Dienstag, 14. September 2010

Die schwierige Verkopplung von CSR und Lobbyarbeit

"Sozial verantwortlicher Lobbyismus sollte ein entscheidender Bestandteil der CSR-Strategie eines jeden Unternehmens werden", fordert David Vogel im Harvard Business Manager. "Vorbeugendes Lobbying" fordere zum Beispiel strengere Regulierung -- aus wohlverstandenem Eigeninteresse. Das Gemeinwohl in Umwelt- oder sozialen Fragen zu stärken, sei politisch wichtiger als der Einsatz für das Gemeinwohl in einzelnen Projekten. Und das könne den Unternehmen, die dafür eintreten, durchaus im Wettbewerb nützen.

Es genügt nicht, wenn Firmen sich in privaten Initiativen sozial engagieren, so strategisch passend dieses Engagement auch sein mag. Manager und Unternehmer sollten bereit sein, allgemeine Interessen zu vertreten und Regelungen zu fordern, die es dem eigenen wie auch anderen Unternehmen leichter machen, sich richtig zu verhalten. Denn ohne die Unterstützung des Staates werden viele CSR-Programme nur von beschränktem Einfluss sein.

Statt den Staat aus reinem Eigeninteresse zu beeinflussen, sollten Unternehmen auch Lobbyismus für gesellschaftliche Anliegen betreiben. So erreichen sie mehr - nicht nur für sich, sondern auch für die Gemeinschaft.

Wenn Unternehmen ihre Lobbyisten aussenden, dann geht es oft darum, bestimmte Gesetze oder Regulierungen zu verhindern. Und während Manager bemerkenswert viel Zeit und Geld für das gesellschaftliche Engagement der Firma ausgeben, tun sie nur wenig, um im Sinne des Allgemeinwohls Lobbyismus zu betreiben. Dabei könnten Firmen möglicherweise weitaus erfolgreicher sein und der Gesellschaft dienen, wenn sie in ihrer Lobbyarbeit nicht nur ökonomische, sondern auch soziale Interessen verfolgen würden.

Vogel meint, das rein freiwillige soziale Engagement der Unternehmen sei verwundbar. Konkurriende Firmen sparten sich die "hohen Kosten" der CSR-Programme und hätten so einen Wettbewerbsvorteil.

Ein interessantes Argument: Normalerweise wird CSR (zumindest intern) als Wettbewerbsvorteil legitimiert, Engagement und Dialog mit Stakeholdern jenseits der Marktgrenzen gelten als renditesteigernder Faktor im Konzept der "Triple Bottom Line", nach der Unternehmen neben maximalen Erträgen auch eine möglichst positive Umwelt- und Sozialbilanz anstreben sollten (Stichwort: Profit - Planet - People).

Vogel dreht das Argument herum und sagt, konventionelle CSR reiche nicht aus, um dieses Ziel zu erreichen.

Er meint, der Klimaschutz sei ein gutes Beispiel dafür, dass das Einfordern von Umwelt-Regulierung und Bevorzugung "sauberer" Technologie eben auch Wettbewerbsvorteile und die Absicherung langfristiger Investitionen mit sich bringen könne.

Dem Topmanagement dieser Unternehmen war klar geworden, dass es ihre Strategie fördert, wenn sie für den Schutz eines öffentlichen Gutes eintreten. Diese Lehren sind für andere Bereiche der CSR jedoch ebenso gültig.

Zum Beispiel bei der Produktsicherheit, bei Spielzeug oder Konsumgütern. "Eine strengere Aufsicht nutzt Firmen, die sozial verantwortlich handeln wollen, da sie es den Wettbewerbern erschwert, Produkte aus billigen, unsicheren Materialien herzustellen; sie würde auch helfen, Bedenken der Konsumenten gegenüber der Sicherheit von importierten Waren auszuräumen."

Ein weiteres Beispiel sieht er in der internationalen Politik, etwa im fairen Handel, sozial verträglichen Auslandsinvestitionen und beim Kampf gegen Korruption. Auch hier könnten Unternehmen ihren politischen Einfluss nutzen und mit CSR-Aktivitäten verknüpfen.

Wohl wahr. Aber ein solcher Ansatz setzt eine hohe Bereitschaft zur Politisierung in den Unternehmen (und deren Vorständen) voraus, einschließlich der Bereitschaft, sich an komplexen Problemen aufzureiben, die möglicherweise nur wenig mit dem Kerngeschäft zu tun haben. Das kann man den Anteilseignern und der Börse nicht immer plausibel erklären. Und die gerade in Deutschland ausgeprägte persönliche Distanz zwischen Managern und Politik, die unterschiedliche Logik der beiden Systeme machen die Idee auch nicht leichter umsetzbar.

