Spiegel online hat den Adbust mit einer Fotostrecke gewürdigt. Grund der Attacke: CIR wirft Aldi vor, seine Billigpreise auf dem Rücken schlecht bezahlter und schlecht behandelter Arbeitskräfte in Entwicklungsländern zu realisieren. Der Vorwurf ist nicht ganz neu, ohne Billiglöhner (im In- und Ausland) gäbe es die Discount-Riesen gar nicht.
Bemerkenswert auf der Website der CIR:
Das kleine Logo "Gefördert durch die Europäische Union". Der Steuerzahler finanziert also diese Kampagne.
CIR ist eine jener Initiative, die sich in den 1980ern für die Armen und Ausgebeuteten in Mittelamerika gründeten - Partner für Selbsthilfeorganisationen in Nicaragua, El Salvador und Guatemala. Wem der Name Romero bekannt vorkommt: das ist jener legendäre Erzbischof aus El Salvador, der gegen die damalige Militärjunta antrat und erschossen wurde, seitdem ist er ein Held der Mittelamerika-Bewegten und Befreiungstheologen.
Laut Spon hat Romero 30.000 Prospekte verteilt, die Druckmaschinen für die nächsten 40.000 laufen schon. Wie zu erwarten war, schickte Aldi erst einmal keine Krisenkommunikatoren und CSR-Profis, sondern Rechtsanwälte mit Abmahnungen und Einstweiligen Verfügungen in der Hand vor. Der Marken- und Bildrechte wegen, und der laut Aldi falschen Behauptungen in dem Flyer.
Und da schnappte die Falle zu. Genau solche Aktionen sind natürlich dazu gedacht, möglichst viel Kontroverse und Empörung zu erzeugen. Die Drohung des Konzerns mit der Klage vor Gericht ist genau das Beabsichtigte:
Was zunächst nur eine Widerstandsaktion von acht Aktivisten war, kann Romero nun als klassische David-gegen-Goliath-Situation ausschlachten - nach dem Motto: Fährt der riesige Aldi-Konzern tatsächlich juristische Geschütze gegen Menschenrechtler auf?Das juristische Klein-Klein, wer welches Foto von welchem Produkt verwendet hat, interessiert aber niemanden. Entscheidend ist der Aufruhr. Jetzt wird im Netz immer schneller diskutiert, wie schuldig Aldi ist (und nicht mehr, ob).
Bei Aldi scheint man die heikle Außenwirkung dieser Strategie inzwischen erkannt zu haben. Auf Nachfrage von SPIEGEL ONLINE teilte der Discounter schriftlich mit: "Aldi hat nicht die Absicht, gerichtlich vorzugehen und hat dies der Christlichen Initiative Romero auch in der vergangenen Woche mitgeteilt." Man habe "lediglich eine Abmahnung aussprechen lassen, weil Rechte eindeutig verletzt und unzutreffende Aussagen getätigt wurden".
Und der nicht eben für Stakeholder-Kommunikation bekannte Konzern kommt gar nicht mehr damit hinterher, Fall für Fall den Vorwurf der Ausbeutung zu kontern. Nun geht die Recherche erst richtig los, Meinungsführer-Medien steigen ein, im Netz verbreiten sich die Kampagnenmaterialien schnell.
Aldi sagt durchaus etwas dazu. Unter anderem erfährt man von Aldi, dass sich das Unternehmen der Business Social Compliance Initiative (BSCI) angeschlossen habe, die die Produktionsbedingungen überwacht. Ein pragmatisches Stück Corporate Social Responsibility -- nur hat man davon wenig gehört, weil Aldi eben nie was sagt. Und dass die BSCI selbstredend ihre Kritiker hat, wie alle anderen CSR-Allianzen auch, ist ja klar.
Je mehr sich Unternehmen mit sozialen und Nachhaltigkeits-Initiativen um ihre gesellschaftliche Mitverantwortung bemühen, desto häufiger ziehen die Konzernkritiker mit dem Vorwurf von Greenwash, Bluewash und Sweatwash vom Leder: alles Lug, Trug und schöner Schein. (Womit sie leider manchmal Recht haben, aber längst nicht immer).
Kreative Adbusts haben schon andere der Branche getroffen, zum Beispiel Aldis größten Rivalen in der Lidl-Kampagne von Verdi und Attac. Der linke Grafiker Klaus Staeck hat die Lidl-Tüte in einer bekannten Postkarte verewigt. Verdi und Attac haben ihre Kampagne jahrelang im blau-gelb-roten Design gefahren, die fotogenen Aktionen waren immer für TV-, Presse- und Internet-Verbreitung attraktiv.
Adbusts gehörten auch zur Lidl-Aktion
der Kampagne "Saubere Kleidung" (Clean Clothes Campaign, CCC), zu deren Netzwerk CIR übrigens gehört. Denn Mittelamerikas Sweatshops gehören neben Asiens Armenhäusern zu den wichtigsten Produzenten von Billigkleidung.
Sonst stehen oft Bangladesh, Indonesien und vielfach China im Fokus. 2009 etwa klagte eine Studie des Südwind-Instituts für Ökonomie und Ökumene, promotet von CCC, die Arbeitsbedingungen der Aldi-Zulieferer in China und Indonesien an.
Also: Eigentlich hätte Aldi es kommen sehen müssen. Dass der Konzern (wieder einmal) öffentlich so ungeschickt agiert, zeigt das Problem mit der Kommunikationsverweigerung, die Deutschlands beliebtester Discounter seit Jahrzehnten betreibt. Angeblich will Aldi nach dem Ableben des Überpatriarchen Theo Albrecht nun etwas offener werden. Schwer zu glauben, aber wir werden sehen.
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