Montag, 12. September 2011

Zur Demo per Dienstreise? Anti-Protest-Protest durch "Betriebskampfgruppen" der Berliner Flughäfen

Grundsätzlich ist ja nichts gegen Grassroots-Proteste einzuwenden, zu denen Firmen ihre Mitarbeiter motivieren und mobilisieren. Wenn die Firma aber in öffentlicher Hand ist und der Steuerzahler indirekt für die Fahrt zur Demo und auch noch den freien Tag bezahlt, ist das mindestens kitzlig. Für die brandenburgischen Grünen und die BBI-Flughafengegner vom BVBB ist es bereits ein „Riesenskandal“.

Im Intranet der Berliner Flughafengesellschaft tauchte am Wochenende ein Mitarbeiterbrief der Geschäftsführung auf, den auch die BVBB in die Hände bekam und veröffentlichte (Klick auf Abbildung rechts).

Die Mitarbeiter werden aufgerufen, am 20.9. vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen die Einschränkung der Nachtflüge beim neuen Großflughafen Berlin-Brandenburg International (Willy Brandt) Schönefeld zu demonstrieren: „Kein Nachtflugverbot in den Randzeiten!" Am 20.9. wollen auch die Flughafen-Gegner in Leipzig demonstrieren.  „Die Fahrt gilt als Dienstreise“, schließt das Belegschaftsschreiben. Unterzeichnet (aber nicht handschriftlich): Flughäfenchef Rainer Schwarz sowie Bauchef Manfred Körtgen.

Der Brief warnt vor Job-, Passagier- und Einkommensverlusten in der Zukunft. "Sicher wird auch in Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis dieses Thema heiß diskutiert. Wir möchten auch Sie bitten: Bringen Sie sich in die Diskussion ein und bekunden Sie Ihre Meinung zum BER [gemeint ist der neue Flughafen] offen."

Eine Panne, offenbar. Der Flughäfensprecher Ralf Kunkel dementierte das alles: „Entweder das Schreiben stammt von einem übermotivierten Mitarbeiter oder es ist ein Entwurf“, sagte er im Tagesspiegel. Schwarz kenne den Brief nicht. Überhaupt sei der vom 5. September datierte Brief  „längst nicht mehr aktuell“. Er räumte aber „großen Unmut bei den Mitarbeitern über die in Teilen unsachlichen Anwürfe mancher Flughafen- und Flugroutengegner“ ein. Man habe Verständnis für Kollegen, "die ihrem Willen Ausdruck verleihen wollen", so der Sprecher in der Berliner Zeitung.
In der Morgenpost sagte er, die Beschäftigten machten sich Sorgen um ihre Arbeitsplätze, falls die Richter für die Randzeiten von 22.00 bis 24.00 Uhr sowie 5.00 bis 6.00 Uhr ein Flugverbot verfügen sollten.

Mobilisiert die Politik die "Betriebskampfgruppen"?

Man fragt sich, ob die von der Lufthansa initiierte Kampagne "Die Fracht braucht die Nacht" dahinter steckt. Oder der Flughafenverband ADV, denn auch der wendet sich gegen Nachtflugeinschränkungen.

Der BVBB sieht das Ganze jedenfalls als mit den Spitzenpolitikern abgekartete Aktion: „Wowereit, Platzeck und FBS-Geschäftsführer lassen FBS-Mitarbeiter auf Steuerzahlerkosten gegen Flughafenanwohner aufmarschieren“. Er schreibt:
Am 28.08.2011 teilte der Brandenburgische Wirtschaftsminister und FBS-Aufsichtsratsmitglied Christoffers (LINKE) mit, dass mit einer 500.000 Euro teuren Kampagne die Betreiber des neuen Flughafens Berlin-Schönefeld (BER) für mehr Akzeptanz in der Bevölkerung sorgen wollen. Ganz offensichtlich gehen davon schon erkleckliche Sümmchen für Demo-bedingten Arbeitsausfall am 20.09., Demo-Dienstreisen, Demo-Spesen,  Demo-Dienstfahrzeuge und -wie man hört- das Drucken von Pro-Nachtflug-T-Shirts, die die FBS-Arbeitnehmer und Demowilligen übergestreift bekommen sollen, drauf.
Jeder weiß, dass die permanent defizitär wirtschaftende FBS aus öffentlichen Haushalten alimentiert wird. Das geschieht alljährlich durch Gesellschafterdarlehen, die nach Jahresablauf regelmäßig in Eigenkapital umgewandelt werden. So werden unserer Gelder gegen die Wahrnehmung unserer demokratischen Rechte eingesetzt. Schamloser und dreister geht es nimmer.
Laut Tagesspiegel sprach der BVBB-Ehrenvorsitzende Ferdi Breidbach am Samstag bei einer Demonstration der Schönefeld-Gegner von „Betriebskampfgruppen“, die nach Leipzig geschickt werden sollten. „Die laut Veranstalter rund 8000 Demonstranten am Samstag reagierten mit Buh-Rufen.“  Das Blatt meint, die Beziehungen zwischen Flughafengesellschaft und Gegnern würden immer schwieriger. Bereits Anfang Juli hätten Betriebsräte der Flughafengesellschaft in einem offenen Brief „einen Schlussstrich“ unter der Routendiskussion gefordert und auf die Bedeutung des Neubaus für Region, Wirtschaft und Mitarbeiter verwiesen.

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