Montag, 28. Februar 2011

McKinsey-Studie 2011 zu Beziehungen Staat/Wirtschaft

Die Kunden haben den größten Einfluss auf den Unternehmenswert, aber auf Platz 2 steht: der Staat. 

So sehen es die meisten Manager, resümiert McKinsey in einer weltweiten Online-Befragung von rund 1400 Führungskräften in der lesenswerten Studie „Managing government relations for the future: McKinsey Global Survey results“ im aktuellen McKinsey Quarterly (Februar 2011).
  • Der Staat wird in den nächsten drei bis fünf Jahren einer der Stakeholder sein, der die größten wirtschaftlichen Einfluss auf die Unternehmen haben wird, meint die Hälfte der Befragten. In Entwicklungsländer glauben das sogar zwei Drittel der Manager.
  • Mehr als die Hälfte sind der Ansicht, dass der Staat sich in diesem Zeitraum mehr als bisher in ihre Branchen einmischen wird. Das bestätigt die Ergebnisse der Vorjahresstudie – trotz einiger politischer Veränderungen wie den Wahlsiegen der US-Republikaner und der Konservativen Partei in Großbritannien.


Sehr unterschiedlich beurteilen Manager in Industrieländern und in Entwicklungsländern ihre Perspektiven: Während die Mehrheit in der entwickelten Welt von der Politik eine negative Auswirkung auf ihr Betriebseinkommen erwartet, sieht es die Mehrheit in den Entwicklungsländern (einschließlich China und Indien) umgekehrt. Ein krasser Gegensatz. 



Interessant auch, dass die Befragung im Vergleich zum Vorjahr zeigt, dass die Unternehmen mehr Bereitschaft dazu zeigen, sich mit Regierung und Politik auseinander zu setzen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. 

Nur 10 Prozent der Manager meinen allerdings, ihre Unternehmen seien in der Lage, die Politik zu beeinflussen – und nur 10 Prozent sind der Auffassung, dass die Politik sich um die Meinung der Unternehmen bemüht oder schätzt. Jedenfalls meint rund die Hälfte der Befragten, dass die externen Beziehungen unter den drei Top-Prioritäten ihrer Vorstandschefs sein sollten.

Wirklich kritisch ist die Rolle des Staates in Branchen wie Energie, Finanzdienstleistungen und Gesundheitswirtschaft. Hier rangiert der Staat auf Platz 1 der stärksten Kräfte im Unternehmensumfeld. In diesen Branchen sind die Manager auch besonders pessimistisch, was den Einfluss auf die Firmenbilanzen angeht. Dreiviertel der Befragten erwarten zudem vermehrt staatliche Interventionen.



Zwei Drittel der Manager sind der Auffassung, dass ihre Branchen proaktiv und regelmäßig mit der Politik im Dialog stehen sollten, und zwar unabhängig von aktuellen Interessen. Aber nur die Hälfte der Befragten meint zu beobachten, dass ihre Unternehmen dies tatsächlich tun. Dieser Kontrast war schon in der Vorjahresstudie auffällig (71 vs. 43 Prozent).


Die Mackies wollten nun noch etwas genauer wissen, wie die Manager es mit dem Staat halten. Bei der Analyse teilten sie die Befragten in fünf Gruppen oder Typen ein: Opportunisten, Vermeider („avoiders“), Partner, zurückhaltend Kooperative („reluctant engagers“) und Widersacher („adversaries“).

Die Opprtunisten und die Partner sind die beiden Gruppen, die eher die Chancen als die Probleme mit der Politik betonen. Politische Entscheidungen, meinen die Opportunisten, eröffnen auch Chancen fürs Geschäft. Die Partner sehen auch etwas allgemein Gutes in Transparenz und Offenheit für die Kooperation mit der Politik. Die beiden Gruppen machen jeweils ein Viertel der Befragten aus. In der Vorjahresstudie waren die Anteile noch ein wenig kleiner. Die Opportunisten und Partner sind auch eher diejenigen, die meinen, dass ihre Unternehmen recht erfolgreich darin sind, Einfluss auf den Staat zu nehmen – sei es, um den eigenen Wert zu steigern oder Risiken abzumildern.

