Samstag, 27. November 2010

Privatuni-Boomtown Berlin: Geheime Gelddruckmaschine für das Land

Zunehmend stellt sich die Frage, warum das Land Berlin so großzügig Privathochschulen lockt und eine relativ lockere Aufsicht praktiziert. An der Parteiprogrammatik von SPD und Linke kann's ja nicht liegen. Gibt es über die "weichen" Wirtschaftsstandortfaktoren hinaus etwa noch finanzielle Gründe? Ja – Berlin kassiert für seine privat Studierenden Geld vom Bund - aber reicht dieses Geld nicht an die Privatunis weiter, sondern stopft damit die Lücken im staatlichen Hochschuletat.

In einem Kommentar zum Spiegel-Bericht "Dubiose Bildungsfirma: Berliner Senat schließt Phantom-Hochschule" schreibt der Leser "Unterländer":
Witzigerweise (leider weniger witzig für die Studenten) ist es gerade ein rot-roter Senat, der dieses Treiben fördert. Sollten die eigentlich nicht besonders skeptisch sein, was private "Bildungsangebote" angeht. Nö. Vielleicht gibt's aus irgendeinem Bundestopf Geld pro Studenten. Würde erklären, warum dort jeder, der das Wort Hochschule oder University halbwegs fehlerfrei buchstabieren kann, eine Hochschule gründen darf.
Guter Hinweis. Die Beratungsfirma McKinsey hat den Finanz-Trick auch schon entdeckt, mit dem "private" Studenten indirekt die "staatlichen" Studenten bezahlen. In der FTD kritisierte der Projektleiter der Initiative McKinsey bildet, Nelson Killius, unlängst die Praxis Berlins: "Wenn eine private Hochschule Studienplätze schafft, sollte sie dafür auch den Zuschuss des Bundes bekommen, den die staatlichen Unis aus dem Hochschulpakt bekommen."

Das hat der Verband der Privaten Hochschulen (VPH) ebenfalls mit Blick auf andere Länder kritisiert:
Sowohl die finanzielle Diskriminierung von privaten Hochschulen entgegen der erklärten Absicht des Hochschulpakts als auch die Zuwendung dieser Mittel, die den privaten Hochschulen zustehen, an staatliche Hochschulen ist eine klare Schlechterstellung und rechtlich durchaus fragwürdig“, so Harald Melcher [Vorsitzender des Verbands]. Denn: Nur vier Bundesländer haben die privaten Hochschulen teilweise in die Zuwendung einbezogen. Der VPH fordert hier eine sofortige bundesweite Korrektur des Verfahrens – im Übrigen nicht zum ersten Mal.
Hariolf Wenzler, Geschäftsführer der Bucerius Law School Hamburg, schlägt in seinem Blog WenzDay im Beitrag "Subventionieren private Hochschulen staatliche Unis?" in dieselbe Kerbe und kritisiert das Land Hamburg:
Für jeden Studierenden der Bucerius Law School, der seinen Wohnsitz nach Hamburg verlegt, bekommt Hamburg rund 3.000 € pro Jahr aus dem Länderfinanzausgleich. So gesehen profitiert Hamburg regelrecht von Bucerius - vom Imagegewinn des Wissenschaftsstandorts ganz abgesehen (wie ich neulich hörte: "Bucerius ist Hamburgs Antwort auf die Exzellenzinitiative").

Allerdings kann das mit der "umgekehrten Subventionierung" auch zu weit gehen: Hamburg bekommt für jeden Studienplatz, der seit einem bestimmten Stichtag zusätzlich geschaffen wurde, pro Student und Jahr rund 22.000 € aus dem Hochschulpakt II der Bundesregierung. Da bei der Berechnung für Berlin auch die Bucerius-Studierenden mitgezählt wurden, sind der Stadt rund 600.000 € zugeflossen. Auf die Idee, dass dieses Geld womöglich nach dem "Verursacherprinzip" an die Bucerius Law School zurückfließt, ist leider bislang niemand gekommen. Andere Bundesländer hatten die Größe, hier den privaten ihren Anteil zukommen zu lassen.

