit einer Politik-Fakultät will die jüngst in "EBS Universität für Wirtschaft und Recht" umbenannte European Business School in Oestrich-Winkel und Wiesbaden Studien- und Weiterbildungsprogramme an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und dem Management im öffentlichen und gemeinnützigen Sektor entwickeln. Politische Entscheidungsträger und Manager staatlicher Unternehmen sollen qualifiziert werden.

Die EBS hat kürzlich eine rechtswissenschaftliche Fakultät gegründet, seither darf sie sich Universität nennen. Weitere Fachbereiche sollen folgen, auch einer für Logistik und Auto. Im Zusammenspiel von Wirtschaft und Jura soll auch die Kombination von Politik und Management institutionalisiert werden. „Die Governance School drängt sich doch auf“, sagt EBS-Präsident Christopher Jahns auf dem Karriere-Portal von Handelsblatt und WirtschaftsWoche.

Für die Governance School soll es einen externen Partner geben, der Vertrag steht allerdings noch nicht. Jahns will den Namen des Partners noch nicht nennen. Er könne sich vorstellen, an der neuen politikwissenschaftlichen Fakultät gemeinsame Studiengänge mit den anderen drei Fakultäten zu entwickeln. Sechs bis zehn Politikprofessoren sollen mit den neuen Jurakollegen in einen Neubau in Wiesbaden ziehen.

Die EBS gilt als renommierte Manager-Ausbildungsstätte, keine Frage. Sie fährt nun bis 2014 einen ehrgeizigen Wachstumskurs, benötigt dafür aber politische Unterstützung, nicht zuletzt aus öffentlichen Kassen. Sie hat jüngst bewiesen, dass sie sich im politischen Umfeld geschickt bewegt. Vor allem liefert sie ein Beispiel für erfolgreiches Subventionslobbying einer privaten Hochschule -- kein einfaches Unterfangen, sind in den letzten Jahren doch zahlreiche Privatunis in die Krise gerutscht.

Die EBS schaffte es, für die neue Law School, die im Vollbetrieb 800 Jura-Studenten haben soll, von der Landesregierung 25 Millionen Euro Anschubfinanzierung über acht Jahre zu erlangen, plus bis zu 12 Millionen Euro für die Sanierung des Altbaus, außerdem übernimmt das Land die Kosten für den Abbruch eines älteren Gebäudes und für den Bau einer Tiefgarage. Von der Stadt Wiesbaden erhält die EBS weiterhin zehn Millionen Euro für die "Gestaltung des Innenstadt-Quartiers".

Die staatlichen und kommunalen Finanzzusagen sind umso erstaunlicher, weil die Landesregierung den hessischen Hochschulen in einem Hochschulpakt ab 2011 Einsparungen von 30 Millionen Euro jährlich aufnötigte -- Bildungsjournalist Frank van Bebber hat die Kontroverse im Spiegel aufgegriffen.

Der "Geldregen" zog heftige Kritik der öffentlichen Hochschulen nach sich, insbesondere von der örtlichen Fachhochschule RheinMain, die – wenn Wiesbaden unbedingt „Universitätsstadt“ auf sein Ortsschild schreiben möchte – theoretisch auch mit öffentlichen Geldern zur Universität hochgerüstet werden könnte. Auch die spendable Jamaika-Koalition im Wiesbadener Rathaus musste sich Kritik von Eltern- und Schülervertretern sowie der Gewerkschaft GEW gefallen lassen, dass für die EBS Geld da ist, gleichzeitig aber den öffentlichen Schulen Sanierungsgeld fehlt. Beim Festakt mit 1000 Gästen zur Umbenennung der EBS in Universität kam es sogar zu einer Protestdemonstration vor den Türen. Die Frankfurter Rundschau wetterte, der "Geldregen für Elite-Uni" sei "ein klarer Fall von Klientelpolitik". Auch die Landtagsopposition hat die Subventionen scharf kritisiert.