Manager in China, Indien und Entwicklungsländern gehören tendenziell eher zur Gruppe der Opportunisten. In Europa und Nordamerika melden sich eher die zurückhaltend Kooperativen („reluctant engagers“) – jene, die zwar auch Vorteile in den externen Beziehungen zum Staat sehen, aber auch meinen, dass der Staat die Wirtschaft unfair behandelt.

Auch zwischen den Branchen gibt es Unterschiede. Manager in High-Tech- und Telekommunikationsbranchen sind eher Opportunisten; Führungskräfte in der Finanzbranche sind eher der Typ Widersacher („adversaries“), und in der Gesundheitswirtschaft finden sich viele der zurückhaltend Kooperativen („reluctant engagers“).

McKinsey fragte nun nach 15 konkreten Praktiken bei der Pflege der externen Beziehungen. Die Unternehmensberater stellen allerdings gleich fest, dass nur eine Minderheit der Unternehmen dabei besonders gut ist. Bei keiner der Praxiskategorien meinte jeweils mehr als 40 Prozent, dass ihre Unternehmen darin sehr effektiv seien. 


Immerhin gibt es, so McKinsey, eine kleine Gruppe von Managern, die meinen, dass ihre Unternehmen regelmäßig recht erfolgreich Einfluss ausüben können und dadurch ihre Reputation als Wettbewerbsvorteil ausbauen. In dieser Gruppe der „Erfolgreichen“ sind eher Manager aus China oder Lateinamerika, aus der Energie- oder Finanzbranche, oder aus Unternehmen mit mehr als einer Umsatzmilliarde vertreten.


Interessant ist dabei der Unterschied zwischen den Praxiskategorien, in denen die Unternehmen überdurchschnittlich gut oder schlecht sind. Was in der „erfolgreichen“ Befragtengruppe im Vergleich zu den anderen gemeinhin gut läuft: Abgleich der Agenda der externen Beziehungen mit der Gesamtstrategie des Unternehmens, Kompromissfindung quer durch die Themenliste und Koordination der externen Beziehungen im gesamten Unternehmen. Auch dass diese Firmen ausreichend Personal und Ressourcen für diese Aufgaben bereitstellen, ist ein Pluspunkt, ebenso das Bemühen darum, den finanziellen Beitrag dieser politischen Aktivitäten zu quantifizieren und zu messen.


Dienstag, 15. Februar 2011

Von Monitoring zu Spionage: Infiltration von NGOs und Protestgruppen

Eine ganz neue Bedeutung bekommt der Begriff "Monitoring", sonst für eher routinemäßige Auswertung von Websites, Drucksachen und Veranstaltungen verwendet: Wie der britische Guardian berichtet, hat die Sicherheitsfirma Vericola aus Kent für Unternehmen der Energiewirtschaft offenbar Protestgruppen der Umweltszene infiltriert und undercover Informationen über die Öko-Aktivisten gesammelt.

Auch für den deutschen Konzern E.on, der in Großbritannien Kraftwerke betreibt. Das Unternehmen bestätigte, die Firma (und eine weitere, Global Open) beauftragt zu haben - allerdings habe man nur darum gebeten, öffentlich zugängliche Informationen zu bündeln, heißt es bei Spiegel online. Vericola sei ausschließlich damit beauftragt worden, "Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen, insbesondere Websites, zu sammeln, zu bewerten und zur Verfügung zu stellen". Es habe keinen Auftrag gegeben, hierzu E-Mail-Services zu nutzen oder an Veranstaltungen teilzunehmen, so ein Sprecher zu Spon.  Auch Vericola stellt dies so dar - man bediene sich nur aus öffentlich zugänglichen Quellen, etwa Email-Verteiler, auf die man sich auf den Websites der Gruppen eintragen könne. Die Umweltgruppen allerdings sagen, auf bestimmte Verteiler könne man sich nur eintragen, wenn man Veranstaltungen oder bestimmte Vorbereitungstreffen besuche. Sie sprechen daher von "Spionage".