Überdies will nicht jeder die Unternehmen in der Politik so mitmischen sehen, wie sich Vogel das vorstellt. Selbst wenn ein Unternehmen bona fide handelt: Notwendigerweise wäre das Lobbying für "allgemeine" Interessen stets sehr selektiv und wäre stets mit der Vermutung von Interessenkonflikten behaftet.

Die konventionelle CSR hat ohnehin schon mit vielen Glaubwürdigkeitsdefiziten zu kämpfen. Sie ist noch längst nicht so konsequent und effektiv in den Unternehmen verankert, dass man dem CSR-Management nun auch noch den großen Schritt in Vogels Sinne zutrauen könnte. Das Vertrauen in die Konzerne ist im Keller, das Misstrauen groß, die Legitimität, für die Allgemeinheit zu sprechen, ist gering. Vogel meint offenbar, die Flucht nach vorn aus der Glaubwürdigkeitsfalle sei mit etwas gutem Willen zu schaffen.

Je mehr allgemeine Interessen Unternehmen verträten, desto höher auch ihre Akzeptanz -- aber ist die Gleichung so einfach aufzulösen? Vogel sagt ja selbst, dass sich Unternehmen durch "sozial verantwortlichen Lobbyismus" Wettbewerbsvorteile gegen andere verschaffen wollten und sollten. Aber das ist eben auch stets als solches politisch angreifbar.

Mag sein, dass Unternehmen mehr für sich selbst erreichen könnten, würden sie ihre CSR-Arena vergrößern. Aber am Ende des Tages wird sich der Unternehmenslenker stets fragen: Überwiegen die Kosten nicht die zu erwartenden Vorteile? Kurzfristig, langfristig? Er muss so denken. Mehr politisches Engagement bedeutet mitunter auch mehr Risiko.

Schaut man sich die CSR-Praxis an
, stellt man fest: Nette, populäre, unumstrittene Projekte haben Vorrang. Die Unternehmen wählen bewusst solche CSR-Projekte aus, die möglichst wenig politisches Risiko beinhalten. Bei denen es leicht ist, sich Sympathie und den Zuspruch von Öffentlichkeit und Politikern zu verdienen. Bei denen die Komplexität beherrschbar ist und bei denen nicht allzu scharf um Ziele und Mittel gestritten wird, wo man mit zahlreichen Akteuren mit widerstreitenden Ideologien und Präferenzen zäh verhandeln muss.

Unternehmen wollen bei der CSR eben meist nicht "hingehen, wo es brodelt, riecht und stinkt", um Sigmar Gabriel zu zitieren.

Die konventionelle CSR ist im Zweifel die sicherere Bank.
Den meisten Managern, aber auch Politikern und Bürgern ist es vermutlich recht so: Mehr muss es nicht sein. Und wenn die Unternehmen allseits im Kerngeschäft dem alten Google-Motto (eigentliches Copyright: Hippokrates) "Do no harm" folgten, wäre ja auch schon viel gewonnen. Der Mitbürger Unternehmen, der Corporate Citizen, soll erst einmal vor der eigenen Haustür kehren -- das ist vermutlich die gängige Reaktion auf Vogels Ansinnen.

1 Kommentar:

  1. Sehr treffende Analyse! Ich denke auch, dass das Haupthindernis die Befürchtung von CEOs ist, sich mit einer zu starken Einmischung in pol. Themen auch dem Risiko einer "Politisierung" des eigenen Geschäfts auszusetzen - Sarrazin lässt grüßen.

    Dennoch bin ich überzeugt, dass CEOs sich auch Gedanken darüber machen sollten, wie das gesellschaftliche Klima sich auf ihr Geschäft auswirkt und eben auch an der gesellschaftlichen Debatte teilnehmen. Es gibt viele Beispiele, wo Unternehmen ein sinnvolles Interesse an bestimmten gesellschaftlichen Themen haben - von Integration über Innovation bis zu Gesundheit und Umweltfragen.

    Das beschriebene "politische Risiko", dass mit der Einmischung in diese Debatten einhergeht, muss natürlich gemanaged werden. Aber Unternehmen sind ja darin geübt, Risiken zu managen, auch politische.

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