Samstag, 30. Oktober 2010

"Bloomberg Government": Finanzgigant steigt ins Polit-Infogeschäft mit Lobby ein

In der Finanzbranche und im Geldjournalismus sind Bloombergs Datendienste nicht wegzudenken. Überall stehen diese Terminals, die in Echtzeit "News that move markets" bringen, und das kostet die Abonnenten hohe Gebühren. Nun steigt Bloomberg massiv in Polit-Infodienste ein, die vor allem Lobbybüros abonnieren sollen. Im Fokus: Monitoring zu Gesetzgebung, Haushalt, öffentlicher Auftragsvergabe, Wahlkampf, Kampagnen und Interessenvertretung. 5700 Dollar soll das Jahresabo für die Online-Datenbank kosten.

Bloomberg Government (BGOV) geht mit rund 40 neuen Redakteuren (je zur Hälfte Journalisten und wissenschaftliche Experten, z.B. Ökonomen sowie frühere Abgeordnetenmitabeiter) in Washington an den Start, weitere 60 sollen demnächst eingestellt werden, bis Ende 2011 rund 150 - wohlgemerkt, zusätzlich zu den 175 Redakteuren im bisherigen Bloomberg-Büro in Washington. Dem Vernehmen nach pumpt Bloomberg rund 100 Mio. Dollar in das Projekt. BGOV ist ein Frontalangriff auf den bisherigen Marktführer, die Congressional Quarterly (CQ)-Roll Call Group.

BGOV will politische Informationen so aufbereiten, dass die Auswirkungen politischer Prozesse und Entscheidungen auf die Wirtschaft klar sichtbar werden. Analysestark soll BGOV sein, detaillierte Hintegrundinfos und neutrale Reports bieten. Außerdem Zugriff auf die großen Nachrichtendatenbanken des Medienkonzerns, den der heutige Bürgermeister von New York City gegründet hat.

Wie die New York Times berichtet, nimmt sich Bloomberg vor, mit BGOV so dominant im milliardenschweren Politik-Markt zu werden wie im Finanzsektor.

Eigentlich erstaunlich, dass für BGOV noch eine Marktlücke existiert. Hochspezialisierte Information zu Politikdetails lag bisher fest in der Hand kleinerer Fachverlage, die auch früh das Internet nutzten. Laut NYT haben diese aber ihren Schwerpunkt verschoben. "Die journalistische Politikberichterstattung ist aufgeblüht", wird BGOV-Chef Kevin Sheekey zitiert. "Gleichzeitig ist die Berichterstattung nicht über politische Kommunikation und Konflikte, aber über das, was der Staat tut und reguliert, und welche Auswirkungen das für die Wirtschaft hat, unbemerkt aber deutlich schlechter abgerutscht. Diese Art der Medienberichterstattung ist heute zehnmal schlechter als früher. Genau dort tritt Bloomberg jetzt ein."

Wenn BGOV auf der Bundesebene funktioniert, soll sich der Online-Dienst weiter vervielfachen, nämlich in die 50 Einzelstaaten hinein, wo sich andere Verlage in den letzten Jahren eher zurückgezogen haben.

Bloomberg setzt derzeit über 6 Mrd. Dollar um, seine Online-Diensten im Finanzsektor tragen dazu 85 Prozent bei. Bis 2014 setzt sich Bloomberg ein Umsatzziel von 10 Mrd. Dollar. Gut 2400 Beschäftigte hat das Unternehmen bereits.

Laut NYT ist das Politik-Infogeschäft auch deshalb interessant, weil es rezessionsresistent ist. Während der Wirtschaftskrise sanken die Umsätze im Finanzsektor aus naheliegenden Gründen. Der Staat aber gab immer mehr aus, und ebenso die Wirtschaft fürs Lobbying und für politische Kommunikation.

Die Datenbank enthält vieles, was bereits öffentlich ist, macht es aber komfortabel zugänglich und leicht kombinierbar: Politikerprofile und Kontaktinfos, aber auch Wahlkreiskarten mit Unternehmenssitzen, Gesundheitseinrichtungen und mehr. Auch soll das amtliche Lobbyregister so ausgewertet werden, dass man auf einen Klick sehen kann, welche Interessenvertreter welche Einrichtungen in einem Wahlkreis vertreten. Schließlich soll flugs verfügbar sein, wer wem Partei- und Kandidatenspenden zukommen lässt und welche Firmen wo Staatsaufträge bekommen haben. In der Nachrichten-Redaktion sollen zugleich Journalisten und Analysten Hand in Hand arbeiten, um die Hintergründe politischer Entscheidungen auszuleuchten.

4 Kommentare:

  1. Dann wollen wir mal schauen, wann dpa oder die neu dapd in das Geschäft in Deutschland einsteigen...

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  2. Oder Spiegel, die Bertelsmänner, Springer, Handelsblatt und FAZ (letztere betreiben ja zusammen auch die Datenbank GBI-Genios).

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  3. Auf EU Ebene und in Berlin gibt es doch schon EurActiv

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  4. EurActiv ist unverzichtbar! Aber Bloombergs Angebot ist ein anderer Zuschnitt.

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