Facebook bekommt allmählich politische Probleme. Nicht nur in Europa, sondern zu Hause in Amerika. Wie USA Today berichtet, baut Facebook daher seine Repräsentanz in Washington aus und investiert mehr in seine Politik- und Regulierungsabteilungen ("Facebook changes its lobbying status in Washington").
Es wiederholt sich ein altes Muster: High-Tech-Firmen erkennen oft erst relativ spät, dass sie sich mit den politischen Rahmenbedingungen auseinandersetzen müssen. Microsoft und später Google lieferten sich juristische Kämpfe mit dem Staat, bevor sie proaktiv in Lobbyarbeit und politische Öffentlichkeitsarbeit investierten und Public Affairs-Strategien entwickelten. Facebook sieht sich nun gezwungen, es ihnen gleichzutun – wobei die Firma die strategischen Fehler von Microsoft, Google & Co vermeiden will.
Auch in den USA steigt die Politik massiv in die Regulierung von Verbraucher- und Datenschutz, Internet-Governance, Netzneutralität und andere ordnungspolitische Themen für die IT-Märkte ein, und das ist für die jungen Milliarden-Dollar-Firmen der Social-Media-Branche sowohl Chance als auch Bedrohung.
Facebook plant möglicherweise schon für 2012 den Börsengang. Die aberwitzigen Milliardensummen, die das Unternehmen wert sein könnte, beherrschten in den letzten Tagen die Schlagzeilen. Dabei wird für Investoren aber mit entscheidend sein, wie das regulatorische Umfeld der Zukunft aussieht, um das Facebook-Geschäftsmodell weiterzubetreiben und auszubauen. Hier besteht erhebliche Unsicherheit.
Sowohl der Kongress, das Wirtschaftsministerium als auch die Regulierungsbehörde Federal Trade Commission (FTC) planen neue Vorschriften für den Verbraucher- und Datenschutz (z.B. "Do-not-track"-Gesetzgebung zur Begrenzung des Handels mit den Datenspuren der Kunden). Die Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) beobachtet derweil kritisch den Handel mit Wertpapieren der IT-Unternehmen.
Das Facebook-Büro in Washington
USA Today stellt fest, dass Facebook-Gründer Mark Zuckerberg eine politische "Charmeoffensive" gestartet hat und zugleich das Washingtoner Büro ausbaut. Jüngst wurde der siebte Mitarbeiter in der Repräsentanz eingestellt, das Büro sucht einen weiteren Politikexperten und wird im April ein neues Domizil mit 740 qm Bürofläche beziehen.
Facebook ist jetzt sieben Jahre alt. Das schlechte Vorbild Microsoft, das die Politik zu lange ignorierte, hat Facebook dazu gebracht, schon relativ früh in die politischen Beziehungen zu investieren.
Ein Büro in Washington unterhält Facebook seit 2007. Die ersten anderthalb Jahre bestandt die Besatzung nur aus einem einzigen Lobbyisten, Adam Conner, mit Anfang zwanzig nicht gerade ein Politikveteran. Die höherrangigen Lobbyaktivitäten wurden vom Datenschutzbeauftragten (Chief Privacy Officer) Chris Kelly in der Unternehmenszentrale erledigt, der sich 2010 allerdings für den Wahlkampf in Kalifornien beurlauben ließ: Kelly wollte Justizminister (Attorney General) werden, unterlag allerdings schon in den Vorwahlen der Demokratischen Partei.
Geleitet wird die Repräsentanz heute von Marne Levine, Vice President of Global Public Policy. Sie kam im vergangenen Juni zu Facebook und war zuvor Mitarbeiterin bei Obamas Wirtschaftsberater Larry Summers.
"Wir müssen hier präsent sein und uns definieren, bevor es jemand anderes tut", zitiert das Blatt Facebook-Mitarbeiter Tim Sparapani, der bis 2009 Datenschutzexperte bei der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) war. "Es ist klar, dass wir Teil des neuen Denkens in Washington sein müssen, und zwar möglichst früh im Reifeprozess des Unternehmens."
