“Viele Inhaber kleiner Unternehmen haben Angst vor dem Lobbying, weil sie denken, es kostet zu viel Zeit oder Politiker hören nicht zu”, schreibt die Autorin Kay McFadden aus der US-Perspektive. Für viele Geschäftsleute reduziere sich Lobbying auf Wahlkampfunterstützung für (wirtschaftsfreundliche) Kandidaten. Doch nach dem Wahlgang zögen sich die Unternehmer zurück, um sich wieder ums Geschäft zu kümmern. Doch genau das sei „absolut falsch”. Nach der Wahl öffne sich ein ideales Fenster, um die Volksvertreter kennenzulernen.
Der Artikel verweist auf ein Handbuch für Mittelständler, das Dr. Amy Handlin, republikanische Abgeordnete im Staatsparlament von New Jersey und Marketingprofessorin an der Monmouth University, geschrieben hat: „Be Your Own Lobbyist: How to Give Small Business Big Clout with State and Local Governments.“
Das Handbuch gibt auch dem wissenschaftlich Interessierten viele Einblicke in die Lobbyarbeit jenseits der großen Politikschlachten in Washington. Für den Praktiker vermittelt es eine sehr bodenständige Diskussion der Ziele, Werkzeuge und Taktiken sowie zahlreiche Checklisten und Vorlagen.
Handlin spricht vom „Empowerment“ der Mittelständler – sie müssten an ihre Möglichkeiten und Wirksamkeit zu glauben beginnen und Schritt für Schritt ihre Lobbykompetenzen entwickeln.
Für die Anfänger bietet Inc. eine kleine Liste:
1. „Know that you're important and why.“
Kernargument: Weil die meisten KMU sich im Lobbying nicht engagierten, haben diejenigen, die es täten, überproportionalen Einfluss. Bei Abstimmungen fragen sich viele Politiker, was wohl der mittelständische Unternehmer über die Sache denke. Die Politiker sind auf die externe Expertise angewiesen und schätzen den Input aus dem Wahlkreis.
Das ist auch für Deutschland richtig.
- Zusatzmaterial: Dig Deeper: How to Use the Government's Free Tools
2. „Understand that time spent now is time saved later.“
Kernargument: Früher oder später werden Unternehmer mit Regulierungen, Steuerrecht oder sonstigen Themen konfrontiert, bei denen sie Kontakt zum Staat aufnehmen müssen. Wer dann nicht weiß, welche Ansprechpartner zur Verfügung stehen oder wie Gespräche ablaufen, verschwendet viel Zeit. Eine Möglichkeit, sich zu informieren und zu beteiligen, ist die aktive Mitgliedschaft in Wirtschaftsorganisationen – in den USA ist die örtliche Chamber of Commerce ein Zugangspunkt, so wie in Deutschland die allerdings anders verfasste IHK (in den USA gibt es keine Pflichtmitgliedschaft, und die Kammer hat keinen öffentlich-rechtlichen Status).
- Zusatzmaterial: Dig Deeper: How important is participation in a local chamber of commerce for a new business owner?
3. „Introduce yourself before politicians get busy.“
Kernargument: Parlamentssitzungsfreie Wochen sind die richtige Zeit für Kontakte im Wahlkreis, auch und gerade zu Beginn einer Wahlperiode. Man darf ruhig in den Büros der Abgeordneten anrufen und nach dem Terminkalender fragen, etwa nach Terminen, bei denen der Politiker Hände schütteln geht („meet-and-greet opportunities“). Auch eine Bitte um ein halbstündiges Gespräch sei in Ordnung, um nicht mehr als ein oder zwei Themen anzusprechen. Die Gespräche sind vorzubereiten, über den Gesprächspartner und seine politischen Positionen sollte man informiert sein. Vertrauen ist aufzubauen, außerdem sollte der Unternehmer berücksichtigen, dass Politiker von Interessengruppen umlagert werden. Wer sich über ein Gesetz oder eine Vorschrift beschweren will, soll dies konstruktiv tun – zum Beispiel mit dem Vorschlag, den Rechtsakt zu ergänzen, um ihn zu verbessern.
Das gilt auch für Deutschland. Gewählte Politiker suchen den Dialog mit ihrem Wahlkreis. Deutsche Unternehmer haben sogar einen Vorteil: Denn nicht nur der direkt gewählte Abgeordnete, sondern auch die über Liste gewählten Abgeordneten der anderen Parteien pflegen den Wahlkreisdialog. Dass Gespräche mit Politikern konstruktiv sein sollten und nicht nur aus Klagen und Schimpfen bestehen sollten, liegt auf der Hand.
4. „Join groups that do lobbying.“
Kernargument: Verbänden beitreten, lautet die Empfehlung – und zwar sowohl einer branchenspezifischen Interessenvertretung als auch einer größeren Dachorganisation, die sich um KMU kümmert. Viele Unternehmer wissen nicht, welche Dienstleistungen, Veranstaltungen und Kontaktmöglichkeiten solche Verbände bieten – oder bleiben ihnen fern, weil sie mit bestimmten Positionen nicht einverstanden sind.
