Dienstag, 16. August 2011

Informationsfreiheitsgesetze: Herausforderung für organisierte Interessen

Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Bundes ist fünf Jahre alt – aber immer noch ein gut gehütetes Geheimnis, wenig bekannt und wenig genutzt. Das wird sicher auch die laufende Evaluation zeigen, wie frühere Zwischenberichte auch. Mehrere NGOs setzen derzeit darauf, die Bekanntheit zu erhöhen und Verfahren zu vereinfachen. Seit 1. August bietet die Plattform FragdenStaat.de neue Möglichkeiten und praktische Hilfen, Auskünfte an Bundesbehörden online zu stellen – und die Ergebnisse ebenfalls online zu publizieren (wenn man will). Vorbild ist die britische Seite Whatdotheyknow.com.
Plattform FragdenStaat.de

Die Initiative ist erfreulich, wird sie doch sicher den Druck erhöhen, die Verwaltungskultur und Informationspolitik zu verändern. Dennoch sollte man nicht zu viel erwarten. Amtsgeheimnis und Amtsverschwiegenheit  haben in Deutschland eine lange Tradition. Nach dieser Geisteshaltung ist alles geheim, was nicht explizit öffentlich ist, und die einzige Ausnahme war – ausschließlich für Verfahrensbeteiligte – das Recht auf Akteneinsicht nach Verwaltungsverfahrensgesetz. Informationsfreiheit soll genau das ändern und ein Öffentlichkeitsprinzip durchsetzen. Doch der Weg ist steinig.

Die Realität ist: Wer die IFG in Bund und Ländern nutzen will, braucht geschulte Leute, Fach-, Rechts- und Methodenwissen, Geld, einen langen Atem, Konfliktbereitschaft sowie findige Anwälte. 

Auch wenn es bitter klingt: Die als allgemeines Bürgerrecht gedachte Informationsfreiheit ist eher etwas für Profis
, die genau über diese Ressourcen verfügen, um die Tresore der Verwaltung zu knacken – und einen guten Grund, die Herausgabe der Informationen zu erzwingen. Ob die IFG „scharfe Waffe oder Papiertiger“ (Blog Silicon.de) sind, hängt eben auch von der Hartnäckigkeit und intelligenten Nutzung der Anfrager ab.

An Journalisten denkt man zuerst. Zumindest Verlage und Sender, die sich noch investigative Reporter leisten, können mit dem IFG etwas anfangen. Ein Beispiel der ersten Stunden 2006/7 war der Stern-Reporter Hans-Martin Tillack, der nach monatelangem Gezerre über das Sponsoring der Wehrtechnik-Industrie von Sommerfesten des Verteidigungsministeriums sehr präzise berichten konnte („Zum Wohl,liebe Staatsdiener!“). In seinem Blog berichtete er über die Widrigkeiten solcher Recherchen („Auf der Spur der Regierungssponsoren: Wie bitte, Sie wollen Informationsfreiheit“)

Der Journalistenverein Netzwerk Recherche setzt sich seit langem für die Nutzung der IFG ein. Eine der rührigsten Initiatoren (und Recherchetrainer) bei NR ist interessanterweise kein klassischer Medienvertreter, sondern Manfred Redelfs, Leiter der Rechercheabteilung bei Greenpeace.

Kein Zufall. NGOs gehören zu den eifrigsten Nutzern der IFG. Nicht immer haben sie damit Glück. Ein Beispiel ist Foodwatch: Die Organisation bekriegt sich seit drei Jahren mit einem Landesamt in Niedersachsen, um Daten zu Fleischproben zu erhalten. Aber immerhin, Foodwatch beweist Durchhaltevermögen.

Gleiche IFG-Aktivitäten lassen sich von anderen organisierten Interessen nicht feststellen – anders als in den USA, wo Lobbygruppen und auch Parteien und Wahlkämpfer reichlich von den Möglichkeiten Gebrauch machen.

Dabei könnten Verbände, Unternehmen oder Beratungsfirmen die Rechte gleichermaßen nutzen. Nur macht man sich damit nicht gerade bei Politik und Verwaltung beliebt. Und wer ohnehin gute informelle Drähte pflegt, braucht das IFG vielleicht gar nicht. 