Bezüglich der neuen Regulierungsideen hält sich das Unternehmen noch bedeckt."Wir mussten uns bisher noch nicht eindeutig für oder gegen etwas positionieren", wird Sparapani zitiert. Die meisten Gesetzentwürfe seien "noch nicht reif". "Wir sind hier, um unsere Ansichten zu teilen, um langfristige kritische Fragen zu klären und zu informieren." Klar sei nur, dass die Politiker und Beamten durchaus mit der Facebook-Technologie vertraut sind, sie verstehen und sich dafür sehr interessieren.
Für Sparapani selbst interessierten sich die Medien auch schon. Die Washington Post widmete dieser Personalie 2009 einen Artikel ("Facebook Taps Privacy Hawk as Lobbyist").
Facebook rekrutierte mit dem ACLU-Datenschützer einen Gegenspieler des Unternehmens. Sparapani, zehn Jahre älter als Facebook-Gründer Zuckerberg, war ein recht prominenter Kritiker der Firmenpolitik, ein "Champion der Privatsphäre der Verbraucher", so das Blatt; der Bürgerrechtler legte sich mit allen möglichen privaten und öffentlichen Unternehmen an, von Flughäfen bis zu Krankenhäusern. Dass er nach dem Seitenwechsel nun von NGOs und kritischen Politikern besonders beobachtet wird, ist Sparapani klar: "Ich war einer von ihnen – ich weiß, dass sie mir keinen Freifahrtschein ausstellen."
Ein Kollege bestätigt das: "Wir werden Tim gegenüber hart sein". Sparapanis Stellung bei dem Internetunternehmen sei "ein Litmustest für Facebook. Er versteht das Geschäft des Datensammelns und ist darüber sehr besorgt. Mit seinem Hintergrund wird Tim sicher nicht ohne Gewissenskrise irgendwelche Techniken gutheißen, mit denen Facebook auf unfaire Weise Daten benutzt und offenlegt."
Auch in den US-Einzelstaaten ist Facebook politisch aktiv. Als in Kalifornien ein Jugend- und Datenschutzgesetz für Social Media auf die Agenda kam, heuerte Facebook einen Lobbyisten an und half dabei, den Gesetzentwurf zu Fall zu bringen (USA Today, "Facebook lobbied to kill bill aimed at social media").
Öffentlicher Druck steigt – Internetfirmen rüsten politisch auf
Manche sehen Facebooks neues Interesse für Politik als Reaktion auf massiven Druck in Politik und Öffentlichkeit. "Sie haben gedacht, für sie bestehe keine Notwendigkeit von Lobbyarbeit", zitiert USA Today den Verbraucherschutzexperten Justin Brookmann von der NGO Center for Democracy & Technology (CDT). "Dann bekamen sie Ärger, wurden vor wütende Politiker gezerrt, und man drohte ihnen Klagen an".
Auch andere Internetfirmen hätten ihre politische Präsenz in der US-Hauptstadt massiv verstärkt, so USA Today.
Vor sechs Jahren hatte Google noch keinerlei Präsenz in Washington, heute beschäftigt die Firma in der US-Hauptstadt 25 Mitarbeiter. Das sind fast so viele wie im Microsoft-Büro (26), das 1998 eröffnete. 2010 gab Google laut Lobbyregister 4,03 Mio. Dollar für Lobbying aus, 2005 waren es nur 260.000 Dollar.
Unter den IT-Unternehmen gab nur der Softwarekonzern Oracle mehr aus (5,1 Mio. Dollar). Die zehn größten IT-Firmen aus dem Silicon Valley erhöhten ihre Lobbyausgaben von 12,4 Mio. Dollar im Jahr 2005 auf 26,4 Mio. Dollar im Jahr 2009. Laut der öffentlichen Datenbank OpenSecrets.org der NGO Center for Responsive Politics sei der erfasste IT-Sektor 2010 mit rund 87 Mio. Dollar für Lobbyausgaben auf der US-Bundesebene inzwischen ein Lobbyriese. Allerdings seien diese Budgets immer noch deutlich kleiner als die der Pharma-, Elektro- und Finanzindustrie.
Das Lobbyregister verrät, dass Facebook in den ersten neun Monaten des Jahres 2010 rund 221.000 Dollar für seine Hauptstadtrepräsentanz ausgab. Nicht viel, aber immerhin 30 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum 2009. Zum Vergleich: Google gab im ersten Dreivierteljahr 2010 fast 4 Mio. Dollar aus.
Siehe dazu auch die PAM-Blogbeiträge:
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