Vielleicht kommt statt dessen ja bald eine Postkarte der staatlichen Universität, in der sie sich z. B. für eine neue IT-Ausstattung bedankt. Wenn wir sogar zum Sektempfang eingeladen werden schlage ich vor, dass alle Studierenden mitkommen. Sie haben schließlich zu 23% dazu beigetragen.
Subventionen für private Hochschulen vs. Subventionen durch private Hochschulen

Als Dorado für private Hochschulen hat sich das Land Berlin in den letzten Jahren präsentiert. Die Industrieleistung ist marginal, umso wichtiger sind die Ideen- und Kreativbranchen -- und gerade Bildung und Wissenschaft kann man auch ohne viel Geld fördern: nämlich durch praktische Deregulierung, wenig Vorschriften, großzügige Aufsicht. Inzwischen machen die Privatunis leider nicht nur Freude, sondern auch Ärger. Die Financial Times Deutschland hat das jüngste Beispiel der Edu.Con-Hochschule aufgespießt, das auch hier im Blog schon Thema war – der Trägergesellschaft wird chaotisches Management in Berlin sowie andernorts Subventionsbetrug vorgeworfen (mit seinen berufsbildenden Schulen in Brandenburg und NRW).

Andere Länder haben - anders als Berlin - privaten Hochschulen seit den 1990ern kräftig mit viel Geld unter die Arme gegriffen.
Zuletzt gab es einen politisch hoch umstrittenen Beschluss des Landes Hessen, das der inzwischen in EBS Universität umbenannten European Business School in Oestrich-Winkel hohe Subventionen zugesteht (Blogbeitrag dazu); zuvor machte Bremen Millionen locker für die International University Bremen (heißt jetzt Jacobs nach der Rettungsaktion durch die Jacobs-Stiftung), Baden-Württemberg bei der International University in Bruchsal (inzwischen geschlossen) und dem Stuttgart Institute of Management and Technology (SIMT, nach dem Kollaps übernommen von der Steinbeis-Gruppe), NRW bei der Universität Witten-Herdecke (auch ein Krisenfall), Niedersachsen bei der GISMA in Hannover. Die Subventionierung war aber immer sehr unsystematisch, nicht immer erfolgreich und fiel bisweilen eher unter das Kapitel Gutsherrenpolitik aus der jeweiligen Staatskanzlei.

Der
Privathochschul-Verband VPH versucht seit Jahren, einen allgemein verbrieften Anspruch der Privaten auf öffentliche Subventionen durchzusetzen – sei es durch Bildungsgutscheine, sei es durch Beteiligung an öffentlichen Fördertöpfen.

Es spricht manches dafür, manches dagegen. Dafür spricht, dass Privatunis das Bildungssystem erweitern und damit ein positiver Standortfaktor sind, wobei sie den Staat auch entlasten. Dagegen spricht vor allem, dass die öffentlichen Bildungsetats extrem klamm sind.

Ein Paradebeispiel ist Berlin, das nur mit Mühe seine staatlichen Hochschulen im Betrieb halten kann. Der Gründungsboom in Berlin hat mit Subventionsversprechen für die Privaten nichts zu tun - gefördert wird mit laxer Lizenzpraxis und schwacher Aufsicht, aber weder aus normalen Haushaltsmitteln noch aus Konjunkturprogrammen finanziert der Senat die Privathochschulen.

Lobbying für Staatszuschüsse an private Hochschulen ist in Berlin - ziemlich - vergebens.
Ausnahmen bestätigen die Regel. Der aktuelle Landeshaushalt verrät, dass Berlin 2010 und 2011 €7,6 Mio. an private Hochschulen ausschüttet. Die Evangelischen und Katholischen Fachhochschulen sind im weiteren Sinne privat und damit eigentlich nicht zu Zuschüssen berechtigt, das Hochschulgesetz sichert ihnen als öffentlich-rechtliche Körperschaften aber die Übernahme der Personalkosten zu. Als einzige nichtkirchliche Privatuni hat die ESCP Europe durch einen Vertrag von 1988 das Privileg von Landessubventionen (zurzeit jährlich €674.000). Aber sonst haben Private wenig Chancen auf Landesmittel.
In einer Kleinen Anfrage erkundigte sich der FDP-Abgeordnete Mirco Dragowski (Ds. 16/13929) im Berliner Abgeordnetenhaus: "Beteiligt sich Berlin wie auch Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen finanziell an der Schaffung neuer Studienplätze auch an privaten Hochschulen? Falls nein, warum nicht?"
Antwort von Staatssekretär Hans-Gerhard Husung: "Nein, die Anerkennung privater Hochschulen begründet keinen Anspruch auf einen Zuschuss des Landes Berlin. Dies ist gesetzlich geregelt im § 123 Abs. 8 Berliner Hochschulgesetz."
Allerdings ist in Berlin die Frage anders herum zu stellen: Profitiert das Land finanziell von seinen bis letzte Woche 23, minus Edu.Con jetzt 22 Privathochschulen?

