Ganz vorbei kommen die Länder daran nicht, da der Europäische Gerichtshof im September das bisherige Staatsmonopol geknackt hat. Er bestätigte zwar, dass es die in der EU üblichen Staatsmonopole geben darf, aber nicht in der bisherigen deutschen Version. Und auch das Bundesverwaltungsgericht hat kürzlich Vorgaben gemacht.
- Im Branchenportal ISA-Guide lässt sich die wachsende Zahl rechtlicher Vorgaben nachlesen, die den Politikern die Weiterführung der bisherigen Glücksspiel-Politik schwer machen.
Die CDU/FDP-Koalition in Schleswig-Holstein hat in den vergangenen Jahren stets die Fahne der privaten Wettanbieter hochgehalten, die politisch und rechtlich gegen das staatliche Monopol vorgegangen sind.
Das Land darf sich nun allerdings auch mit dem Vorwurf beschäftigen, zu große Nähe zur Glücksspiel-Branche zu haben.
Der Spiegel berichtet vorab, dass sich der CDU-Wirtschaftspolitiker und Glücksspiel-Experte Hans-Jörn Arp im März 2010 gratis zur Branchenkonferenz "World Gambling Briefing" (früher: European Gambling Briefing) auf die schöne Mittelmeerinsel Malta einfliegen ließ:
Der schleswig-holsteinische CDU-Landtagsabgeordnete Hans-Jörn Arp hat sich eine mehrtägige Reise auf die Mittelmeerinsel Malta bezahlen lassen. Dort besuchte Arp im März das sogenannte World Gambling Briefing, eine internationale Konferenz, bei der Spitzenkräfte der Glücksspielindustrie auf Vertreter der Politik trafen. Als Teilnehmer einer Podiumsdiskussion diskutierte Arp, der seit langem für eine Liberalisierung des deutschen Glücksspielmarkts kämpft, unter anderem die Frage "Sollten Regierungen mehr tun?" Die Kosten für die Malta-Reise, so räumte Arp gegenüber dem SPIEGEL ein, hätten die Organisatoren des World Gambling Briefing" übernommen. Der Abgeordnete musste weder die Kongressgebühr (1001,82 Euro) noch die Übernachtungen im Hilton Hotel und auch nicht den Flug (517,28 Euro) bezahlen. Lediglich für seine Getränke, so Arp, sei er "selbst aufgekommen". Bei der Konferenz habe er "Anregungen aus anderen europäischen Ländern in Erfahrung bringen können" und mit privaten Wettanbietern gesprochen, die sich für die "Voraussetzungen einer möglichen Lizenzierung in Schleswig- Holstein interessierten". Arp berät seine Fraktion in glücksspielpolitischen Fragen.Es geht zwar nur um kleines Geld, und von Korruption wird man da nicht sprechen können. Doch andererseits gilt wohl das Prinzip "Die Lobby belohnt ihre Freunde und bindet sie ein".
Wie intensiv die Debatte geführt und das Lobbying beider Seiten aussieht, darüber berichtet der Spiegel auch ausführlich im aktuellen Beitrag "Jackpot für Lobbyisten".
In der Vergangenheit hatten Online-Sportwettenanbieter wie Bwin und ihr Verband, die European Gaming and Betting Association (EGBA) – in Zusammenarbeit mit großen Sportligen, Sportklubs und Privatsendern – Politiker durch Lobbykampagnen massiv unter Druck zu setzen versucht, etwa mit der Grassroots-Kampagne "MoNOpol - Bündnis gegen das Wett-Monopol" (2006/7). Die Mobilisierung war allerdings wenig erfolgreich gegen die Finanzinteressen der Länder und die Gesundheitspolitiker. Neben Öffentlichkeitsarbeit setzten die Befürworter der Liberalisierung daher wieder stärker vor den Verwaltungsgerichten mehrerer Bundesländer auf ein rechtliches Argument: dass das deutsche Glücksspielmonopol gegen das EU-Binnenmarktrecht verstoße. Nämlich gegen die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit. Dem ist der EuGH gefolgt (Urteile zu C-316/07; C-358/07; C-359/07), C-360/07; C-409/07; C-410/07; C-46/08) .
