Das Angebot reiht sich ein in die Versuche, die vom Bundestag veröffentlichten Daten für die Recherche aufzubereiten und bildlich sichtbar zu machen -- so etwa durch die Politische Datenbank Unklarheiten.de oder Gregor Aischs Visualisierung (siehe dazu auch Blogbeitrag vom 13.10.2010).
Das Angebot ist ein Produkt des Trends zum Datenjournalismus (Siehe auch Blogbeitrag: Datengetriebener Politikjournalismus: Mittel gegen "leisen Tod der Fachpolitiker"?, 5.1.2011).
Das taz-Tool wurde programmiert vom OpenDataCity-Team Marco Maas und Lorenz Matzat (bloggt bei OpenData bei Zeit Online und Datenjournalist.de) sowie Gregor Aisch und Stephan Lindner.
Wieviel Mühe hinter dem Angebot steckt, erkennt man erst auf den zweiten Blick. Eine recherchefähige Datenbank braucht Daten, klar, aber die Bundestagsverwaltung veröffentlicht die Angaben, die auf den Rechenschaftsberichten der Parteien basieren, nicht in maschinenlesbarer Form. Die Recherche war bisher sehr mühsam, musste man sich doch im Jahresbericht (PDF für 2009) doch durch Texte und Tabellen quälen, und noch schlimmer: Die Listen, in denen Spender namentlich genannt werden, sind gescannte Bilder. Schon mit der Digitalisierung (Texterkennung und Nachkontrolle) hat das Team sich verdient gemacht.
Jetzt reicht also bei der Recherche die Eingabe in eine Suchmaske. Wer mit den Daten selbst Analysen vornehmen will, darf sie herunterladen (OpenData) und weiterverwenden.
Gesucht werden kann nach Partei, Betrag, natürlichen oder juristischen Personen. Die schöne Karte gibt es nur für 2009, dafür aber -- dank Google -- mit detaillierter Straßensuche. So lassen sich Spender nach Wahlkreisen ermitteln.
Die Datengrundlage ist begrenzt. Erstens: Die jüngsten Daten sind von 2009. Kein unwichtiges Jahr, da es eine Bundestagswahl gab. Dennoch bleibt es ein Ärgernis, dass sich die Parteien für ihre Rechenschaftsberichte eineinhalb Jahre Zeit lassen dürfen. In der Politik eine Ewigkeit. Was im Bundestagswahljahr 2013 an Großspenden eingehen wird, werden wir erst 2015 wissen. Nur Großspenden ab 50.000 Euro werden sofort gemeldet und vom Bundestag veröffentlicht.
Zweitens: Die Datenbank kann nur erfassen, was das Parteiengesetz zu Pflichtmeldungen erhebt, und das sind Spenden erst ab 10.000 Euro Gesamtsumme pro Person und Jahr. Das heißt aber auch, dass nur ein Bruchteil der Spender veröffentlicht wird. Für Recherchen sind sicherlich nicht die 5, 50 oder 500 Euro interessant, die am unteren Ende der "Spenderpyramide" (Fundraiser-Jargon) liegen; wohl aber die, die knapp unter der Grenze von 9.999 Euro liegen.
Partei-Schatzmeister und Profi-Spender wissen das natürlich. So werden Spenden nach wie vor gestückelt, obwohl das dem Prinzip nach verboten ist. Gegen die Aufteilung auf mehrere Personen oder Organisationen scheint aber kein Kraut gewachsen.
Martin Reyher hat einige der Taktiken, mit denen die Veröffentlichungspflicht umgangen wird, in einem Blogbeitrag "Stückeln, bündeln, tarnen: Die Tricks mit den Parteispenden" bei Abgeordnetenwatch.de aufgespießt und anschaulich gemacht (22. Juni 2011).