Für E.on, Scottish Resources Group und Scottish Power hat sich die von Rebecca Todd geführte Firma Vericola laut Guardian in den vergangenen drei Jahren über getante Email-Adresse auf Verteiler der Protestgruppen setzen lassen, Informationen über Aktivisten gesammelt, an Treffen der Gruppen teilgenommen. Unter anderen ist die Klimaschutz-Bewegung Climate Camp betroffen.

Enthüllt wurden die Vorgänge durch die Umweltgruppen selbst, die verdächtige Aktivitäten beobachtet hatten. Auslöser waren die Ermittlungen zu Undercover-Polizeiaktionen, in deren Mittelpunkt der V-Mann Mark Kennedy alias Mark Stone stand. Inzwischen wird über Aussagen aus Polizeikreisen diskutiert, dass bei den Protestgruppen deutlich mehr V-Leute im Auftrag privater Unternehmen als im Auftrag von Polizei und Staatsschutz agierten. Anders als die Polizei, sagt diese, selbst unter Druck geraten, seien die Privaten an keine Regeln gebunden und schlügen auch über die Stränge.

Neben Vericola steht insbesondere die Firma Global Open im Fokus ("We provide forward looking intelligence with integrity, reliability and quality of service"). Die Firma in Beckenham bei London hat angeblich mehr als 90 Klienten, für die sie Protestgruppen beobachtet. Beispielsweise die Campaign Against the Arms Trade (CAAT), die gegen BAe mobilisiert. Auch über die Sicherheitsfirmen Inkerman Group und C2i International wird berichtet, die sich zum Beispiel mit Gegnern des Flughafenausbaus beschäftigen. Alle diese Firmen rekrutieren Mitarbeiter aus Polizei und Sicherheitsdiensten.

Klar ist wohl, dass die Auftraggeber aus gutem Grund nicht selbst auf diese Weise recherchiert haben -- und dass die Privatdetektive nicht mit Klarnamen und Offenlegung ihrer Auftraggeber vorgegangen sind. Sich undercover einschleichen und bei Protestaktionen mitmachen -- das ist in der Tat Spionage.

In der britischen NGO-Szene brodeln nun die Gerüchte, und die Aktivisten suchen fieberhaft nach verdächtigen Mitstreitern. Alle fürchten, infiltriert worden zu sein. Hier zeigt sich die Kehrseite der in Großbritannien sehr radikalen Protestszene: Die Besetzungen, Demonstrationen und Blockaden haben die Unternehmen offenbar sehr verschreckt. Es ist nachvollziehbar, dass sie sich wappnen und so frühzeitig wie möglich über Aktionen informiert sein wollen. Das ist in der Tat "Risikomanagement", wie Vericola es nennt.

Diese Monitoring-Methoden sind aber mehr als zweifelhaft und ethisch bedenklich, wenn nicht sogar strafbar. Daran dürfte die Public-Affairs-Praxis noch etwas zu knabbern haben. Zu Transparenz, offenem Dialog mit Kritikern und gesellschaftlicher Verantwortung passt das alles nicht.

Donnerstag, 10. Februar 2011

Pharmalobby: Gesetz schmerzt, Cornelia Yzer geht

Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) teilt heute mit, dass Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer zum 1. Juni 2011 geht. "Nach 15 arbeitsintensiven und spannenden Jahren in einer Branche, deren Arbeit wie kaum eine andere unmittelbar den Menschen hilft, will ich mich nun einer neuen Herausforderung stellen", sagt die ehemalige CDU-Politikerin. Der Nachfolger ist noch nicht bekannt.