Schwerwiegender dürfte allerdings sein, dass bestimmte Gruppen gar kein Interesse daran haben, den Gebrauch des IFG zu fördern.

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) etwa nahm im Bundestags-Innenausschuss 2005 so Stellung:
„Voraussetzungslose Informationsrechte würden ... das gesamte geschützte Know-how der Unternehmen gefährden. Entwicklungen von Produkten, Produktionsverfahren und Vertriebsstrategien werden mit großem finanziellen Aufwand geschaffen. Sie dürfen auch dann nicht veröffentlicht werden, wenn sie in Genehmigungsverfahren Behörden vorgelegt worden sind. Damit wür¬den hart erarbeitete Wettbewerbsvorteile zunichte gemacht.“(BDI-Pressemitteilung "Informationsfreiheitsgesetz des Bundes führt zu noch mehr Bürokratie", 14.03.2005, siehe auch schriftliche Stellungnahme im Ausschuss)
In einem Tagesschau-Interview 2007 nannte der BDI das Gesetz "entbehrlich" und befürchtete „ziemliche Bürokratie“. Es gebe große Risiken darin, jedermann einen „grenzenlosen Anspruch“ und „Akteneinsicht zu gestatten, ohne Rücksicht darauf, ob andere Interessen beeinträchtigt werden“. Der Verband  setzte alles daran, „dass bei Antworten von Behörden auf Anfragen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen und ähnliche Daten außen vor gelassen werden.“ Denn der BDI erwartete dazu Auseinandersetzungen und Klageverfahren.

Damit sollte er Recht behalten.

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritter sind derzeit der größte Stolperstein bei Ersuchen nach dem Bundes-IFG (§ 6). Edda Müller, Vorsitzende von Transparency International und frühere Chefin der Verbraucherzentrale Bundesverband, kritisierte im Januar 2011:
„Mit dem nicht selten pauschalen Hinweis auf das Vorliegen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen werden derzeit zahlreiche Informationsersuchen nach dem IFG verweigert. Wir brauchen daher dringend eine Legaldefinition und insbesondere eine Klarstellung des Begriffs der Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen.“
Der Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ist in Deutschland sehr strikt. Im Ausland und auch z.B. im Berliner IFG gibt es häufig ein Abwägungsgebot: Wenn die Interessen Dritter berührt sind, ist ein „public interest test“ vorzunehmen, um festzustellen, ob das öffentliche Interesse schwerer wiegt als das Schutzrecht Privater.  „Ein gutes Beispiel, das Schule machen sollte“, meint Müller und verlangt die Einführung dieses Abwägungsgebots im Bundesrecht – eine Änderung, die Müller mit der Novelle des Verbraucherinformationsgesetzes verbinden und in ein allgemeines Bürgerinformationsgesetz münden lassen will.

Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Peter Schaar, steht auf ihrer Seite. Er hält den strikten Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen für nicht mehr zeitgemäß. Im Sommer 2010 formulierte Schaar in einem Tagungsbeitrag („Informationsfreiheitsgesetz des Bundes: Erfahrungen und Entwicklungen“):
„Sind die begehrten Informationen einmal als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse anzusehen, so hat die Behörde keinen Spielraum und muss den Antrag auf Informationszugang ablehnen, wenn das Unternehmen einer Weitergabe nicht vorher zugestimmt hat. Dies wird nicht der Tatsache gerecht, dass solche Informationen durchaus nicht immer schützenswert sind und lässt ein mögliches öffentliches Interesse am Informationszugang außer Acht. Eine Abwägung zwischen beiden Rechtspositionen, die in anderen Rechtsordnungen unter dem Stichwort public interest test selbstverständlich ist, sieht das IFG des Bundes nicht vor. Dies halte ich nicht für zeitgemäß und ist wohl eher auf die Sorge des Gesetzgebers zurückzuführen, dass das IFG seinerzeit nicht durchsetzbar gewesen wäre. Das Beispiel von § 9 UIG [Umweltinformationsgesetz] zeigt indes, dass auch der deutschen Rechtsordnung eine Abwägung zwischen Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und öffentlichem Informationsinteresse nicht fremd ist. Mir ist nicht bekannt, dass dies in der Praxis zu unverhältnismäßigen Eingriffen in die geschützten Belange der Unternehmen geführt hätte.“
Bei der Tagung Re:Publica im April (siehe Video) berichtet der Leiter der Greenpeace-Rechercheabteilung, Manfred Redelfs, von seinen Recherchen zu Agrarsubventionen an große Unternehmen. Anders als gemeinhin vermutet, erhalten nicht nur Bauern, sondern zum Beispiel auch Lebensmittelkonzerne oder die Lufthansa Landwirtschaftsbeihilfen. Greenpeace stellte ein IFG-Ersuchen, musste aber vor Gericht ziehen, um dieses durchzusetzen:
„Das ganze Verfahren ging bis vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, also die letzte Instanz. Das hat drei Jahre gedauert. Immerhin habe ich gewonnen und dann auch exklusive Daten gehabt, Daten, die niemandem vorlagen. Aber das war mehr oder weniger Zufall. In vielen Fällen kann es ja sein, dass man es mit Fragen zu tun hat, die so zeitkritisch sind, dass einem die Information nur etwas nützt, wenn man sie auch wirklich schnell erhält. Gerade im Journalismus, oder bei Verbraucherthemen. Denken wir an Lebensmittelskandale. Wenn man also nach Jahren bestimmte Daten erhält, dann sind diese Lebensmittel, um die es geht, längst gegessen. Buchstäblich ist der Fall dann auch längst gegessen.
Daher ist ein zentrales Problem dieses ganzen Gesetzes einfach die lange Verfahrensdauer. Einen Monat dauert es sowieso, bis die Behörde antworten muss. Dann werden unter Umständen noch Firmen angehört, die von dieser Auskunft betroffen sind. Dadurch kann sich die Antwortfrist um einen weiteren Monat verlängern. Aber ein zentrales Problem ist auch das Prozessrecht in Deutschland. Wenn diese Firmen klagen gegen die Veröffentlichung, weil sie sich zum Beispiel auf das Vorliegen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen berufen, wie es bei den Agrarsubventionen der Fall war, dann geht es vor Gericht, und man wartet in Deutschland schon ein bis zwei Jahre, bis man überhaupt einen Termin vor dem Verwaltungsgericht erhält.“


Redelfs ist der Auffassung, dass Lobbydruck etwa Ministerien dazu veranlassen könne, die Informationsweitergabe zu blockieren:
Nach meiner Erfahrung korreliert die Brisanz der Information mit den Schwierigkeiten, die man beim Antrag hat (…). Mein persönlicher Eindruck ist, dass es weniger daran hängt, wie knifflig juristisch der Fall ist, sondern eher, wie problematisch das Bekanntwerden der Information für die betroffene Behörde ist (...) oder ob die Behörde, wenn sie denn nicht selbst unmittelbar in einem schlechten Licht erscheint durch die Daten, Druck fürchtet zum Beispiel durch Industrieverbände. Der BDI war zum Beispiel ein zentraler Gegner des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes und hat dazu viel Lobbyarbeit gemacht, und natürlich haben einzelne Fachbehörden auch einzelne Verbände der Industrie im Rücken. Ich selber habe das erfahren bei meinen Anträgen zu den Agrarsubventionen  dass dann immer das Argument kam, die Vergabe dieser Mittel könne nicht transparent gemacht werden, weil es sich hier um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handeln würde, was völliger Unsinn ist, weil  um Subventionen kein wirtschaftlicher Wettbewerb stattfindet.“
Redelfs verweist im Übrigen darauf, dass die durch sein IFG-Ersuchen zusammengestellten Daten auch bei den Behörden neue Prüfaktivitäten auslösten. So sei es zu einer Razzia bei einem Subventionsempfänger gekommen, der sich einen dreistelligen Millionenbetrag an Zuckersubventionen erschwindelt habe.

Kein Ausnahmetatbestand mehr: Regierungshandeln und Gesetzgebungsprozesse
Neben den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen blockieren Ministerien bisher vor allem beim Kernbereich der Politik: dem „Regierungshandeln“. Das Bundes-IFG zieht einen Schutzzaun um die Interna der Exekutive (§ 3 Schutz von besonderen öffentlichen Belangen, § 4 Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses).

