Die Legal Tribune Online bietet diese Woche ein Interviewmit dem amerikanischen Litigation-PR-Pionier James F. Haggerty, Autor des Buches "In The Court Of Public Opinion: Winning Strategies for LitigationCommunications".
Haggerty vergleicht Litigation-PR mit Lobbyarbeit. Litigation-PR werde häufig mit Krisenkommunikation verglichen, doch gebe es erhebliche Unterschiede – vor allem den Zeitrahmen. Die meisten (Medien-) Krisen seien nach recht kurzer Zeit beendet, Gerichtsverfahren zögen sich jedoch sehr in die Länge.
Wenn eine Industrieanlage in die Luft fliegt, tritt der Krisen-Kommunikationsplan sofort in Kraft. Aber die Krise endet üblicherweise nach 48 oder 72 Stunden, vielleicht nach einer Woche. Die Reaktion der Medien erfolgt innerhalb dieses Zeitrahmens. Ein Gerichtsverfahren hingegen kann Monate oder Jahre dauern. Wir haben an Fällen mitgearbeitet, die beinahe ein Jahrzehnt dauerten. Der Rhythmus von Information und Kommunikation ist also ein ganz anderer. Deshalb mussten wir Strategien und Techniken entwickeln, um mit dem Wissen reagieren zu können, dass der Fall uns noch einige Zeit begleiten wird.
Zudem seien die juristischen Fälle von hoher Komplexität. Eine Fülle an Informationen, Dokumenten, Beweisen und Daten sei aufzubereiten.
„In dieser Hinsicht ist Litigation-PR vergleichbar mit Lobbyarbeit, bei der man große Mengen komplexer Information für einen bestimmten Personenkreis zusammenfasst.“ In den Verfahren könnten Tausende Seiten Akten und Millionen von Dokumenten anfallen.
Es ist sehr schwierig, dies einem Personenkreis zu vermitteln, der nicht alles lesen muss. Hin und wieder höre ich von einem Anwalt: "Ein Journalist hat mich gerade angerufen und ich habe ihm die Unterlagen rübergeschickt." Stellen Sie sich einen Meter hohen Aktenberg vor, auf dem Schreibtisch des Journalisten, dessen Deadline in zwei Stunden abläuft. Wie soll er diese Informationen verarbeiten? Ein großer Teil unserer Arbeit besteht darin, in diesen umfangreichen Informationen eine "Story" zu finden.
Wie seriöse Lobbyisten plädiert auch Haggerty dafür, die eigene Sache ausgewogen zu präsentieren und nicht nur herauszupicken, was sie in ein positives Licht rückt. Da Gerichtsakten öffentlich seien und die Fakten via Internet schnelle Verbreitung fänden, könne Einseitigkeit bei der Information zum Bumerang werden.
In der Litigation-PR seien vor allem Anwälte gefragt, die fähig sind, nicht nur große Mengen an Information zu verarbeiten, und darüber hinaus wüssten, welche Aspekte für die Öffentlichkeit wichtig seien. Diese Kompetenzen „unterscheiden sich sehr von den Fähigkeiten, die ein Rechtsanwalt sonst benötigt“, sagt Haggerty.
Rechtsanwälte stecken sehr tief in den Details eines Falles. Oft passiert es, dass ein Journalist einen Anwalt anruft. Der ist gedanklich mit dem beschäftigt, was er in diesem Moment bearbeitet. Und das ist es dann, worüber er mit dem Journalisten spricht. Auch wenn es sich nur um einen sehr kleinen Teil eines großen Falles handelt. Wir bringen Anwälten bei, einen Schritt zurück zu treten, den ganzen Fall zu betrachten und dann auf dieser Ebene darüber zu reden.
Der Litigation-PR-Berater komme außerdem bei der Kommunikationsstrategie und z.B. bei der Medienauswahl ins Spiel:
Je nach dem, um welches Unternehmen es sich handelt, kann die New York Times wichtig sein. Aber wenn Sie ein Elektronikunternehmen führen, dann ist die Electronic Times vielleicht genauso bedeutend für Sie und Ihre unternehmerischen Ziele.
Ein Beispiel: Wir waren an einer der größten Patent-Auseinandersetzungen in der US-Geschichte beteiligt. Er dauerte einige Jahre und es ging um komplexe Technologien. Ein Teil der Aufgabe war, Informationen darüber für zwei sehr unterschiedliche Zielgruppen aufzubereiten, wodurch schließlich deren Wahrnehmung des Falles beeinflusst wurde. Dies ist ein großer Unterschied zum [in den 1990ern Aufsehen erregenden] O.J.-Simpson-Fall.
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