Mittwoch, 27. Oktober 2010

Noch eine Berliner Privathochschule im Überlebenskampf -- trägt der Senat eine Mitschuld?

Nach dem Aus für die Berliner "Internationale Hochschule für Exekutives Management" kämpft eine weitere Privathochschule in der Region ums Überleben: Die Akkon-Hochschule für Humanwissenschaften mit Studiengängen für Rettungsassistenten und Pflegeberufe. Spiegel Online berichtet: "Ärger um Johanniter-Uni: Hochschule braucht Erste Hilfe".

Der Artikel gibt eine Teilschuld am Durcheinander der Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde, also dem Wissenschafts-Senator:
Berlin macht es privaten Hochschulgründern leicht... In Berlin gibt es Dutzende private Hochschulen, was auch daran liegt, dass die Gründung vergleichsweise einfach ist. Das Bundesland will private Hochschulen anziehen und macht ihnen die Gründung einfacher als anderswo. Darauf ist man in der Senatsverwaltung stolz. Grob gesagt genügt es, ein Konzept einzureichen, einfach mal anzufangen und innerhalb von fünf Jahren die endgültige Zulassung zu bekommen. Nach den Beschwerden der Studenten im zweiten Semester verlangte die Senatsverwaltung Nachbesserungen - währenddessen schrieben sich schon die Studenten des zweiten Jahrgangs ein. Normalerweise verlässt sich die Behörde auf die jährlichen Berichte der Privaten.
Neben Marktversagen gibt es auch Staatsversagen... und wenn beides zusammenkommt, wird es düster.

Die nahe liegende Schlussfolgerung, man müsse einfach die Anforderungen für eine Hochschul-Betriebslizenz wieder heraufsetzen, greift allerdings zu kurz. In anderen Bundesländern ist es wesentlich schwerer, eine Hochschule zu gründen, trotzdem ging einigen Einrichtungen, selbst jenen mit erheblichen Finanzmitteln und Profimanagement, die Puste aus -- und die Geschäftsmodelle waren sehr unterschiedlich (dazu der Capital-Artikel: "Einsame Klasse, leider" von Marion Schmidt). Und: Für jede private Hochschule, die wacklig startet und ins Abseits rutscht, gibt es das Beispiel einer privaten Hochschule, die ebenso wacklig startet und Erfolg hat. Insofern ist das Vertrauen in unternehmerische Gründer durchaus berechtigt.

Fraglich ist, wie der Regulierer seine Aufsicht wahrnimmt und wann er Berechtigung zum Eingreifen sieht. Einfach hineinregieren, das geht nicht. Die Beamten des Wissenschaftssenators beobachten dem Vernehmen nach sehr wohl genau, was wann wie passiert - sie sind oft gut informiert. Doch sind ihnen oft die Hände gebunden.

Das hat auch etwas damit zu tun, dass sich die Politik im Bologna-Prozess entschieden hat, die Qualitätskontrolle in die Hand des Wissenschaftsrats und der Akkreditierungsagenturen zu legen. Erst wenn diese vernichtende Urteile fällen, kann der Senat eine Hochschule schließen. Und die kann sich gerichtlich wehren.

Überdies hat jede private Hochschule einen Zirkel von Paten in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Das sind oft einflussreiche Leute, die ihre schützende Hand über die Einrichtung halten und für Finanzspritzen (auch staatliche) und freundliche Aufsicht sorgen. Private Hochschulen sind für Regionen und die Wirtschaft ein Standortfaktor, und ein Prestigefaktor. Nicht wenige Ministerpräsidenten haben das als "Chefsache" behandeln lassen.

So führt fast jedes Desaster bei einer Privathochschule schnurstracks zur Frage, wann und wie welche politischen Freunde und Stakeholder Strippen gezogen haben, um Interventionen zu blockieren oder das Leben künstlich zu verlängern, selbst wenn es betriebswirtschaftlich nichts zu verlängern gab. Im besten Fall führt das zu einer politisch gewollten zweiten Chance, mit der der Turnaround gelingt.

Behördliche Eingriffe beim Exitus einer Privathochschule sind immer umstritten. Zuletzt gut zu beobachten, als die UMC Potsdam dahinsiechte und das brandenburgische Wissenschaftsministerium mit hohem Tempo den Markteintritt eines quasi identisch aufgestellten Wettbewerbers, der Business School Potsdam, ermöglichte. Ordnungspolitisch war das fragwürdig, ja ein Krimi. Im Sinne von Krisenmanagement muss man es wohl legitim nennen, schließlich ging es darum, den an der UMC immatrikulierten Studenten ein Weiterstudieren am selben Ort zu erlauben. Auch dafür trägt der Regulierer Verantwortung, denn wenn er einer Privathochschule den Betrieb erlaubt und das Unternehmen scheitert, ist der Staat in Mithaftung.

Gelegentlich scheitert eine Hochschulgründung bereits in der Startphase, noch bevor Studenten und Professoren zu sehen sind. So geschehen bei der Stenden University Berlin, ein Projekt der Stenden Hogeschool (Leeuwarden/Niederlande). Die Träger-GmbH bekam 2008 eine Genehmigung. Als nach über einem Jahr immer noch kein Campus vorhanden war und die Initiatorin offenbar aus wirtschaftlichen Gründen erst einmal abwarten wollte, widerrief der Senat schlicht die Anerkennung als Hochschule.

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