Das bedeutet, wenn die Regierung intern etwa über eine Gesetzesvorlage verhandelt, prallt jeder IFG-Anspruch ab. Die interne Willensbildung ist für das IFG tabu, wenn sie läuft.

Die offene Frage ist, wie weit dieser Schutz geht: Darf sich die Regierung auch im Nachhinein darauf berufen? Und gelten die Schutzklauseln auch für die Eingaben der Interessenvertreter? Bisher war die Linie: Ja, auf jeden Fall.
Das hat sich geändert. Das Oberverwaltungsgericht Berlin -Brandenburg, wie die erste Instanz in Berlin zuständig für die meisten Bundesministerien, hat mit Urteil vom 5. Oktober 2010 (12. Senat, Az. OVG 12 B 5.08) klar festgestellt, dass die ministerielle Vorbereitung von Gesetzesvorhaben dem IFG unterliegt. Dagegen wurde allerdings Revision beim Bundesverwaltungsgericht beantragt.

Dem Richterspruch ging ein jahrelanger Prozess eines Rechtanwalts gegen das Bundesjustizministerium voraus; der Anwalt wollte Anfang 2006 Einsicht in Akten zur Vorbereitung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes. Er erhielt zunächst einmal die Forderung des Ministeriums, einen Kostenvorschuss in Höhe von 500 Euro zu leisten, und dann eine Ablehnung des Ersuchens.

Die erste Instanz stellte sich 2008 auf die Seite des Ministeriums: Die Willensbildung der Regierung und vorbereitende Akten gehörten zur Schutzzone des "Kernbereichs der exekutiven Eigenverantwortung“, der einen „grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich“ einschließt. Das interpretierte das OVG aber 2010 ganz anders.

Auch bei der Gesetzesproduktion handle das BMJ als Behörde, das IFG gelte für „die gesamte Exekutive“, der Gesetzgeber habe keine spezielle Tätigkeiten der Regierung ausgenommen (im Umweltinformationsgesetz sogar die Ministerien explizit eingeschlossen). Eine Differenzierung zwischen Behörden- und Regierungshandeln gebe es im Gesetz nicht. Das IFG wolle ja gerade Beteiligungs- und Verwaltungskontrollrechte für die Bürger, und dazu müssten die Vorbereitung und Begleitung von Gesetzgebungsvorhaben durch die Bundesministerien gehören:
„Wäre die Vorbereitung und Begleitung von Gesetzgebungsvorhaben durch die Bundesministerien dem Anwendungsbereich des IFG von vornherein entzogen, könnte die von dem Gesetzgeber angestrebte Partizipations- und Kontrollfunktion in einem für die demokratische Meinungs- und Willensbildung bedeutsamen Sektor nicht verwirklicht werden.“
Ein weiteres BMJ-Argument war, dass sich der  Antrag auf nichtöffentliche Vorgänge von Bundestag und Bundesrat beziehe, außerdem auf Akten der sog. BRAGO-Expertenkommission. Das Ministerium habe den Sachverständigen Vertraulichkeit garantiert. Trotzdem müssen die Akten herausgegeben, urteilte das OVG: Ein Interesse an vertraulicher Behandlung habe zum Zeitpunkt, als der Anwalt den IFG-Antrag gestellt habe, nicht mehr bestanden. Ebensowenig kaufte das OVG dem Justizministerium ab, die Durchsicht von 250 Seiten Akten der Kommission, um möglicherweise schützenswerte Privatdaten herauszufiltern, sei zu aufwändig. "Ohne weiteres zu bewältigen", beschied das Gericht.

Die neue Rechtslage ist wegen des Revisionsverfahrens noch nicht endgültig klar. Aber Folgen hatte das Urteil trotzdem. So im März 2011: Im Streit mit dem Verband Deutsche Hämophiliegesellschaft (DHG) machte das Bundesgesundheitsministerium, das sich lange gegen die Herausgabe von Akten zu Entschädigungsregelungen für mit HIV-Viren infizierte Bluterkranke („Bluterskandal“) gewehrt hatte, eine Kehrtwende. Die DHG hatte 2010 Akteneinsicht beantragt, denn der Verband hat den Verdacht,  dass das Gesundheitsressorts habe in Stellungnahmen an den Gesundheits- und Petitionsausschuss des Bundestages sowie an Abgeordnete Sachverhalte aus dem Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses (BT-Ds. 12/8591) falsch und unvollständig dargestellt habe. Das Ministerium gab nun die Akten heraus -  „im Interesse einer einheitlichen Handhabung“ des IFG. (DHG, „CV-Entschädigungsregelung: Bluterkranke erringen Teilerfolg“, PM 7.3.2011)