Wie also kann Berlin Geld dafür bekommen? Durch Bundeszuweisungen. Die Föderalismusreform hat zwar inzwischen Bund- und Länderverantwortung für die Bildung getrennt, gleichwohl stellt der Bund durch den "Hochschulpakt" Subventionen für neue Studienanfänger zur Verfügung, wenn Berlin eine Mindestzahl von Studienanfängerplätzen hält und weiter schafft.

Beim BMBF sind die Kernpunkte des Hochschulpakts nachzulesen. Der Bund stellt Hunderte Millionen Euro bereit, damit die stets klammen Bundesländer mehr Studienplätze schaffen.

Beim Pakt von 2007 waren das 11.000 Euro pro Kopf (rein rechnerisch, die tatsächliche Kalkulation ist etwas komplizierter), verteilt auf vier Jahre bis 2010. 2009 wurde die Fortsetzung bis 2015 beschlossen, der Preis pro zusätzlichem Studienanfänger steigt mithin auf 13.000 Euro. Der Bund schießt das Geld dabei zunächst vor, genau abgerechnet wird später rückwirkend auf der Basis der tatsächlich entstandenen und belegten Studienplätze.
  • Davon profitieren überproportional die neuen Länder (damit sie trotz demographischen Verlusten die Studienplätze halten) und Bremen, Hamburg sowie Berlin, weil sie weit über dem eigenen Bedarf ausbilden und extrem viele Nicht-Landeskinder studieren lassen. Im Fall Berlin sind etwa die Hälfte der Studenten Nichtberliner.
  • "Berlin erhält eine Pauschale von 4 % der Bundesmittel und verpflichtet sich im Gegenzug, im Durchschnitt der Jahre 2007 bis 2010 eine jährliche Studienanfängerzahl von 19.500 zu halten", hieß es 2007. Im Zeitraum 2011-2015 ergibt sich für Berlin die Verpflichtung, jährlich 19.669 Studienanfängerplätze anzubieten.
  • Werden noch mehr Studienanfänger gezählt als vereinbart, gibt es für Berlin auch für diese Köpfe Geld - nämlich nach dem allgemeinen Verteilungsschlüssel, der für alle Länder gilt. Verfehlt das Land dagegen seine Ziele, wird Geld abgezogen.
Die Anreize sind klar gesetzt. Nun stellt sich die Frage, wie man Studienplätze schafft, wenn die Kasse leer ist. Denn das Problem besteht darin, dass die Länder kofinanzieren müssen: rechnerisch 11.000 bzw. 13.000 Euro pro Kopf vom Bund fließen nur, wenn Berlin ebensoviel investiert. Eigentlich fair.

Hier kommen nun die Privathochschulen ins Spiel. Wenn private Träger Studienplätze schaffen, geht das im Sinne des Hochschulpakts positiv aufs Konto des Landes Berlins.

Denn wie und wo die Studienplätze geschaffen werden, darüber lässt sich die Verwaltungsvereinbarung zum Hochschulpakt nicht aus.

Bei Privathochschulen investiert das Land Berlin aber gar nichts in die Schaffung neuer Studienplätze (siehe oben). Gleichwohl löst ein Studienanfänger an einer Privathochschule eine Bundessubvention aus.

Nun könnte man denken, das Bundesgeld müsste anteilig in die Kasse der Privathochschule fließen, denn sie hat den Anfängerplatz ja kreiert. Dem ist jedoch nicht so.

Die Verwaltungsvereinbarung zum Hochschulpakt sagt in §5 (1): "Der Bund weist die von ihm zur Verfügung zu stellenden Mittel den einzelnen Ländern zur eigenen Bewirtschaftung zu." Die Mittel sind natürlich zweckgebunden für Maßnahmen zur Schaffung von Studienplätzen, und darüber gibt es Berichtspflicht und Verwendungsnachweise. Rein administrativ gibt es aber keine weiteren Vorschriften außer der allgemeinen Haushaltsordnung. Und: Die Länder können die Mittel an Dritte weitergeben, müssen aber nicht.