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Neben anderem geht es bei der Lobbyarbeit und der Litigation auch um die Ungleichbehandlung privater Glücksspielanbieter, denn der Staat betreibt Lotterien und Sportwetten (Oddset), konzessioniert aber private Spielbanken (vertreten durch den Verband Bupris), duldet private Wetten im Pferderennsport sowie private Spielhallen (Automatenglücksspiel, vertreten durch die Lobbygruppe AWI). Ironischerweise halten Experten diese Glücksspielvarianten für deutlich suchtgefährdender als Lotto.
Nach dem EuGH-Urteil vom September machten sich Länder wie Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen an eine "Fortentwicklung des Glücksspielstaatsvertrags", allerdings nicht mit der Stoßrichtung Liberalisierung. Um an einer Marktöffnung vorbei zu kommen, sollen sich die Länder mehr um die Suchtprävention und Spielerschutz kümmern. Denn nur das rechtfertigt das Staatsmonopol.
Da ziehen andere Länder allerdings nicht mehr mit. Die CDU/FDP-Koalition in Niedersachsen etwa hält das Modell des Staatsvertrags von 2008 für gescheitert. Schleswig-Holstein hatte zwischenzeitlich mit einem Alleingang bei der Reform gedroht. Ideal wäre für das Bundesland eine Lösung, die den Markt für Sportwetten und Online-Casinos öffnet, während das Lotto bei den Ländern bleibt. So ist es auch in Nachbarländern wie Dänemark oder Frankreich. Ob so eine teilweise Liberalisierung rechtlich wasserdicht ist, ist allerdings offen. In Niedersachsen wie Schleswig-Holstein ist die FDP die treibende Kraft.
Klar ist nur, dass sich vieles nicht mehr solide regulieren lässt. Das Internet hat inzwischen gewaltige Marktanteile, und wer wetten will, sucht sich halt ausländische Wettanbieter online. Die Vorschrift des Staatsvertrags „Das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet ist verboten" greift schlicht nicht so, wie sie sollte.
Zudem ist durch die Verbote auch im Inland ein Schwarzmarkt entstanden, von Hinterzimmer-Poker bis zu neuen Spielhallen, die es mit den Regeln nicht so genau nehmen und den konzessionierten Spielbanken die Umsätze streitig machen – wiederum zu Lasten der Landesfinanzkassen.
Die Zeit drängt. Der alte Staatsvertrag sollte ohnehin Ende 2011 auslaufen, eine Verlängerung hätte von 13 der 16 Bundesländer beschlossen werden müssen. Die Gerichtsurteile verkomplizieren die Reform nun noch einmal. Die Regelung des Staatsvertrags darf „nicht weiter angewandt werden“, eine neue, mit EU-Recht kompatible, muss dringend her – im Moment steht das Glücksspiel quasi in einer rechtsfreien Zone.
Herr Arp war ja Teilnehmer einer Podiumsdiskussion und wurde damit zu der Konferenz praktisch als Vortragender eingeladen. Und da hätte er sich die Reise selber zahlen sollen??
AntwortenLöschenDas war völlig in Ordnung, doch in der Panik um ihre Pfründe schütten die Lotto-Leute ihn nun an.
Danke für den Kommentar.
AntwortenLöschenIch bin nicht so sicher, ob das "völlig in Ordnung" ist für einen Politiker, der erheblichen Einfluss auf die Regulierung der Branche hat. Sicher, es ist üblich, dass zum Vortrag oder Podium eingeladene Gäste Reisekosten erstattet bekommen. Aber aus eigenem Interesse hätte Arp anders handeln sollen. Ganz offensichtlich hat er sich angreifbar gemacht. Es geht ja auch immer darum, den bösen Schein zu vermeiden. Wenn die Konferenz so wichtig war für ihn, hätte er die Kosten auch selbst tragen können, dafür hat er ja eine Pauschale.
Stimmt, so gesehen haben Sie natürlich völlig recht - er hat sich angreifbar gemacht, gerade als Politiker muss er da doppelt vorsichtig sein. Ein Wirtschaftstreibender würde meiner Meinung nach Konferenz-Kosten kaum selber tragen, wenn er eingeladen wird und einen Vortrag hält, also sozusagen zum Konferenz-Programm gehört, aber ein Politiker muss doch immer die Unabhängigkeit wahren und sollte wohl generell nichts annehmen.
AntwortenLöschenÜbermorgen wird's spannend - in welche Richtung wird das Pendel schlagen?
Derzeit treibt das Lobbying von beiden Seiten ja auf den Höhepunkt zu.