Der Spiegel analysiert – wie viele andere Medien auch – die ausgezeichneten politischen Verbindungen der Hochschule:

Hessens Regierende mögen die EBS. Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) sitzt im Gründungskuratorium der Law School, neben Vertretern von Großkanzleien wie Linklaters LLP. Hahn hofft durch die neue Verknüpfung von Jura und Wirtschaft auf Wettbewerb in der Juristenausbildung. Im Vorstand der EBS-Trägerstiftung engagiert sich Florian Rentsch, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion. Wiesbadens Oberbürgermeister Helmut Müller (CDU) ist Gründungsmitglied eines lokalen EBS-Freundeskreises.
Die SPD im Wiesbadener Rat warf dem FDP-Landtagsfraktionsvorsitzenden Rentsch vor, er betreibe "in dieser Angelegenheit lupenreinen Lobbyismus, der sich einzig und allein an den Interessen der EBS orientiere" (FR). Rentsch habe eine "fragwürdige Doppelrolle" als Landtagsabgeordneter, Bezirks- und Stadtchef der Wiesbadener FDP und zugleich Stiftungsvorstand der EBS sei. Er führe "Öffentlichkeitsarbeiten und Spendensammlungen" zugunsten der Privathochschule mit Studiengebühren von jährlich 12.000 Euro durch.

EBS-Präsident Christopher Jahns sah sich zur Vorwärtsverteidigung genötigt. „Ich schäme mich nicht“, sagte er in einem Interview. Gegenüber der FR sagte er, die Anschubfinanzierung sei

doch wirklich nicht so schlimm, wenn man bedenkt, was Land und Stadt dafür bekommen (…) Sie bekommen eine Top-Wirtschaftsuni, die international wettbewerbsfähig sein wird, Arbeitsplätze für 80 BWL- und 30 Jura-Professoren und 200 Mitarbeiter, Studienplätze für 800 Jurastudenten und 1000 Weiterbildungsplätze. Top-Wirtschaftsleute wie etwa Friedensnobelpreisträger Mohammad Yunus werden zu uns nach Wiesbaden kommen, es wird ein studentisches Leben geben, eine Verjüngung der Stadt. Das sind nur einige Effekte der 120 Millionen Euro-Investition in den Bildungsstandort Wiesbaden.

Die EBS finanziere von den 120 Millionen Euro Kosten rund 95 Millionen über private Spenden von Unternehmen und Stiftungen, Studiengebühren und Bildungsfonds für Stipendien. Und: „Das Landgericht hätte sowieso saniert werden müssen, egal wer das nutzt“. Auf die prinzipielle Frage, ob es zur Aufgabe eines Staates gehöre, Privathochschulen zu fördern, meinte Jahns:

Sagen wir so: Es kann doch nicht sein, dass staatliche Universitäten wie Goetheuniversität oder TH Darmstadt in unserem privaten Teich nach Geldern fischen dürfen, wir umgekehrt aber nicht. So würden wir am Ende von der Platte gedrückt. Man muss beiden beides erlauben.
Die EBS ist zweifelsohne in 40 Jahren zu einer erfolg- und prestigereichen Hochschule geworden. Insofern investieren Land und Stadt in ein bewährtes Modell, das wachsen und zum Leuchtturm werden soll. Nicht nur die bildungspolitischen, sondern vor allem regional- und strukturpolitische Argumente zogen. Für Land und Stadt sieht es nach einer Investition aus, mit der sich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen lassen – zumal sich erhebliche Summen aus privaten Kassen mobilisieren lassen.

Diese Hoffnung haben und hatten viele Standorte privater Hochschulen. Allerdings bescherten eine Reihe von Privathochschulen den staatlichen Paten in vielen Bundesländern auch reichlich politische Probleme, wenn sie mangels Nachfrage oder Unternehmensunterstützung finanziell in die Krise gerieten oder der Wissenschaftsrat die institutionelle (Re-) Akkreditierung versagte. Dann hagelte es Kritik an mangelnder Aufsicht und dem Verschleudern von Subventionen.

Beispiele sind die International University in Bruchsal, die Private Hanseuniversität in Rostock, das Baltic College Güstrow, die University for Management and Communication (UMC) Potsdam, das Stuttgart Institute of Management and Technology (SIMT), die Kassel International Management School (KIMS) oder die Universität Witten-Herdecke. Manche gingen in die Insolvenz, andere fanden private oder öffentliche Retter. Es ist deutlich geworden, dass regionale Trägerinitiativen, aber selbst Wagniskapitalfonds und Konzern-Konsortien sich in der engen Rechtslage und notwendig teurem Geschäftsmodell mit Hochschulen überheben können. Man muss hoffen, dass Hessen und Wiesbaden bei der EBS auf das richtige Pferd setzen.

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