Das heißt: Das Land Berlin vereinnahmt das Geld vom Bund und ist frei darin, es allein für die Studienplätze an öffentlichen Hochschulen zu verwenden.

Wenn es um das Prinzip "Geld folgt Studierenden" geht, werden private und staatliche Hochschulen ungleich behandelt. Nicht überraschend, dass für einen neuen Ansatz lobbyiert wird. Der Stifterverband hat die Praxis jüngst in seiner mit McKinsey publizierten Studie "Rolle und Zukunft privater Hochschulen in Deutschland" kritisiert:
Die Weitergabe der Bundesmittel an die jeweiligen Hochschulen wird je Bundesland sehr unterschiedlich und überwiegend zum Nachteil der privaten Hochschulen gehandhabt. Während in Berlin und Niedersachsen keinerlei Mittel aus dem Hochschulpakt an private Hochschulen fließen, gibt Nordrhein-Westfalen diese partiell weiter. In Hessen und Rheinland-Pfalz wurden in der ersten Phase private Hochschulen zwar nicht an den Einnahmen aus dem Hochschulpakt beteiligt, die beiden Bundesländer planen aber, dies in der zweiten Phase zu überarbeiten.
Aus Gründen der Gleichbehandlung und um die Bereitstellung der gewünschten zusätzlichen Studienplätze zu fördern, sollten die Länder Gelder für definierte und bei den Kennzahlen zur Mittelvergabe berücksichtigte Leistungen privater Hochschulen diesen auch zur Verfügung stellen. Eine vollständige Weitergabe der Mittel für die privat geschaffenen Studienplätze der vergangenen fünf Jahre (ca. 50.000) würde an den privaten Hochschulen zu Einnahmen von insgesamt ca. 550 Mio. Euro führen. (S. 51)
In der Tat hat das SPD-geführte Rheinland-Pfalz jüngst umgesteuert, die Otto Beisheim School of Management (WHU) hat mit der Landesregierung eine Zielvereinbarung über neue Studienplätze geschlossen. Damit wird in Rheinland-Pfalz, so hieß es aus Mainz Ende Oktober, erstmals eine private Hochschule am Hochschulpakt beteiligt.

Schnelles Wachstum für Private, schnelles Geld für den Staat

Um wie viel Geld geht es überhaupt? Was wäre der legitime Anteil der Privathochschulen in Berlin an den Bundeszuschüssen? Schwer zu beantworten. Die Mittelverwendung und die Zahl der dafür in Frage kommenden privaten Studienplätze sind aus öffentlichen Quellen kaum praktikabel nachzurecherchieren. Die Hochschulstatistik bietet aber einige Anhaltspunkte.

Das Landesamt für Statistik Berlin-Brandenburg hält für das WS2010/11 fest, dass Berliner Hochschulen, also öffentliche und private zusammen, 21.950 Studienanfänger (gemeint: im 1. Hochschulsemester) aufgenommen haben. Der Anteil der Privaten: immerhin 2703 Studierende.

Aus der Statistik ergibt sich nicht, wie viele davon als "zusätzliche" Studienplätze gewertet werden können. Anzunehmen ist aber, dass ein großer Teil der privaten Studienplätze "neu" war und ist.
Kein Wunder. Viele Berliner Privathochschulen wurden erst vor kurzem gegründet und anerkannt, die ersten Studenten werden typischerweise 1-2 Jahre nach Gründung immatrikuliert und offiziell von der Statistik erfasst.

Der Senat hat seit 2006 eine Rekordleistung bei der staatlichen Anerkennung vollbracht: International Business School (2006), bbw-Hochschule, IB-Hochschule, Hochschule für Gesundheit und Sport, Design Akademie Hochschule für Kommunikation und Design sowie Best-Sabel-Hochschule (2007), Internationale Hochschule für Exekutives Management und Deutsche Universität für Weiterbildung (2008), International Psychoanalytic University, Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft, Akkon-Hochschule und DEKRA-Hochschule (2009), Hochschule der populären Künste, Quadriga Hochschule und schließlich Edu.Con (2010).