Yzer ist eine der bekanntesten Verbandslobbyistinnen, sie war stets präsent in den Medien, der vfa ist unter ihrer Führung ein Kampagnen-Verband geworden. Und ein Lieblingsfeindbild der Lobbykritiker. Dass Yzer den vfa verlässt, meint die WirtschaftsWoche, sei "wohl nicht ganz freiwillig. Die Pharmaindustrie soll zuletzt mit ihrer Leistung unzufrieden gewesen sein."
"Immer mal wieder war aus der Branche zu hören, dass sich Yzer zunächst zu sehr darauf verlassen habe, dass sich unter der schwarz-gelben Regierung für die Pharmaindustrie wenig ändern werde. Doch dann setzte Gesundheitsminister Rösler Zwangsrabatte durch sowie eine neue  Preispolitik. Rösler wollte erreichen, dass die Krankenkassen künftig mehr Geld sparen. Doch was für die Patienten gut ist, ärgert die Pharmaindustrie. Yzer habe die Gefahr unterschätzt, hieß es."
Spiegel online nennt die Entscheidung einen "Paukenschlag" und schreibt:
"Die Firmen lasten der früheren CDU-Politikerin vor allem an, dass sie das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) völlig falsch eingeschätzt habe. So wird Yzer in der Branche vorgeworfen, sie habe geglaubt, mit Amtsantritt der schwarz-gelben Koalition würden für die Pharmaindustrie noch goldenere Zeiten anbrechen. Stattdessen reformierte Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) den Medikamentenmarkt radikal. Die Firmen mussten einen Zwangsrabatt auf Arzneien zugunsten der Krankenversicherung akzeptieren und müssen künftig die Preise für neue innovative Medikamente mit den Kassen aushandeln. Der Einfluss des vfa war im Gesetzgebungsverfahren eher bescheiden. 'Yzer hat einen Fehler nach dem anderen gemacht. Es war unvorstellbar, dass sie das AMNOG überlebt', sagt ein Insider."
Laut Spiegel online könnte Yzer zum europäischen Pharmaverband EFPIA wechseln. "Und damit wird die Personalie richtig interessant. Denn ein Karrieresprung wäre der Wechsel von Berlin und Brüssel nicht. Ein hochrangiger Vertreter eines Pharmakonzerns sagt: 'Sie würde weggelobt.'"

Auch die ÄrzteZeitung meint:  
"Der Rücktritt von Yzer kommt nicht ganz überraschend. Seit Monaten wird bereits spekuliert, Yzer werde ihr Amt wegen anhaltender Kritik am Kurs des Verbands niederlegen. Die Arzneimittelreform, die zum 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist, sieht eine Reihe von Neuerungen vor, die Vertretern der Pharmabranche quer im Bauch liegen. (...). Die Pharmahersteller hatten gegen diese Eingriffe, vor allem aber gegen die schnelle Nutzenbewertung neuer Medikamente, bis zuletzt Front gemacht. Sie befürchten dadurch negative Auswirkungen für den Pharmastandort Deutschland. Die Unternehmen könnten vor Investitionen in innovative Therapien zurückschrecken und infolgedessen ihre Leitfunktion für den europäischen Pharmamarkt verlieren."

2010 musste bereits ein Verbandsgeschäftsführer der Pharmabranche gehen, nachdem er in einem TV-Interview untragbar geworden war. Siehe Blogeintrag vom Mittwoch, 26. Mai 2010: "Pharma-Verband ProGenerika geht Satiriker Sonneborn auf den Leim"

Mittwoch, 9. Februar 2011

Staubsauger für politische Informationen: Agenturvideo

Ein munteres Video im Stil der "Sendung mit der Maus" zu Lobby- und Politikberatung hat die Berliner Agentur elfnullelf online gestellt. Elfnullelf ist eine "Unternehmensberatung für Strategie und politische Kommunikation". Zu Ragtime-Klaviergeklimper erläutert ein Cartoon die Arbeit des Teams um Uwe Alschner und Udo Sonnenberg (bloggt auch für Fette Henne). Unter anderem geht es ums Monitoring – dargestellt durch einen überdimensionierten Staubsauger. Man erfährt, dass bei elfnullelf sogar "paranormale Quellen" in den Staubsauger geraten können... ein Bagger und ein Trichter (der eher wie ein Häcksler aussieht) spielen auch eine Rolle. Unterhaltsame Werbung mit Bildungseffekt.