Der promovierte Volkswirt arbeitete beim Bundesverband der deutschen Industrie (BDI), war stellvertretender Geschäftsführer beim Verband der Automobilindustrie (VDA) und leitet seit 2007 bei BMW die Funktion Politik, koordiniert also die weltweiten politischen Repräsentanzen des Münchner Konzerns.
Auszüge:
€uro am Sonntag: Herr Becker, stört es Sie, wenn man Sie als Lobbyist bezeichnet?
Der Begriff Lobbyist wurde von einem US-Präsidenten in einer Hotellobby erfunden – also einem Raum, in dem Interessenvertreter und Politiker miteinander reden. Somit hat der Begriff eigentlich nichts Anrüchiges. Ich verstehe meine Tätigkeit aber eher als Kommunikationsdienstleister. Denn es reicht schon lange nicht mehr, mit breiter Brust aufzutreten und zu sagen, ich will das jetzt aber so. Oder zu sagen: Das geht nicht. Sie müssen mit Fakten, Transparenz und Lösungen argumentieren. Nur so überzeugen Sie.
Allein in Brüssel sollen 25 000 Interessenvertreter arbeiten. Welchen Einfluss hat da überhaupt ein Einzelner?
Gerade in der Autoindustrie kommunizieren die Unternehmen zum Beispiel bei Regulierungsthemen ihre Sichtweise gebündelt über die Verbände. Im Fall von Europa ist das beispielsweise die European Automobile Manufacturers’ Association, kurz ACEA.
Wie argumentieren Sie?
Es ist entscheidend, Glaubwürdigkeit und Plausibilität konkret darzustellen. Politische Positionen werden erst dann glaubwürdig, wenn die Hersteller zunächst zukunftsweisende Technologien in ihren Produkten umsetzen und damit einen Beitrag zur Lösung der gesellschaftlichen Herausforderungen leisten. Da hat gerade die BMW Group eine Menge zu bieten. (...)
Welche Aufgabe kommt Ihnen bei einem solchen Thema konkret zu?
Die Aufgabe unserer Abteilung ist eine Radarfunktion. Wir vermitteln zum einen als eine Art Frühwarnsystem die möglichen künftigen Anforderungen der Regierungen und anderer politischen Einflussgrößen in unser Haus. Langfristige Verantwortung und Profitabilität machen es erforderlich, frühzeitig künftige politische Themen zu erkennen. Deshalb arbeiten wir auch sehr eng mit den Strategiefunktionen, unseren Entwicklern und den Kommunikatoren zusammen. Und umgekehrt versorgen wir Regierungsstellen mit Fachinformationen.
Wie sieht das im Alltag aus? Reisen Sie um den Globus, speisen mit den Mächtigen der Welt und versuchen, en passant die BMW-Interessen zu platzieren?
Nein, so läuft das nicht. Wir vermitteln Ansprechpartner und Experten zu den anstehenden Themen aus unserem Unternehmen – übrigens meistens in die mittlere Hierarchieebene, die ja die Entscheidungen vorbereitet. Und wir übersetzen technische Sachverhalte und wirtschaftliche Bewertungen in politische Argumente. Das Verdichten von Fakten und das Vermitteln von Know-how leisten wir übrigens nicht nur ausschließlich für Politiker, sondern auch für nichtpolitische Institutionen und Forschungseinrichtungen. Dabei bieten wir auch eine Plattform für die Diskussion. So haben wir vor Kurzem in Berlin bei einer Veranstaltung mit Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle unsere Kooperation mit dem weltweit größten Stromversorger State Grid aus China präsentiert. (...)
Ist es schwieriger, die Regierenden in China als beispielsweise die Amerikaner zu überzeugen?
Nein, die Chinesen sind sehr offen für Sachargumente und orientieren sich stets an internationalen Standards – im Fall der Emissionsreduzierung übrigens sehr stark an den kalifornischen und denen der EU. Gerade in China schauen sich die Behörden vor einem eigenen Gesetz häufig erst mal gründlich an, was anderswo zu dem Thema bereits gemacht wurde. Wenn das zu mehr Konvergenz bei der Regulierung führt, erleichtert das natürlich auch unser Leben.
Kann man Ihre Tätigkeit ökonomisch messen?
Nein, das geht nicht – wie wollen Sie den Wert von Information oder umgekehrt den Preis einer nicht getroffenen Fehlentscheidung beziffern? Der Job meines Teams ist ein Beitrag von ganz vielen dazu, am Ende mit unseren Produkten erfolgreich zu sein.
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