Der Blick auf die Detailstatistiken 2010/11 im Vergleich zu 2006/7 macht sehr deutlich, wie stark die einzelnen Hochschulen gewachsen sind und dass zahlreiche neue Einrichtungen dazu gekommen sind, die sehr wachstumsorientiert sind - und sein müssen, denn ihre Finanzlage ist meist prekär, wie der Stifterverband in seiner Studie "Rolle und Zukunft privater Hochschulen in Deutschland" betont hat.

Im Sinne des Hochschulpakts dürfte also ein Großteil der privaten Studienplätze der vergangenen Jahre dem Land Berlin als "zusätzliche" Studienplätze zugeschrieben worden sein.

Mehrere Tausend Studienplätze multipliziert mit dem rechnerischen Bundeszuschuss von 11.000 Euro (ab 2011: 13.000 Euro), da ergibt sich eine schöne Millionensumme für den Bildungsetat. Das erleichtert es dem Land Berlin, die Pflichtleistung zu schaffen und die geforderte Kofinanzierung für neue Studienplätze an staatlichen Hochschulen zu leisten. Prognostiert wird für die nächsten Jahre, dass Berlin (mit Hilfe der Privaten) die Pflichtquote an neuen Studienplätzen deutlich übererfüllt.

Anders gesagt: Die "Kopfgeldjäger" der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung folgen dem ökonomischen Anreiz, privaten Trägern die Immatrikulation von Studenten so leicht wie möglich zu machen.
  • Je mehr private Studienplätze es in Berlin gibt, desto einfacher wird der Unterhalt der landeseigenen Studienplätze.
  • Je leichter das Land Berlin die Gründung von Privathochschulen macht, umso mehr springt bei den Subventionen heraus.
  • Die großzügige Genehmigung kostet das Land nichts, die Einnahmen für das Land aber sind sicher.
Das klingt wie eine Gelddruckmaschine für den Senat.

In diesem Kontext ist verständlich, dass die Aufsicht über die Privathochschulen sanft gehandhabt wird. Wer wird bei Qualität, Personal und Infrastruktur schon pingelig sein, wenn man durch allzu scharfe Vorgaben und Inspektionen das schnelle Wachstum der Privaten bremsen und damit die staatlichen Einnahmequellen reduzieren würde?

Wie wichtig ist dem Staat die Nachhaltigkeit privater Studienplätze?

Der Pferdefuß findet sich natürlich in der Nachhaltigkeit. Eine generöse Lizenzpolitik kann bedeuten, dass hin und wieder Privathochschulen ins Schlingern geraten (wie Akkon) oder gar vorzeitig ableben (Beispiele Edu.Con und Internationale Hochschule für Exekutives Management).

Die meisten Privathochschulen in Berlin dürften solide gemanagt werden, teilweise steht auch ein finanzkräftiger und großer Träger dahinter. Der Auftritt großer Konzerne als Hochschulträger - von SRH über Klett (DUW) bis Dekra - bietet eine gewisse Sicherheit; bei mittelständischen Unternehmungen sieht das schon anders aus.

Wahr ist, dass viele Private in Berlin auf wackligen Füßen stehen, weil sie sehr klein sind
- klein bei den festen Professoren (es gibt welche, die haben nur zwei oder drei), klein bei Verwaltung, Beratungspersonal, Bibliothek und sonstiger Infrastruktur, klein bei den Budgets für Unterhalt und strategische Investitionen, klein bei den Möglichkeiten, Innovationen nachhaltig umzusetzen, klein bei der Zahl der verlässlichen Unterstützer und Finanziers. Das birgt ein hohes Risiko des Scheiterns - wie bei anderen Start-ups auch.

Und was ist mit der schlechten Presse? Nun, da liegen die Nöte und Versäumnisse zunächst in der unternehmerischen Verantwortung des Managements und nicht bei der Aufsicht. Und, nun ja, auch der Bildungsmarkt lebt, frei nach Schumpeter, von schöpferischer Zerstörung. Scheitert eine Hochschule, ist schon die nächste am Start. Durch die freundliche Genehmigungspraxis des Senats kommen immer neue Hochschulgründungen nach. Wie sagte der Bildungsstaatssekretär Ende 2009: "Es gibt zahlreiche Anfragen und Beratungsgespräche zum Verfahren der staatlichen Anerkennung. Zurzeit liegen drei Anträge auf Anerkennung vor."