Das ist also ein Beispiel, wo eine Lobbyorganisation die politischen Handlungsweisen eines Ministeriums gegenüber dem Parlament überprüfen will. Etwas anders sieht die Debatte natürlich aus, wenn es um die Frage geht, ob und wie jedermann sich über das Lobbying bei der Regierung informieren  kann. Edda Müller vertritt die Position von Transparency International:
„Das Vertrauen der Bürger in eine unparteiische, zur Gleichbehandlung aller Bürger und Interessen verpflichteten Verwaltung und Regierung ist angesichts zahlreicher Beispiele erfolgreicher Lobbytätigkeit insbesondere starker Wirtschaftsinteressen zunehmend erschüttert. Die Schaffung ausreichend wirksamer Gegengewichte gegen die derzeitige Ungleichgewichtigkeit von Interessen ist daher ein zentrales Gebot zum Schutz unserer Demokratie. Wirksame Informationsrechte der Bürger können das notwendige Gegengewicht darstellen.
Auch aus unserer Sicht ist es unstrittig, dass die Vorbereitung von Regierungsentscheidungen bis zur endgültigen Entscheidung im Kabinett in ihren entscheidungsrelevanten Punkten im Interesse der Konsensfindung nicht öffentlich gemacht werden muss. Dies darf jedoch nicht für den abgeschlossenen Entscheidungsprozess, und es sollte in keinem Fall für den Beitrag externer Akteure an der Vorbereitung gelten. Nicht nur die Öffentlichkeit, sondern vor allem auch das Parlament müssen das Recht haben zu erfahren, wer, zu welchem Aspekt und Streitpunkt, welches Gutachten geliefert sowie welche Sachverständigen und Lobbyisten im Rahmen von Gremien und in Form von Stellungnahmen am Entscheidungsprozess beteiligt waren.
Wir haben den Eindruck, dass der Deutsche Bundestag die Bedeutung des IFG sowie die grundsätzliche Notwendigkeit einer Stärkung der Bürgerrechte auf Information noch nicht in ihrer ganzen Tragweite für unsere Demokratie verstanden hat.“
Die Intransparenz der Transparenzgesetze
Damit ist also eine Schranke eingerissen. Das ändert aber nichts an anderen Schwachstellen der neuen Informationsfreiheit. Dazu gehört der föderale Flickenteppich. Informationsfreiheit meint in  Deutschland keineswegs überall dasselbe.

Schon auf Bundesebene gibt es gleich drei Gesetze, die Informationszugänge ermöglichen: Neben dem IFG das Verbraucherinformationsgesetz und das Umweltinformationsgesetz, die (wie oben erwähnt) durchaus unterschiedliche Reichweiten, Verfahren und Ansprüche formulieren. Für den Bürger dürften im Regelfall bei direkter Betroffenheit die Landes- und Kommunalbehörden  wichtiger sein. Dazu gibt es in 11 von 16 Bundesländern eigene IFG, außerdem Landes-Informationsgesetze. Und außerdem zeichnet sich ein Trend ab, dass Kommunen (z.B. die Stadt München) eigene Informationsfreiheitssatzungen in Kraft setzen.

Wer eine Anfrage stellt, muss sich zum Beispiel zwischen einfacher Aktenauskunft oder Akteneinsicht entscheiden, mitteilen, ob er Kopien wünscht. Er muss sich für den Informationszugang auf ein konkretes Gesetz beziehen. Er muss die  Voraussetzungen kennen, die Antwortfristen, und was zu tun ist, wenn die Behörde ablehnt. Dabei führt der Weg nicht unbedingt sofort vor Gericht. Stattdessen kann man den Informationsfreiheitsbeauftragten einschalten, der direkt bei der Behörde intervenieren, aber auch Fälle öffentlich machen kann.

