Donnerstag, 6. Januar 2011

Subventionen: Von Transparenz zum Trickbetrug. Der "Klimawandel-Entschädigungsfonds" für Landwirte

Bauernfängerei mit Bürokratie und Datenmissbrauch

Über diese Köpenickiade müsste man lachen, wenn es nicht ein so mieser Betrugsversuch wäre. Landwirte, die EU-Subventionen erhalten, bekamen zum Jahreswechsel eine Zahlungsaufforderung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Zur Kasse: ein Pflichtbeitrag zum gesetzlichen "Klimawandel-Entschädigungsfond", zahlbar innerhalb von 14 Tagen mit dem beigefügten Überweisungsträger und bemessen nach den erhaltenen EU-Subventionen.

Die BLE gibt es, nicht aber den Fonds und auch nicht das Gesetz, auf das sich die Schreiben berufen. Die Briefe waren eine Fälschung.

Die politische Brisanz: Die Betrüger haben die Daten über die Höhe der Subventionen und die Anschriften der Betriebe offenbar den Internetseiten entnommen, mit denen die EU bis Anfang Dezember 2010 Transparenz über die Agrarförderung herstellen wollte. Der Europäische Gerichtshof hat die Praxis beendet, nachdem u.a. deutsche Bauern geklagt hatten.

Der Deutsche Bauernverband lässt daher heute wissen:
"Dieser dreiste Betrugsfall bestätigt den Deutschen Bauernverband (DBV) und seine Landesbauernverbände in ihrer unermüdlichen Kritik an eine überzogene Transparenz von Betriebsdaten, die erst durch den Europäischen Gerichtshof kürzlich gestoppt werden konnte. Die Berufsverbände hatten mit großer Besorgnis darauf hingewiesen, dass eine Veröffentlichung von Prämienzahlungen mit den persönlichen Angaben des jeweiligen Betriebes – dazu auch noch per Internet und jedermann zugänglich – nicht nur Begehrlichkeiten und Erwartungen Dritter erzeugen, sondern vor allem auch missbraucht werden können. Genau dies ist jetzt eingetreten. In dem gefälschten Schreiben konnten die individuellen Betriebsprämien exakt angegeben werden. Wer den Missbrauch von persönlichen und betrieblichen Daten bis hin zu Straftaten nicht Tür und Tor öffnen will, sollte sich nicht dazu verleiten lassen, jedermann darauf unkontrolliert Zugriff zu geben."

Für die Offenlegung der EU-Agrarsubventionszahlungen hatten NGOs jahrelang lobbyiert, unter anderem die Initiative Farmsubsidy.org.

Der Hintergrund: Ein großer Teil der EU-Fördermittel geht keineswegs an mittelständische Bauern, sondern an Großunternehmen der Lebensmittelindustrie von Nestlé bis Süducker, von Kraft bis Campina, von MüllerMilch bis Storck; an Groß-Genossenschaften wie ostdeutsche LPG-Nachfolger, aber auch an Energieriesen wie RWE, Golfclubs, Reitschulen, Eisenbahnen, Kliniken, die Lufthansa, Kläranlagen, Banken und Großgrundbesitzer wie Prinz Charles. Rund 40% der Betriebe erhalten nur 8% der Gelder, aber 80% der Gelder gehen an 20% der Betriebe. 

Das hat in den vergangenen Jahren für immer mehr kontroverse Diskussionen gesorgt. So gab die EU nach und forcierte die Transparenz. Brüssel hatte im Rahmen der Europäischen Transparenzinitiative auch die BLE dazu verpflichtet, die Daten im Internet zu publizieren (Beispielabbildung links von der BLE, Sonderseite agrar-fischerei-zahlungen.de, nun gesperrt.) Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat das am 9. November 2010 mit Urteilen in den Fällen C-92/09 und C-93/09 beendet.

Das gefälschte BLE-Schreiben (Abbildung rechts von der Landwirtschaftskammer Hessen) mit Datum vom 27.12.2010 ist schon fast eine Parodie auf Bürokratendeutsch:
"Auf der Ermächtigungsgrundlage des §5 Abs. 2 des Gesetz zum Schutz landwirtschaftlicher Anbaugebiete (Bundes-Havarieschutzgesetz - BHaSchG) wurde mit Erlass der Klimawandel-Entschädigungsfondsverordnung (KlimaEV) der gesetzliche Klimawandel-Entschädigungsfond mit Wirkung vom 01.09.2009 als nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes eingerichtet. Die Haftung erstreckt sich auf entstandene Schäden an Personen und Sachen sowie auf daraus sich ergebende Folgeschäden, die durch Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Dürreperioden, Brände, Stürme und Hitzewellen verursacht werden.
Gemäß §5 Abs. 3 BHaSchG müssen alle Empfänger von Zuschüssen aus EU Agrarfonds und -Fischereifonds Beiträge zum Klimawandel-Entschädigungsfond (KLEF) zahlen. Eine Befreiungsmöglichkeit von dieser Beitragspflicht sieht das Gesetz nicht vor..."
Kann es auch nicht, da es das HaSchG nicht gibt,  die KlimaEV auch nicht und ebensowenig den KLEF – reine Bauernfängerei.

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