Ein typisch amerikanischer Fly-In-Besuchstag ist etwa der „Small Business Day“, den der Landesverband Texas der National Federation of Independent Businesses (NFIB) in der Hauptstadt Austin regelmäßig organisiert: Die Mitglieder kommen dort zu Frühstück und Mittagessen zusammen, Politiker referieren und stehen Rede und Antwort, und dann geht es am Nachmittag zum „Open House“: Alle Abgeordneten warten in ihren Büros auf Besuche der NFIB-Unternehmer aus ihren Wahlkreisen. Der Verband bringt die Geschäftsleute zu den Büros und bietet für die Gespräche vorher im Seminarstil Vorbereitungstrainings an (für die schüchternen Mitglieder).In Deutschland sind Verbandsmitgliedschaften selbstverständlicher als in den USA, aber längst nicht mehr so selbstverständlich wie früher. Für KMU sind sie aber nach wie vor der wichtigste Kanal zur Politik. Manche (größeren) Mittelständler beauftragen inzwischen auch Auftragslobbyisten von Agenturen, aber nur für Einzelprojekte. Für kontinuierlichen Informationsfluss und Einflussmöglichkeiten sind Verbände jedoch die bessere Wahl. Aber aktiv beteiligen muss man sich an der Verbandsarbeit schon, etwa an Arbeitskreisen. Als Karteileiche hat man wenig Einfluss.
5. „Lobby politicians through your own network.“
Kernargument: Netzwerken gehört zum Geschäft, und das sollten Unternehmer auch für ihre politischen Anliegen nutzen. Lokal und regional bieten sich oft Möglichkeiten, eine informelle Koalition zu bauen. Die Buchautorin Handlin unterstreicht dabei, dass die Partner nicht nur Unternehmer sein müssten. Auch loyale Kunden könne man ins Boot holen. Und ein Unternehmen könne auch seine Präsenzen im Internet und in Social Media-Gemeinschaften nutzen.
Handlin nennt als Beispiel eine kleine Bäckerei in Salt Lake City. Kurz vor der Eröffnung wurde die Inhaberin von der Stadt dazu verdonnert, für $40.000 einen Fettabscheider vor den unterirdischen Kanalisationszugang installieren zu lassen. So viel Geld hatte die Firmengründerin nicht. Sie bekam aber Hilfe von anderen Kleinunternehmern. Sie baten um Termine mit der Verwaltung und fanden eine günstigere, einfachere Lösung – auch ein Fettabscheider in der Küche befriedigte die Hygieneinspektoren.
Auch in Deutschland haben KMU ihre Not und Mühe mit nicht sachgerechten Vorschriften, kostenträchtigen Auflagen und Bürokratie. Neben förmlichen Widerspruch und anwaltlicher Hilfe, um so etwas verwaltungsrechtlich anzufechten, kann es sich lohnen, auf politische Unterstützung und Verhandlungslösungen zu setzen. Funktioniert nicht immer, ist aber einen Versuch wert.
- Zusatzmaterial: Dig Deeper: 8 Places to Find Advocates for Your Business
6. „Lobby politicians through the official media.“
Kernargument: Schon ein altmodischer Leserbrief an die Lokalzeitung bewirkt so manches, denn die Politiker und ihre Mitarbeiter lesen diese intensiv. Ausgewogen, sachlich und offen verfasst, bringt so ein Brief Bewegung in die Sache. Verbände können das Thema dann auch aufgreifen. Funktioniert das nicht, kann man über die Medien etwas Wirbel erzeugen – aber vorsichtig. Und eher nur dann, wenn das Thema kein Einzelfall ist, sondern viele angeht.
Stimmt auch für Deutschland.
- Zusatzmaterial: Dig Deeper: How to Talk to The Press About Your Company
7. „How to lobby higher-up politicians.“
Kernargument: Der lokale und regionale „Korridor“ sei für das Lobbying von KMU der einfachste. Wer auf die höheren Ebenen vordringen möchte oder muss, sollte erst einmal die Mitarbeiter der Politiker kontaktieren und ihnen das Problem erklären. Die Wahlkreisbüros sind in den USA meist mit mehreren Mitarbeitern ausgestattet, die sich auch in KMU-Themen gut auskennen.
In Deutschland sind die Wahlkreisbüros von Bundestags- und Europaabgeordneten kleiner und haben selten spezialisierte Mitarbeiter. Der Weg ist aber durchaus auch hier sinnvoll. Man sollte aber genau wissen, was man will -- und sich darauf gut vorbereiten, wenn man Leute "kalt" anruft, also ohne vorherigen Kontakt.
- Zusatzmaterial: Dig Deeper: Cold-Calling 101
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