Eine besondere Rolle spielen dabei die Großspenden von Verbänden und Unternehmen. Diese Studie dazu sollte man kennen: Martin Höpner (2009, Juni). Parteigänger und Landschaftspfleger: Eine Analyse der Parteispenden großer deutscher Unternehmen, 1984–2005. Max-Planck-Insitut für Gesellschaftsforschung, MPIfG Working Paper 09/6.
Datenjournalismus und Bürgerjournalismus
Die Zeitung will das Online-Werkzeug als Mitmach-Angebot verstanden wissen. Die Leser sollen selbst recherchieren. Der Datenjournalismus der Profi-Rechercheure wird mit Graswurzel- und Bürgerjournalismus verknüpft: Die User sollen etwa nach regionalen Spendern und Empfängern suchen, den Journalisten Tipps zum Nachrecherchieren geben. "Die Taz erhofft sich, dass das Thema ein Dauerbrenner wird, mit immer neuen Tipps zu möglichen Unregelmäßigkeiten seitens der User", heißt es auf der taz-Website.
"Lobbyisten überweisen jedes Jahr Millionen auf die Konten der Parteien. Kontrolliert wird das kaum. taz-LeserInnen können jetzt online nach fragwürdigen Geldflüssen fahnden." Zum Start forderte die Zeitung ihre Leser im Aufmacher auf: "Finden Sie einen Parteispenden-Skandal!". Außerdem bittet das Blatt die User um Online-Spenden für die Datenaufbereitung.
In seinem Kommentar "Offenlegen, wer wen bezahlt" sagt der stellvertretende taz-Chefredakteur Reiner Metzger:
Parteispenden sind nötig, weil die Parteien sich möglichst unabhängig vom Staat finanzieren sollen. Parteispenden sind aber auch gefährlich, weil die Spender etwas für ihre Spende haben wollen. Das Spendenwesen an Parteien und ihre Funktionäre muss deshalb offenliegen, damit alle sehen können, wer hier wen bezahlt. Mit dieser Offenheit jedoch liegt es im Argen. Die Regierung soll die Parteien nicht über Finanzinspektoren unter ihrer Fuchtel haben, das wäre schlecht für die Demokratie. Aber derzeit kontrollieren die Parteien in Deutschland ihre Finanzen letztendlich selbst. Und das ist auch nicht gut so.
Der Ausweg aus diesem Dilemma ist öffentliche Kontrolle, durch den Wähler direkt. Jede bedeutende Spende muss veröffentlicht werden. Und zwar sofort. Das widerspricht dem Anspruch mancher Parteispender nach Anonymität. Aber wer öffentliche und mächtige Institutionen wie die Parteien bezahlt, der kann sich nicht auf Anonymität berufen.
Derzeit erfährt man von den meisten Spenden gar nichts, ein paar hundert Spenden über 10.000 Euro werden in einer Riesentabelle etwa eineinhalb Jahre später veröffentlicht. Nur die über 50.000 Euro gelangen innerhalb etwa einer Woche ans Licht. Dabei müssen auch nach geltendem Recht alle Spenden an die Schatzmeister gemeldet werden, es entsteht also durch mehr Transparenz kein wesentlich größerer Aufwand. In Zeiten des Internets werden solche Datenmengen für engagierte Bürger leichter durchsuchbar, wie die Fußnoten bei Exminister zu Guttenberg. Also her mit den Details.
Was ist eine relevante Spende? Eher ab 1.000 als ab 10.000 Euro, das zeigen bekannte Beispiele. Sonst werden die Gaben verteilt auf verschiedene Personen. Außerdem gilt es, die vielen Schlupflöcher abzudichten und schwammige Definitionen zu klären. (...) Dass die Daten bei den jeweiligen Bundesschatzmeistern auf den Computern bereitliegen, aber nur einem winzigen Kreis zugänglich sind, schmerzt ziemlich. Da wünscht man sich das nächste Datenleck herbei. Denn es braucht mal wieder einen Skandal für eine Reform.
Das ist wohl in der Tat so.
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