Kostenfalle
Und dann ist da noch das Sorgenkind einer Kostenfalle. Aus Angst vor einer Anfragenlawine erheben die Verwaltungen Gebühren (z.B. nach § 10 IFG-Bund). Das ist zwar einsichtig, weil es sich um einen Extraservice handelt. Allerdings scheinen manche Behörden dies als Abschreckungsinstrument zu verstehen.

Wie das aussieht, kann man z.B. im Begleit-Blog zu FragdenStaat.de nachlesen. Da stellt einer eine Anfrage an das Kanzleramt und bittet um die Übersendung von Tagesordnung, Protokoll und Teilnehmerliste zum Besuch des kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos. Postwendend kommt erst einmal eine Belehrung:
„Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass für die beantragte Einsichtnahme in die erbetenen Akten bei der Behörde einschließlich der erforderlichen Vorbereitungsmaßnahmen Gebühren bis zu 500.-€ und Auslagen in Höhe von 0,10 € je DIN-A4-Kopie anfallen können. Die genaue Höhe ist abhängig vom Verwaltungsaufwand, insbesondere von der Zahl der zu leistenden Arbeitsstunden, und lässt sich derzeit noch nicht beziffern. Ein im Einzelfall erhöhter Verwaltungsaufwand kann vorliegend insbesondere durch die Zusammenstellung von Unterlagen entstehen und durch die Prüfung, ob schützenswerte Daten Dritter auszusondern sind.“
„Vor diesem Hintergrund bitte ich um Rückäußerung, ob Sie Ihren Antrag aufrecht erhalten möchten oder dieser Ihrerseits zurückgenommen wird.“
Bei einer “einfachen Anfrage” sollte es gar keine Gebühren geben. Ansonsten sollte eine konkrete Kostenangabe präsentiert werden, das Kanzleramt nennt aber mit 500 Euro den gesetzlichen Höchstbetrag. Und es ist auch nicht wirklich nett, gleich nahezulegen, den Antrag zurückzuziehen, wie das Blog richtig bemerkt.

Recherche-Training für die Informationsfreiheit
Das alles zeigt, dass der Bürger auf Rundum-Service der Behörden meist nicht hoffen darf und selbst organisierte Interessen vor Herausforderungen stehen, wenn sie die IFG nutzen wollen. Das ist eine steile Lernkurve. Zudem wird man mit realistischen Erwartungen herangehen müssen, was man per IFG überhaupt erlangen kann und was nicht. Das erfordert Kenntnisse, Erfahrungen und Pragmatismus – bei begrenzten Ressourcen drängt sich ja wirklich die Frage auf: Was bringt das im Vergleich zum Aufwand? Eine Antwort lautet: Es bringt mehr, wenn man...
  • sich mit Möglichkeiten und Grenzen auskennt und mit den Verfahren genau vertraut macht; 
  • die richtigen Formulierungen wählt, um Klarheit für die Behörde zu schaffen und Verzögerungen zu vermeiden, 
  • die Rechtslage einschätzen kann; 
  • von der Praxis der Journalisten und NGOs lernt, die bereits IFG-Erfahrungen gemacht haben; 
  • und bereits anderweitig gute Informationen recherchiert hat, die man über IFG-Ersuchen systematisch ergänzen kann. 
Das sind zumindest die Lektionen, die man etwa beim britischen Research Information Network lernen kann – übrigens auch Lektionen für wissenschaftliche Forscher. Recherchetrainings und gute Anleitungen für Einsteiger (und Fortgeschrittene) sind notwendig, um auch bei komplizierten und erst recht brisanten Fällen Erfolg zu haben.

Vom Ausland lässt sich auch bei den Schwierigkeiten lernen. Für den innerdeutschen Erfahrungsaustausch dürfte FragdenStaat.de eine gute Plattform sein. Organisierte Interessen werden allerdings ihre eigenen Ressourcen entwickeln müssen.

Hilfestellungen

Textsammlung und Linksammlung zur Durchsetzung von Auskunftsansprüchen auf den Seiten von Netzwerk Recherche -- Udo Branahl


Medienberichte über die Plattform FragdenStaat.de

1 Kommentar:

  1. Ihr habt wirklich eine gute Art. Gute Art die Informationen bereit zu stellen und ich konnte mich darauf beziehen. So eine tolle Information für mich. Danke für das.

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