Sonntag, 26. Dezember 2010

Privilegierter Zugang: Stiller Gast im Bundestagsausschuss

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit…“, heißt es in einem einem Kirchenlied, das in der Weihnachtszeit oft erklingt. Das scheint auch Hans-Michael Goldmann (FDP), Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, beseelt zu haben. Zumindest selektiv. Wie der Spiegel berichtete, hatte ein Lobbyist mehrmals Zugang zu nichtöffentlichen Sitzungen des Ausschusses. Offenbar hat ihn ein Mitarbeiter der FDP-Bundestagsfraktion hineingeschmuggelt. Das sollte nicht sein.
  • Erstens, weil die Nichtöffentlichkeit von Ausschusssitzungen (die man kritisch sehen darf) nun einmal eine ernst zu nehmende Spielregel des Parlaments ist – §69 der Geschäftsordnung ist ziemlich eindeutig, die GOBT kennt nur die Ausnahmen von §§69a und (Erweiterte öffentliche Ausschussberatung) und 70 (Öffentliche Ausschusssitzung). 
  • Zweitens, weil es beim Zugang gleiche Chancen für alle Interessenvertreter geben muss.Wenn ein Lobbyist hinein darf, darf auch ein anderer hinein, und das kann man dann überhaupt nicht auf Lobbyisten beschränken, sondern auch Presse und allgemeine Öffentlichkeit müssen Zugang haben.

Der Ausschuss hat 34 Mitglieder; während einer Ausschusssitzung sind meist auch Mitarbeiter des Ausschusssekretariats, der sonstigen Bundestagsverwaltung, von Fraktionen, Abgeordneten und Ministerien anwesend. Während der Sitzung treten immer mal wieder Leute hinein und hinaus. Das wird dann schnell unübersichtlich. Ein weiterer junger Anzugträger wie Patrick Alfers, Consultant bei der Berliner Agentur hbpa, fällt dabei nicht weiter auf. Dass er und seine Agentur für die Lebensmittelbranche arbeiten, muss man wissen. Sein Gesicht fiel offenbar erst vor kurzem auf, und die Grünen ließen ihn vor die Tür setzen.

Interessant wird die pikante Angelegenheit durch die Aussage Alfers, er habe sich "immer ordentlich angemeldet", und das Büro des Auschussvorsitzenden sei informiert gewesen. Nun gibt es aber kein Routineverfahren, mit dem sich Interessenvertreter einfach so als Gäste "ordentlich anmelden" könnten. Jedenfalls nicht bei nichtöffentlichen Sitzungen. Wenn der Ausschussvorsitzende das wusste, hat er dann tatsächlich generös zugestimmt? Was hat sich der FDP-Fraktionsmitarbeiter gedacht, dass er den Interessenvertreter quasi als Mitarbeiterkollegen der Fraktion hinein geleitet hat?

Zudem: Als Food-Lobbyist dürfte Alfers eine ganze Menge Bekannte im Ausschuss und den dort anwesenden Mitarbeitern haben, nicht nur bei der FDP, der er angehört. Er ist ja schon seit zwei Jahren bei hpba und für Bundestagskontakte zuständig. Aufgefallen dürfte Alfers daher einigen schon früher sein, so unauffällig er sich auch verhalten haben mag. Da fragt man sich, ob die Abgeordneten und anderen, die ihn kannten, einfach weggeschaut haben.

"Nicht mit Ruhm bekleckert" habe sich die FDP, meint der Politikberater und Lobbyist Udo Sonnenberg in seinem Blog Fette Henne:
Wenn die Sitzungsteilnahme des Lobbyisten für die Ernährungsindustrie Alfers dem Vorsitzenden Goldmann verborgen geblieben ist, dann ist das bedenklich. Wenn es gar mit seinem Wissen geschah, umso bedenklicher. Denn es wird  der Hinweis geliefert, dass ein FDP-Fraktionsmitarbeiter dem Lobbyisten Zugang verschafft hat. Die Fettnäpfe lauern überall und da hat sich offenbar der kleine Koalitionspartner mal wieder nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

Leider ist das erneut ein Beitrag in Richtung Wasser auf die Mühlen derjenigen, die externe Interessenvertretung am besten ganz unterbinden wollen. Die Frage ist schlicht wozu? Jedem erfahrenen Lobbyisten mit entsprechendem Kontaktnetzwerk erschließen sich Quellen und legale Informationszugänge. Da muss man sich nicht in Sitzungen schleichen, in denen man nichts verloren hat.
Stimmt. Gerade hbpa ist in FDP-Kreisen gut verdrahtet, man wundert sich schon etwas über den Vorgang. Zudem ist die von Hans Bellstedt geführte hbpa recht sichtbar und ist keine Schattenmänner-Agentur, sondern wirbt für einen offenen Umgang mit Public Affairs und Respekt für die Spielregeln. Erst am 1. Dezember hat sie eine öffentliche Veranstaltung zum Thema „Immer diese Lobbyisten..!? – Spielräume und Grenzen der Interessenvertretung“ aufgelegt, in der mehrfach kritisch diskutiert wurde, dass Intransparenz und allzu flexible Regeln an der Schnittstelle zwischen politischen Institutionen und Lobby am Ende schädlich fürs Geschäft sind.


Panel-Diskussion am 1. Dezember 2010 from hbpa on Vimeo.

Hinweis: Die Veranstaltung fand aus Anlass des Erscheinens des von Hans Bellstedt herausgegebenen Buches "Public Affairs: Strategien und Instrumente der Interessenvertretung für Wissenschaft, Wirtschaft und Institutionen" statt. Der Autor dieses Blogs ist einer der Autoren.

1 Kommentar:

  1. Dieses Vorgehen der Agentur und des Abgeordneten bzw. seines Büros sind schon selten dämlich. Und ein weiterer Beleg für die fällige Öffnung: Die Ausschüsse im nordrhein-westfälischen und in anderen Landtagen haben ihre Sitzungen schon vor Jahren geöffnet. Der Auftrieb von Interessenvertretern bei für sie relevanten Tagesordnungspunkten ist deutlich sichtbar.

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