Dazu gibt es nun Neues. Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) hat die Vorwürfe von LobbyControl geprüft und am 28. Juli einen Ratsbeschluss herbeigeführt (Beschwerdekammer II Politische Kommunikation, Akte 02/11). Eine Rüge erteilt er nicht, aber eine Mahnung für die Agentur Bohnen Kallmorgen & Partner und die (nicht mehr aktive) Non-Toxic Solar Alliance.
Der Rat spricht von Verstößen gegen die Transparenzpflicht. Der DRPR erachtet es "als hinreichend belegt, und durch die Aussagen der Verantwortlichen auch eingestanden, dass bei der Außendarstellung von NTSA e.V. (NTSA) ein Fall fehlender Absendertransparenz vorliegt. Die Ziele, die Finanzierung und in diesem Zusammenhang die zentrale Rolle der BKP innerhalb der NTSA wurden nicht ausreichend offengelegt."
LobbyControl freut sich naturgemäß über die Bestätigung, dass gegen Transparenzpflichten verstoßen wurde. Das Beispiel verdeutliche, dass Lobbyagenturen "nach wie vor zu leicht im Dunkeln operieren können". Die DRPR-Mahnung sei nur eine nachträgliche Kritik, denn die NTSA sei seit letztem Jahr nicht mehr aktiv. LobbyControl wiederholt den Ruf nach einem verpflichtenden Lobbyregister in der EU und in Deutschland, das in diesem Fall die Verbindungen von NTSA und Agentur BKP sowie zu weiteren BKP-Klienten offengelegt hätte. Die Organisation hat auch noch offene Fragen, etwa warum die NTSA so lange aktiv blieb, obwohl die Solarindustrie sie eben nicht unterstützte -- oder ob für den Beginn der Beobachtungs-Aktivitäten nicht doch ein anderer Agenturkunde Pate stand. LobbyControl ist nicht ganz zufrieden, statt einer Mahnung wäre der Organisation eine Rüge lieber gewesen:
Nach Analyse von LobbyControl handelt es sich dabei um eine irreführende Darstellung, wie sie in der PR- und Lobbybranche häufiger vorkommt: Lobbyorganisationen versuchen sich ein zivilgesellschaftliches Mäntelchen umzuhängen, selbst wenn sie unternehmerische Ziele verfolgen.
An dieser Stelle bleibt der PR-Rat merkwürdig blass in seinem Ratsspruch.
Mit der Mahnung wählte der Rat zudem die schwächere Urteilsform. Aus Sicht von LobbyControl wäre angesichts der irreführenden Außendarstellung der NTSA durchaus eine Rüge für BKP angemessen gewesen.
Der DRPR sah dies anders, er begründet dies mit einer "klar selbstkritischen Würdigung des Vorgefallenen". Die Verantwortlichen hätten eingestanden, "dass die Behauptung der Gemeinnützigkeit der Initiative ohne Hinweis auf die Akquiseabsichten ein Fehler war und die Außendarstellung der
NTSA somit an Transparenz vermissen lässt." Nach Bekanntwerden der Vorwürfe sei die Finanzierung der NTSA durch die Agentur auf der Homepage offengelegt worden.
Der DRPR sieht Verstöße gegen den Code de Lisbonne (Aufrichtigkeit, moralische Integrität und Loyalität, Vermeidung von Irreführung, offene Durchführung von PR-Aktivitäten, klare Erkennbarkeit und Quellenbezeichnung, keine Täuschung) und gegen die DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum (Offenlegung von Organisation, Interessen, Arbeitsweise gegenüber politischen Gesprächspartnern und Presse).
Interessant ist in der DRPR-Akte zu lesen, warum die Agentur die wahren Hintergründe verschwieg:
Die NTSA ließ ihre Gesprächspartner und die Öffentlichkeit über Monate hinweg in dem Glauben, bei ihr handele sich um eine Industrieinitiative, ohne offenzulegen, dass die NTSA allein von der Agentur BKP betrieben wird und zunächst das Ziel verfolgte, Unterstützer-Unternehmen zu akquirieren. Die Agentur selbst führt aus, dass bestimmte Gesprächspartner aus Politik und Medien nur so interessiert werden konnten, weil ein Offenlegen der Tatsachen, diese abgeschreckt hätte.Nun ja, eine sehr pragmatische Ziel-Mittel-Bestimmung: Wenn Politiker und Journalisten die Wahrheit nicht vertragen können, dann muss es eben mit Tarnen und Täuschen gehen. Weil Politiker und Journalisten lieber nicht mit einer PA-Agentur zusammenarbeiten wollen, führt man sie hinters Licht. Selbstverständlich weil es sich um einen guten Zweck handelt, nämlich "den „Einsatz für wichtige öffentliche Belange mit der Generierung von Neugeschäft“ zu verbinden".
Der Rat befand eindeutig, die NTSA-Initiative "verfolgte unternehmerische Ziele für BKP"; die NTSA sei entgegen der Außendarstellung stets von der Agentur direkt abhängig gewesen und habe weder eine eigenständige Struktur noch Finanzierung gehabt.
Der Rat gibt der Agentur noch einige Hausaufgaben zur kurzfristigen Bearbeitung mit: Bereinigung der NTSA-Internetpräsenz, Korrektur der Angaben gegenüber den bisherigen und künftigen Gesprächspartnern, Aufstellung klarer Regeln in der Agentur für künftige Akquise und als "Orientierungshilfe bzw. Handlungsanweisung für Projektpartner und Mitarbeiter". Der Rat verweist ausdrücklich auf zwei frühere Ratssprüche: die Entscheidungen in der Angelegenheit E.ON/PRGS (dazu ein PAM-Blogbeitrag) und in der Angelegenheit Weber Shandwick/BVMed. Hier ging es auch um die Geschäftsanbahnung: Die Agentur müsse jeden Eindruck vermeiden, sie handle im Auftrag eines Kunden. Der Rat sagt:
Gerade weil der Rat die prinzipielle Vorgehensweise für legitim hält und es als selbstverständlich betrachtet, dass eine Agentur aus der Analyse von Geschäftspotenzialen heraus, Strategien entwickelt und hierfür Allianzen anstrebt, muss zu jedem Zeitpunkt deutlich gemacht werden, wie der Status einer solchen Initiative aussieht. In diesem Sinne kann die Agentur selbstverständlich auch nach außen kommunizieren und bspw. Sondierungsgespräche mit der Politik führen, welche Durchsetzungschancen eine solche Allianz hätte. Ein solches Vorgehen hält der DRPR für vermittelbar und auch nicht der Sache abträglich, wenn eine Agentur deutlich macht, dass sie die Initiative ergriffen hat und sich in Gesprächen mit der relevanten Industrie hierüber befindet, inwieweit sie sich an der Initiative beteiligen werde.Die Argumentation ist nachvollziehbar. Operativ ist das allerdings ein schmaler Grat -- zumal auf der Hand liegt, wie schwer es ist zu entscheiden, ab wann solche Exploration tatsächlich öffentlich gemacht werden kann. Im "Dunkeln", wie LobbyControl sagt, beginnt es wohl immer. Sondierungsgespräche gehören unter den Schutz der Vertraulichkeit. Spätestens ab einer formalen Organisationsgründung und dem Eintreten in die Öffentlichkeit und in echte Lobbygespräche wird es aber Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen.
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