Wenn der Senat so weitermacht, sehen wir in Berlin noch ein weiteres Dutzend Privathochschulen. Unwahrscheinlich, dass die alle überleben können. Weltweit geht der Trend bei Privathochschulen zu Größe und Kettenbildung, die Großen fressen die Kleinen, wenn man nicht eine extrem profitable Nische besetzt, und für neue Start-ups wird die knifflige Wahl des richtigen Geschäftsmodells immer entscheidender.

Anscheinend überdenkt der Senat seine bisherige Linie und schaut nun - auch aufgrund des öffentlichen Drucks - genauer hin. Nun kommt es auf die richtige Balance an.

Private Hochschulen sind im besten Fall Innovationsmotoren, erschließen neue Zielgruppen für die Aus- und Weiterbildung und helfen dem Staat, bildungspolitische Ziele zu erreichen. Es ist daher sinnvoll, dass die Praxis der staatlichen Anerkennung nicht zu hohe Hürden anlegt.
  • Wenn Private etwas anders machen als die etablierten staatlichen Einrichtungen, ist das noch kein Grund, misstrauisch zu sein.Wenn Privathochschulen neue Berufs- und Branchenentwicklungen aufgreifen und daher neue Abschlüsse "erfinden", ist das per se kein Grund zum Naserümpfen; wenn sie andersartige Lehrmethoden einsetzen und das Studium anders organisieren, auch nicht. Diesen Freiraum muss man ihnen lassen.
  • Dass die Privaten marketing-, finanz- und wachstumsgetrieben vorrangig auf schnelle Erhöhung der Studentenzahlen aus sind, kann man ihnen ebenfalls nicht pauschal vorwerfen. Aber gerade dann müsste die Aufsicht darauf pochen, dass sie sich nicht übernehmen und ihre akademischen Hausaufgaben machen.
Zudem hat der Staat eine Pflicht zur guten Beratung und fachlichen Begleitung. Der Staat ist weder strenger Onkel noch Kindermädchen, weder Business Angel noch Sugar Daddy. In der mittelständischen Wirtschaftsförderung haben sich partnerschaftliche, auf Qualitäts- und Innovationsnetzwerke basierende Unterstützungsleistungen bewährt. Nach diesem Vorbild ließe sich in der Politik für private Hochschulen - durchaus auch als Wirtschaftsunternehmen verstanden - noch vieles besser machen. Hat der Staat hier ausreichende Beratungs- und Förderkompetenz? Setzt er die politischen Prioritäten richtig?

Der Staat muss klare Regeln setzen, plausible und wettbewerbsfähige Standortstrategien entwickeln, systematisch die Bildungsbranche aufbauen. Das setzt auch Transparenz und Fairness voraus; dazu gehört, systematische Nachteile der privaten Anbieter zu verringern. Beispielsweise gibt es Handlungsbedarf im Akkreditierungssystem (siehe dazu den Blogbeitrag "Sprengsatz im Hochschulwesen: Konzern knackt Bildungs-TÜV").

Würden sich Berlin und andere Bundesländer dazu entschließen, den Privathochschulen die Hochschulpakt-Mittel zu geben, die sie sich durch neue Studienplätze "verdient" haben, wäre es für sie sicher etwas einfacher, durch die schwierigen Gründungsjahre zu gehen. Quantität und Qualität kosten Geld. Wenn der Steuerzahler für neue Studienplätze Geld ausgibt, dann sollte es auch dahin fließen, wo die Studienplätze entstehen -- und sie damit langfristig sichern.

Ist eine Subventionierung privater Hochschulen aus ordnungspolitischen Gründen nicht gewünscht (durchaus legitim), dann sollte ein Land wie Berlin auch so ehrlich sein, nur landeseigene Studienplätze zählen und honorieren zu lassen. Einer macht die Arbeit und trägt das Risiko, und der andere kassiert fürs Nichtstun - das kann es nicht sein.

Solche Tricks untergraben nicht nur die Vertrauensbasis zwischen Staat und Privat, sondern laden auch zu weiteren Tricksereien auf beiden Seiten ein.

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